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Theaitetos

(Theaitêtos)

AutorPlaton
VerlagHenricus - Edition Deutsche Klassik
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl101 Seiten
ISBN9783847813538
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis2,49 EUR
Platon: Sämtliche Werke. Band 2, Berlin: Lambert Schneider, [1940]. Entstanden etwa zwischen 369 und 366 v. Chr. Erstdruck (in lateinischer Übersetzung durch Marsilio Ficino) in: Opere, Florenz o. J. (ca. 1482/84). Erstdruck des griechischen Originals in: Hapanta ta tu Platônos, herausgegeben von M. Musoros, Venedig 1513. Erste deutsche Übersetzung durch Johann Friedrich Kleuker unter dem Titel »Theätet, oder von den Wissenschaften« in: Werke, 1. Band, Lemgo 1778. Der Text folgt der Übersetzung durch Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher von 1805.

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Leseprobe

Platon

Theaitetos


(Theaitêtos)

 

Eukleides · Terpsion

Eukleides: Kommst du soeben erst, o Terpsion, oder bist du schon lange vom Lande hier?

Terpsion: Ziemlich lange schon. Auch habe ich dich gesucht auf dem Markte und mich gewundert, daß ich dich nicht finden konnte.

Eukleides: Ich war eben nicht in der Stadt.

Terpsion: Wo denn also?

Eukleides: Indem ich an den Hafen hinunterging, begegnete ich dem Theaitetos, der aus dem Lager vor Korinthos nach Athen gebracht ward.

Terpsion: Lebend oder tot?

Eukleides: Lebend, aber kaum noch. Denn schon an einigen Wunden befindet er sich übel; noch mehr aber setzt ihm die Krankheit zu, welche unter dem Heere herrscht.

Terpsion: Doch nicht die Ruhr?

Eukleides: Eben sie.

Terpsion: Welch ein Mann ist da in Gefahr!

Eukleides: Jawohl, ein edler und trefflicher, o Terpsion! Auch jetzt nur hörte ich noch einige ihn höchlich rühmen in bezug auf die Schlacht.

Terpsion: Das ist nichts Unglaubliches, sondern weit wunderbarer wäre es, wenn er sich nicht so bewiesen hätte. Jedoch, wieso ist er nicht hier in Megara eingekehrt?

Eukleides: Er eilte heimwärts. Denn gebeten habe ich ihn genug und ihm geraten, allein er wollte nicht. Wie ich ihn nun begleitet, habe ich im Zurückgehn wieder des Sokrates gedacht und ihn bewundert, wie weissagend er unter vielen andern auch von diesem gesprochen hat. Ich glaube, es war kurz vor seinem Tode, als er mit dem Theaitetos, der noch ein heranwachsender Jüngling war, bekannt ward, und nachdem er mit ihm zusammen gewesen und Gespräch gepflogen, große Freude hatte an seiner Natur. Da ich nun nach Athen kam, erzählte er mir die Unterredungen, welche sie gehabt, welche auch sehr verdienen gehört zu werden, und sagte, es könne nicht ausbleiben, dieser müsse ein ausgezeichneter Mann werden, wenn er nur sein volles Alter erreichte.

Terpsion: Und ganz wahr hat er geredet, wie es scheint. Jedoch könntest du wohl erzählen, was für Unterredungen dies gewesen?

Eukleides: Beim Zeus, zum mindesten gewiß nicht so mündlich. Aber ich zeichnete mir gleich damals, als ich nach Hause kam, etwas darüber auf; hernach habe ich bei größerer Muße nachgesonnen und sie aufgeschrieben, und sooft ich nach Athen kam, erfragte ich vom Sokrates, wessen ich mich nicht recht erinnerte, und brachte es in Ordnung, wenn ich wieder hierher kam, so daß fast die ganze Unterredung nachgeschrieben ist.

