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Systeme der Gesellschaft

AutorCemil Sahinöz
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783752854107
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
In der vorliegenden Arbeit werden verschiedene Systeme und Themen der Gesellschaft betrachtet. Die Systeme Familie, Erziehung, Kommunikation, Medien, Medizin, Modernität, Globalisierung, Sozialisierung, Kriminalität, Organisation und Sozialpsychologie werden soziologisch und psychologisch analysiert. Ziel dabei ist es u.a. zu zeigen, wie vielfältig die unterschiedlichen Forschungen sind und einen Einblick in die Diskurse zu bieten.

Der Autor Dr. Cemil Sahinöz (Soziologe, Religionspsychologe, Familienberater, Integrationsbeauftragter, geboren 1981) ist Gründer und Chefredakteur der Zeitschrift Ayasofya. Er hat verschiedene Bücher übersetzt und verfasst. Sein erstes Buch schrieb er mit 15 Jahren und mit 16 Jahren brachte er seine erste monatliche Zeitschrift heraus. Sein Aufsatz Situation der türkischen Familien in Europa wurde 2006 von Diyanet (DITIB) zum Besten Aufsatz des Jahres gewählt. Zu verschiedensten Themen macht er Vorträge, Seminare, Fortbildungen, Konferenzen und Workshops. Er ist in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften als Journalist und Kolumnist tätig. Als Journalist begleitete er den deutschen Bundespräsident Christian Wulff und den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül bei ihrem Osnabrück-Besuch. Sahinöz moderierte die Internet-Radiosendung Misawa Talk. Hauptberuflich ist er in der Integrationsagentur und Familienberatung tätig. Nebenbei ist er in der türkischen Glücksspielsuchthotline tätig. In der Vergangenheit arbeitete er als Lehrer, Projektmanager, Seelsorger für muslimische Häftlinge, Übersetzer, Editor und Leiter von pädagogischen Angeboten. Seine Webseite (www.misawa.de) wurde unter 42 deutschen Islamseiten in den Bereichen Offenheit, Dialog, Meinungsfreiheit, Toleranz und Demokratisch in einer Forschungsarbeit an einer Universität am besten bewertet. Als Dank und Auszeichnung für sein Engagement im Bereich Integration wurde er von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel empfangen und seine Arbeit auf diesem Gebiet gelobt. Sahinöz traf sich u.a. auch mit dem muslimischen Berater von Barack Obama, Rashad Hussain, und gab ihm Informationen über die Muslime und ihren Organisationen in Deutschland. Der AIB (Europäischer Arbeitgeber und Akademiker Verbandes NRW) verlieh ihm im Juni 2011 den Akademiker- und Integrationspreis. In der Focus Ausgabe Nr. 39 (19.09.2015) wurde er als einer der intellektuellen, muslimischen Jugendlichen in Deutschland vorgestellt und als Seelsorger betitelt. Sahinöz ist zu dem Vorsitzender des Bündnis Islamischer Gemeinden (Dachverband der muslimischen Einrichtungen in Bielefeld) und Gründungsmitglied, Generalsekretär und ehemaliger Vorsitzender der European Risale-i Nur Association (Dachverband der Nurculuk Bewegung in Europa).

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Leseprobe

Unkommunikativ in einem kommunikativem Zeitalter


1.0 Einführung


Ganz besonders in den letzten zwei Jahrzehnten sind der schnelle Informationsaustausch über große Entfernungen sowie der leichte Zugang zu Informationen zu markanten und bedeutsamen Merkmalen der menschlichen Gesellschaft geworden.

Die Kommunikation zwischen zwei Menschen ist das natürliche Ergebnis der sich über Jahrhunderte entwickelten Formen der Verständigung. Gesten, die Entwicklung der Sprache und die Notwendigkeit, sich an gemeinsamen Handlungen zu beteiligen, spielten in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle.

Um Handels- und andere Beziehungen zwischen den Nationen und Reichen zu pflegen, war die regelmäßige Verständigung über größere Entfernungen unerlässlich.

2.0 Attraktivität des Fernsehens


Der Fernseher gewinnt immer mehr an „Anhänger“. Die große Auswahl an Sendern und die Programmvielfalt machen den Fernseher attraktiver. Immer neue Filme, Serien, Shows und andere „Produkte“ werden dem Zuschauer präsentiert und vorgeführt, so dass eine bestimmte Anziehungskraft zwischen Fernseher und Zuschauer entsteht.

