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Telemedizin im Kontext von Recht und Ethik

AutorCarsten Dochow
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783638528221
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Jura - Sonstiges, Note: 14 Pkt., Georg-August-Universität Göttingen (Juristische Fakultät), Veranstaltung: Seminar: Entwicklungen im Medizinrecht, 54 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Durch steigende Kosten im Gesundheitswesen wird stetig nach erfolgsversprechenden Lösungen der Effizienzsteigerung und Ökonomisierung gesucht. Eine Möglichkeit bieten die sog. telemedizinischen Anwendungen. Der Verfasser untersucht die wesentlichen Fragen der berufsrechtlichen Zulässigkeit dreier ausgewählter Anwendungen: der Medical Websites, Medical Call-Center und der sog. Telekonsultation. Dabei sind wesentliche Berufspflichten wie das Fernbehandlungsverbot und die Freiheit der Arztwahl zu beachten, die bei der individualisierten Anwendung von Medical Websites und Medical Call-Center von Bedeutung sind. Eine Informationsvermittlung i.S.e. allgemeinen Gesundheitsberatung wird als zulässig erachtet und für sinnvoll gehalten. Ferner werden Fragen des zivilrechtlichen ärztlichen Haftungsrechts am Beispiel der berufsrechtlich zulässigen Telekonsultation betrachtet, wobei insbesondere die Wahrung der ärztlichen Sorgfalt neben typischen Pflichten des Arztes wie der Dokumentationspflicht und der Pflicht zur Aufklärung im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Ferner ist auf die Probleme der Schweigepflicht und des Datenschutzes im Zusammenhang mit der Telekonsultation einzugehen. Hierbei stellen sich besondere Anforderungen an die Sicherheit der patientenbezogenen Gesundheitsdaten und an die Einwilligung des Patienten. Letztlich werden die Anwendungen einer medizin-ethischen Betrachtung unterzogen, wobei zu untersuchen ist, inwiefern sich Rechtslage, Ergebnis der rechtlichen Bearbeitung und Ethik im Ergebnis entsprechen.

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Leseprobe

I. Einführung


 

Der rasante Fortschritt im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologien mit seinen stark erweiterten technischen Möglichkeiten weckt auch Begehrlichkeiten im Bereich des Gesundheitswesens. Gerade in Anbetracht der enorm steigenden Kosten im Gesundheitswesen[1] drängt stetig das Verlangen nach einer Rationalisierung, Effizienzsteigerung und Ökonomisierung. Als ein möglicher Lösungsweg wird angestrebt, sich das Potential der sog. gesundheitstelematischen Anwendungsmöglichkeiten zunutze zu machen.[2] Betrachtet man bspw. die derzeitige Anzahl der Patientenbewegungen[3], so kann in der Überwindung von Zeit und Raum in der Arzt-Patientenbeziehung eine erhebliche Möglichkeit der Ökonomisierung[4] erachtet werden, die nicht zuletzt auch der Erhöhung des medizinischen Standards zum Wohle des Patienten zu dienen bestimmt sein kann. In den telematischen Anwendungen darf jedoch keine Revolutionierung der Medizin erwartet bzw. befürchtet oder gar ein neuer medizinischer Bereich gesehen werden. In ihr steckt allein das Potential, die Umstände medizinischer Leistungserbringung, der Allokation von Leistungen und deren Rationalisierung zu beeinflussen.[5]

 

1. Beschreibung der Telemedizin (Begriffe und Definitionen)


 