Terpsion: Ganz recht. Auch sonst habe ich dies schon von dir gehört und wollte dich immer bitten, sie mir mitzuteilen, es ist aber bis jetzt dabei geblieben. Allein was hindert uns, sie jetzt durchzugehen? Auf alle Weise tut mir ohnedies not, mich auszuruhen, da ich vom Lande komme.

Eukleides: Auch ich habe doch den Theaitetos bis nach Erinus begleitet, so daß ich ebenfalls gar nicht ungern ruhte. So laß uns dann gehen, und indes wir der Ruhe pflegen, mag uns der Knabe vorlesen!

Terpsion: Wohlgesprochen!

Eukleides: Dieses hier also, Terpsion, ist das Buch. Ich habe aber das Gespräch solchergestalt abgefaßt, nicht daß Sokrates es mir erzählt, wie er es mir doch erzählt hat, sondern so, daß er wirklich mit denen redet, welche er als Unterredner nannte. Er nannte aber den Mathematiker Theodoros und den Theaitetos. Damit nämlich in dem geschriebenen Aufsatz die Nachweisungen zwischen dem Gespräch nicht beschwerlich fielen, wie wenn er selbst, Sokrates, geredet das »Da sprach ich« oder »Darauf sagte ich«, und von dem Antwortenden »Das gab er zu« und »Darin wollte er nicht beistimmen«, – deshalb habe ich geschrieben, als ob er unmittelbar mit jenen redete, mit Hinweglassung aller dieser Dinge.

Terpsion: Gar nicht übel, Eukleides.

Eukleides: So nimm denn das Buch, Knabe, und lies!

 

Sokrates · Theodoros · Theaitetos

Sokrates: Wenn mich die Kyrenaier besonders angingen, o Theodoros, so würde ich dich über sie, und wie es dort steht, befragen, ob es einige gibt unter den jungen Leuten dort, welche in der Mathematik oder in einer andern Wissenschaft Fleiß anwenden. Nun aber – denn ich liebe jene weniger als die hiesigen und trage ein besonderes Verlangen, zu wissen, welche von unsern Jünglingen wahrscheinlich einmal Ehre einlegen werden – also suche ich selbst dieses nach Möglichkeit zu erforschen und befrage darum auch andere, zu denen ich die Jünglinge gern sich gesellen sehe. Und dich umgeben nicht wenige, wie du es auch sonst verdienst, besonders aber wegen der Mathematik. Wenn dir also einer aufgestoßen ist, der Erwähnung verdient, so wünschte ich es wohl zu wissen.

Theodoros: Allerdings, Sokrates, darf ich dir wohl gern sagen und du wirst auch gern hören wollen, was für einen Jüngling ich unter euren Bürgersöhnen angetroffen. Denn wäre er etwa schön, so möchte ich wohl Furcht genug haben, es zu sagen, damit nicht jemand meinte, ich hege eine Leidenschaft für ihn. Nun aber – werde mir nur ja nicht böse! – ist er eben nicht schön, sondern er gleicht dir mit der aufgeworfenen Nase und den heraustretenden Augen; nur hat er diese Züge nicht so stark wie du. Dreist rede ich also, und so wisse denn, daß unter allen, mit denen ich jemals bekannt geworden, – und ich habe schon sehr viele um mich gehabt –, ich noch nie einen so bewunderungswürdig wohlgeartet angetroffen. Denn daß einer, welcher schnell auffaßt, wie schwerlich ein anderer, zugleich so ausgezeichnet gleichmütig ist und überdies beharrlich mehr als jeder andere, solche habe ich nicht geglaubt, daß es gebe, auch sehe ich nicht, daß es deren sonst gibt. Sondern die Scharfsinnigen wie dieser und Menschen von schnellem Verstände und gutem Gedächtnis pflegen auch zum Zorn sehr reizbar zu sein und werden hin und her gerissen wie Schiffe ohne Ballast, sind auch von Natur mehr heftig als beharrlich. Die Gesetzteren aber zeigen sich wiederum gewissermaßen träge zum Lernen und gar sehr vergeßlich. Dieser aber schreitet so leicht und sicher und mit Erfolg zu allen Kenntnissen und Untersuchungen, und mit solcher Ruhe, wie sich das Öl ganz geräuschlos ausgießt, daß zu bewundern ist, wie er in diesem Alter dergleichen Dinge auf solche Art behandeln kann. Sokrates: Du gibst treffliche Botschaft! Aber wem gehört er an unter unsern Bürgern?