Besonders Kinder können sich gegen diese Anziehungskraft nicht währen. Zu verlockend sind die auf dem Bildschirm tanzenden Figuren. Man zieht die Pokemon-Kämpfer ganz natürlich den Hausaufgaben oder anderen Aktivitäten vor.

Fernsehen ist die wichtigste mediale Tätigkeit für alle Altersgruppen. Fernsehen ist darüber hinaus eine Tätigkeit, die einen Großteil der Freizeit der Menschen jeden Alters verschlingt. Hier lohnt es sich die Daten der kleinsten untersuchten ZuschauerInnen, der 3 bis 13-Jährigen anzusehen1:

Sehdauer in
Min.
Seher in%Verweildauer in Min.
Kinder 3-13
Jahre
gesamt9761153
mit eigenem
Fernsehapparat
12466181
Mädchen 3-13
Jahre
gesamt9560154
mit eigenem
Fernsehapparat
12366183
Jungen 3-13
Jahre
gesamt9762152
mit eigenem
Fernsehapparat
12668179

Wir sehen neben Zahlen und Prozenträngen, hierbei drei wichtige Dinge. Erstens können wir feststellen, dass insgesamt Kinder mehr als anderthalb Stunden pro Tag fernsehen. Zweitens fällt auf, dass die Verweildauer vor dem Fernsehapparat bedeutend höher ist. Zwei ein Viertel Stunden halten sich die Kinder vor dem Fernsehapparat auf. Zum dritten wird deutlich, dass Kinder mit einem eigenen Fernsehapparat täglich fast eine halbe Stunde länger fernsehen bzw. sich zwei dreiviertel Stunden vor dem laufenden Fernsehgerät aufhalten.

3.0 Selbständigkeit der Kinder


Die Eltern von Kleinkindern befinden sich ständig in einem sogenannten Konkurrenzkampf mit dem Fernseher. Für manche Eltern spiegelt Konkurrenz mit dem Fernsehgerät ihr mangelndes Vertrauen in die Fähigkeit ihrer Kinder wider, sich selbst zu unterhalten (Winn, 1979, S. 194). Der Gedanke, dass die Kinder sich nicht ohne irgendeine Anregung allein beschäftigen können, lässt den Müttern die einfachere Wahl treffen: „Geht fernsehen!“

In vielen Familien bestimmen die Kinder ihre Freizeit natürlich selbst, indem sie das Fernsehgerät einschalten. Aber selbst in den Familien, in denen der Fernsehkonsum eingeschränkt wird, verringert sich die Freizeit der Kinder drastisch durch den Konkurrenzkampf, den die Eltern gegen die Flimmerkiste führen (Winn, 1979, S. 195). Denn solange das Fernsehen mit all seinen Attraktivitäten ständig zur Verfügung steht, gibt es keinen Augenblick im Tagesablauf eines Kindes, wo es „nichts zu tun hat“. Der Fernseher bietet ja immer etwas.

Der Fernseher unterhält die Kinder. Dadurch verlieren die Kinder an Kreativität und Fähigkeit, sich selber zu unterhalten. Es verstärkt die Unselbständigkeit des Kindes. Um dem entgegenzuwirken müssen die Eltern die Kinder dazu verleiten, ihre „inneren Kräfte“ zu finden. Das Kind muss seinen eigenen Fähigkeiten zutrauen. „Denn das ist die primäre Funktion der freien Zeit im Leben eines Kindes: ihm die notwendige Gelegenheit zur Verringerung seiner Abhängigkeit von seinen Bezugspersonen und zur Entwicklung seiner eigenständigen Persönlichkeit zu geben“ (Winn, 1979, S. 197).

Nur durch dieses selbstgesteuerte Tun kann das Kind ein Selbst entdecken. Unabhängig von anderen Menschen und Objekten.

Ohne solche Erfahrungen wird das Kind zwar schließlich auch von seinen Eltern unabhängiger werden, aber es wird ein passiver statt aktiver Teilnehmer des Lebens.

3.1 Freie Zeit


Es sieht ganz so aus, als würde der Fernseher die „freie Zeit“ der Kinder einschränken oder dem sogar ein Ende setzen. So ist Fernsehen eine weniger kreative Beschäftigung in der sogenannten „freien Zeit“.