Der auch als Kunstwort[6] bezeichnete Begriff der Telematik steht für den kombinierten Einsatz von TELEkommunikation(stechnologie) und InforMATIK.[7] Im Bereich des Gesundheitswesens finden moderne Telekommunikations- und Informationstechnologien als sog. Gesundheitstelematik Anwendung.[8] Dies kann sich insbesondere auf administrative Prozesse, Wissensvermittlungs- und Behandlungsverfahren erstrecken.[9] Im engeren Sinne handelt es sich dabei um die sog. Telemedizin: „Telemedicine is the use of information and telecommunication technologies to provide and support healthcare when distance seperates the participants.”[10] Diese umschreibt allgemein die konkrete Erbringung und Unterstützung medizinischer Leistungen, seien diese Diagnostik oder Therapie, mit Mitteln der Telematik, also im Wege der Verwendung von Informations- und Telekommunikationstechnologien, wenn die Teilnehmer räumlich getrennt sind.[11] Zweck ist das gezielte Zusammenwirken verschiedener Beteiligter unter Überwindung der räumlichen und zeitlichen Koinzidenz zwischen Patient und Arzt[12] oder mehreren involvierten Ärzten und Spezialisten oder Tätigen anderer Fachbereiche des Gesundheitswesens (Masseur, Physiotherapeut usw.).

 

2. Typisierung und Beschreibung gesundheitstelematischer Anwendungen


 

Als Formen telemedizinischer Anwendungen[13], die sich in zahlreichen Gebieten der Medizin wieder finden, ist z.B. die externe Hinzuziehung eines Spezialisten (z.B. bei der schon zunehmend verbreiteten Teleradiologie und Telepathologie) zu nennen. Dabei kann im Wege der elektronischen Befundübermittlung auch eine Telekonsultation mit einem Fachkollegen (bzw. eine Telekonferenz mit mehreren Fachkollegen) stattfinden, wobei zur Abklärung von Befunden auch Diagnosen (Telediagnostik) eingeholt werden können. Denkbar ist auch die ausschließlich solitäre Behandlung i.S.e. Fernbehandlung (z.B. Telepsychologie). Die an dem Patientennutzen orientierten Anwendungsformen finden zunehmend in der sog. Informationsgesellschaft Verbreitung. Dies sind insbesondere Bereiche, in denen telematische Gesundheitsdienstleistungen in Form der internetbasierten oder telefonischen Gesundheitsberatung (medical websites und medical call-center) erbracht werden, z.B. durch Dienstleistungsunternehmen, die auf der Basis vernetzter Betreuungsstrukturen und rechnergestützter Beratungssysteme Informationen und Behandlungsempfehlungen für die ortsunabhängige Nutzung durch verschiedene Nutzergruppen ggf. auch öffentlich zur Verfügung stellen.[14] Es kommt dabei in Betracht, dass –über medizinische Dienstleistungen, allgemeine Gesundheitsinformationen (Medizinische Reiseberatung[15], Erläuterung von Beipackzetteln, allg. Gesundheitsinformationen), bis zur gezielten Beratung –ärztlicher Rat entweder direkt über das Telefon oder auch über den PC via E-Mail erteilt wird, wobei der Patient telefonisch Erkrankungen und Symptome benennen kann und dazu entsprechende medizinische Beratung erhalten soll. Diese ursprünglich in Extremsituationen vorkommende Konstellation, wie z.B. in der Raumfahrt[16], in Flugzeugen oder auf Schiffen, könnte nun auch – nicht nur in ländlichen Regionen, in denen Spezialisten nicht anwesend sein können – verbreitet Anwendung finden. Damit entwickelt sich daraus ein allgemeines Arbeitsfeld mit neuen Job-Möglichkeiten (z.B. Medicall-Agent)[17] und einem erheblichen Marktpotential. Hiervon machen bereits nicht nur private Krankenversicherungen[18] und kommerzielle Dienstanbieter[19] gebrauch, sondern auch einige gesetzliche Krankenkassen.[20]

 

In der Multidimensionalität telematischer Anwendungen zeigt sich ihr breites Spektrum, das für die vorliegende Arbeit der Eingrenzung bedarf, da nicht annähernd alle oben skizzierten Spielarten mit ihren spezifischen Problemen dargestellt werden können. Herausgegriffen werden sollen die Fragestellungen, die sich im Zusammenhang mit der Telekonsultation ergeben, sowie die Fragen zur Zulässigkeit sog. medical websites und medical call-center.