Theodoros: Gehört habe ich zwar den Namen, ich entsinne mich seiner aber nicht. Allein er ist unter denen, die hier herankommen, der mittlere. Denn eben hat er mit diesen seinen Freunden sich draußen gesalbt; nun aber scheinen sie, nachdem sie sich gesalbt, hierher zu kommen. Also sieh zu, ob du ihn kennst!

Sokrates: Ich kenne ihn: es ist der Sohn des Euphronios von Sunion, eines Mannes, Freund, gerade so, wie du diesen beschreibst, auch übrigens sehr wohl angesehen, und der ein großes Vermögen hinterlassen hat. Den Namen des Knaben aber weiß ich nicht.

Theodoros: Dessen Name ist Theaitetos. Das Vermögen indes haben seine Vormünder, glaube ich, ziemlich heruntergebracht. Dennoch aber ist auch in dem, was Geld betrifft, seine edle Gesinnung zu bewundern.

Sokrates: Du preisest ihn ja herrlich! So heiße ihn dann sich hierher zu uns niedersetzen!

Theodoros: Das soll geschehen. Theaitetos, hierher zum Sokrates!

Sokrates: Ja, auf alle Weise, Theaitetos, damit ich mich auch einmal beschaue, was für ein Gesicht ich wohl habe. Denn Theodoros sagt, es sei dem deinigen ähnlich. Jedoch wenn wir nun beide jeder eine Leier hätten und er sagte, sie wären gleichgestimmt: würden wir ihm das sogleich glauben, oder würden wir erst untersuchen, ob er denn auch ein Tonkundiger wäre und so etwas behaupten könne?

Theaitetos: Das würden wir untersuchen.

Sokrates: Also wenn wir ihn als einen solchen erfänden, würden wir ihm glauben; wenn er aber von dieser Kunst verlassen wäre, würden wir ungläubig bleiben?

Theaitetos: Richtig.

Sokrates: Nun aber, meine ich wenigstens, wenn wir über die Ähnlichkeit unserer Gesichtszüge gewiß sein wollen, werden wir wohl zusehen müssen, ob er auch ein Maler ist und also hierüber etwas behaupten kann oder nicht.

Theaitetos: So scheint es mir.

Sokrates: Ist nun wohl Theodoros ein Maler?

Theaitetos: Nicht, daß ich wüßte.

Sokrates: Auch kein Mathematiker?

Theaitetos: Das freilich auf alle Weise, o Sokrates.

Sokrates: Etwa auch ein Sternkundiger, ein Rechner, ein Tonkundiger, und was sonst zu diesen Wissenschaften gehört?

Theaitetos: Ich denke wohl.

Sokrates: Wenn er also sagt, daß wir uns irgend körperlich ähnlich sind, er sage es nun lobend oder tadelnd, so ist wohl nicht viel darauf zu geben?

Theaitetos: Vielleicht nicht.

Sokrates: Wie aber, wenn er die Seele eines von uns der Tugend und Weisheit wegen lobte: sollte dann nicht einerseits, wer es hört, sich billig Mühe geben, den Gelobten betrachten zu können, dieser aber wiederum sich bereitwillig darstellen?

Theaitetos: Allerdings, o Sokrates.

Sokrates: So ist demnach, lieber Theaitetos, an dir die Reihe, dich darzustellen, an mir aber, dich zu beschauen. Denn wisse nur, daß Theodoros schon viele zwar gegen mich gelobt hat, Fremde sowohl als Bürger, noch keinen aber hat er jemals so gelobt, als dich jetzt eben.

Theaitetos: Das...

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