Der Begriff von „freie Zeit“ ist eigentlich gar nicht so richtig. Zeit ist nicht etwas Reales. Also kann es auch keine Attribute wie „frei“ oder „nicht frei“ besitzen. Es ist nur real in Relation zu der Person, die sie erlebt.

„Freie Zeit muss als Definition der Person verstanden werden, die diese bestimmte Zeit erlebt, nicht der Zeit selbst; das heißt, freie Zeit ist eine Zeit, in der ein Mensch frei von bestimmten Beschränkungen ist, die seiner Zeit sonst auferlegt werden, eine Zeit, die er nach eigenem Willen, nach eigenem Rhythmus, nach eigenem Geschmack gestalten kann, frei von allen Zwängen und Forderungen, die er nicht selber schafft“ (Winn, 1979, S. 198).

Freie Zeit ist also demnach, eine Zeit, in der es keine bestimmten Beschränkungen für den Menschen gibt, was er mit dieser Zeit anfängt.

In den ersten Lebensjahren hat ein Kind (ein Säugling) das Bedürfnis, seine Zeit in bestimmter Weise zu füllen. Da aber ein Säugling seine Zeit nicht allein gewinnbringend nutzen kann, schalten sich hier die Eltern ein. Sie sorgen für die geistliche Entwicklung des Säuglings. In diesem Alter werden die Kinder von menschlichen Kontakten entscheidend beeinflusst. Sie nehmen die Kinder in die Arme, spielen mit ihm und füllen dessen Zeit.

Mit dem Erreichen des dritten Lebensalters ändert sich diese Situation. „Die Intensität seiner (der Kinder) Verbundenheit mit der Mutter lässt deutlich nach. Es schreit und weint nicht mehr verzweifelt, wenn die Mutter weggeht“ (Winn, 1979, S. 200). Es beginnt Unabhängig zu werden.

Doch dieser erste Schritt in Richtung Unabhängigkeit wird von einer anderen Abhängigkeit verhindert: nämlich dem Fernseher. In diesem Lebensalter verbringt das Kind erstmals längere Zeit vor dem Fernseher. Das Kind erlebt eine neue Erfahrung. Es zwingt ihn wieder zu einer, zwar vorübergehenden, Abhängigkeit und Unselbständigkeit. Fernsehen in dieser Phase fördert die Regression des Kindes. Die Selbstgestaltung wird eingeschränkt und Passivität wird erzeugt.

„Gerade, wenn es im Begriff ist, seine infantile Hilflosigkeit zu überwinden, wird das Kind durch die Verlockung des Bildschirms erneut in die Passivität zurückgedrängt“ (Winn, 1979, S. 201).

Sobald das Kind ein Alter erreicht, in dem es fähig ist, sich seine Zeit selber einzuteilen und zu gestalten, füllt es nun seine Zeit durch das Fernsehen. Dies führt zur Einschränkung seiner Freizeit und Beraubt ihm die Gelegenheit zur Wiederherstellung und Erneuerung seines Selbst (Winn, 1979, S. 202). Beim Fernsehen hat das Kind wenig Macht über die Zeit.

Mit der Beschäftigung mit dem Fernseher wird die Zeit natürlich auch „gefüllt“, aber es ist keine „freie Zeit“ in dem Sinne, da der Bildschirm, den Zuschauer davon abhält, irgendetwas anderes zu tun, als zuzuschauen und zuzuhören. „Sein Wille existiert nicht“ (Winn, 1979, S. 204).

Die eigenen Gedanken werden sozusagen ausgeschaltet beim Fernsehen. Die eigene Phantasie, wie beim Lesen, oder die eigenen Gedanken, wie beim Spiele erfinden, spielen hier keine Rolle mehr. Der Fernseher, bzw. die Sendung übernimmt nun diese Aufgabe.

Das Kind hat dadurch keine Möglichkeit zu erfahren, dass sein Glück und sein Wohlergehen vom eigenen Verhalten abhängen.

4.0 Das verlorene Paradies


Als die Kinder anfangen, sich von der Mutter zu lösen, und eine sozusagen Unabhängigkeit entwickeln, vollzieht die Mutter eine schwierige Umstellung....

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