 

3. Nutzen, Problemaufriss und Gegenstand der vorliegenden Arbeit


 

Wesentliche Vorteile[21] gesundheitstelematischer Anwendungen sind insbesondere die Ökonomisierung und Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Wissenstransfer, Verbreiterung der Informationsbasis und verbesserte Allokation von Expertenwissen auch über größere Distanz i.S.v. “move the information, not the patient“[22], sowie die gezielte Nutzungsmöglichkeit der Einrichtungen des Gesundheitswesens.[23] Durch verbesserte Kommunikation (als grundlegende Voraussetzung im Gesundheitswesen) kann die Verfügbarkeit von Informationen zur rechten Zeit am rechten Ort[24] für alle beteiligten Leistungserbringer (z.B. für die Kooperation von Hausarzt, Facharzt, Krankenhaus und Pflegeeinrichtung) erheblich verbessert werden.[25] Auch die Lebensqualität der Patienten kann damit durch Vermeidung von redundanten Doppeluntersuchungen und Wartezeiten gesteigert und die Kosten der Behandlung können durch die Vermeidung von Krankenhausaufenthalten signifikat gesenkt werden. Daneben werden Beschäftigungseffekte, die Schaffung neuer Forschungsmöglichkeiten, die Bündelung von Innovationspotential aus dem Bereich der Medizin und nicht zuletzt wirtschaftliche Anreize erwartet.

 

Aufgrund des Zusammenwirkens mehrerer Beteiligter von verschiedenen Orten aus ergeben sich aber auch zahlreiche (rechtliche) Probleme, dergestalt, dass sich Rechtskreise überschneiden, Gesetze und Verordnungen oder Richtlinien sich widersprechen und überraschende Rechtsfolgen auftreten, z.B. bei der Telehaftung oder dem Datenschutz.[26] Durch das räumliche Auseinanderfallen des Leistungsgeschehens wird das Haftungsrecht einschlägig, das als letztes Kontrollinstrument der Qualität im Gesundheitswesen auftritt. Hierbei werden Probleme virulent, insbesondere die, wer mit wem zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort ein Vertragsverhältnis eingeht und dementsprechend für Schadensfälle ein zustehen hat. Da die Grenzen zwischen Telediagnostik und Teletherapie fließend sind, ist z.B. fraglich, ab wann etwa eine konsiliarische Beratung in eine Mitbehandlung übergeht.[27] Insbesondere problematisch erscheint indes, dass der Transfer von Daten, Informationen und Wissen nicht nur zwischen den Leistungserbringern (Fachleuten) stattfindet, sondern eine Ausweitung auf Patienten und „Gesundheitsverwaltung“, sowie auf Anbieter von Produkten und Dienstleistungen erfolgt.[28] Hieran sind höchste Sicherheitsanforderungen zu stellen, damit die Gefahren des „gläsernen Patienten“, insbesondere der Missbrauch von patientenbezogenen Gesundheitsdaten, ausgeschlossen[29] und den daraus resultierenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen entgegengewirkt wird. In Zusammenhang von Telehaftung und Datenschutz muss auch Beweisfragen entsprechende Würdigung beigemessen werden. Dabei ist die Dokumentationspflicht der Ärzte zu beachten, die beeinträchtigt werden könnte, da Telekonsultationsgespräche oder audiovisuelle Telekonsultationen nicht gespeichert, d.h. nicht dokumentiert werden.[30] Abhilfe könnte die Nutzung von Aufzeichnungsmöglichkeiten schaffen, woraus sich jedoch anschließende Datenschutzproblematiken ergeben. Auch die Gefahr des Verlusts, des Kopierens und der Manipulation von Daten ist hierbei zu beachten, die bspw. in Haftungsprozessen bedenkliche Auswirkungen haben kann. Im Kontext der medical websites und medical call-center soll insbesondere die rechtliche Zulässigkeit aus berufsrechtlicher Sicht erörtert werden, wobei zwischen den einzelnen Beziehungen und Leistungen zu differenzieren ist. So ist es von Bedeutung, wer im Konkreten welche Gesundheitsdienstleistung erbringt.

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