Im vorangegangenen Kapitel haben wir Systeme, die sich in einem energetischen Beharrungszustand befinden, mit Hilfe der Zustandsgrößen beschrieben. Den Vorgang der Veränderung eines Zustandes bezeichnen wir als Prozess. Bei einem Prozess wird der Energieinhalt eines Systems verändert, d.h. das System geht von einem Zustand in einen anderen über. Dabei ist es meist auch von Bedeutung, unter welchen Randbedingungen dieser Prozess stattfindet. Die Veränderung des energetischen Inhalts wird durch die beiden Prozessgrößen Wärme und Arbeit herbeigeführt. Man bezeichnet sie auch als Energien beim Systemübergang. Dies bedeutet, immer wenn ein System verändert wird, ist Wärme oder Arbeit oder beides im Spiel. Wärme und Arbeit sind keine Zustandsgrößen, weil sie eine Veränderung bewirken. Die Quantifizierung von Wärme und Arbeit dient dazu, den Betrag der Energiezufuhr oder -abfuhr zu beschreiben.
An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass das Internationale Einheitensystem (SI) mit der für alle Energieformen geltenden Einheitengleichung
die Umrechnung der Energieinhalte verschiedener Energieformen erheblich erleichtert, wobei für mechanische Arbeit meist die Einheit Nm, für elektrische Arbeit die Einheit Ws und für die Wärme die Einheit J verwendet wird.
Bevor wir uns den verschiedenen Prozessgrößen zuwenden, treffen wir folgende Vorzeichenvereinbarung:
Diese Vorzeichenregel wird zwar in den meisten Büchern verwendet, ist aber willkürlich und nicht bindend.
3.1.1 Zustandsänderungen durch Prozesse
Wie bereits erwähnt, wird bei einem thermodynamischen Prozess der energetische Zustand eines Systems verändert. Dies geschieht durch äußere Einwirkungen, wie zum Beispiel Veränderung des Volumens oder Wärmezufuhr oder -abfuhr. Da sich bei jedem Prozess der Zustand des Systems ändert, durchläuft das System eine Zustandsänderung. Eine Zustandsänderung ist dadurch gekennzeichnet, dass man den Anfangszustand und den Endzustand kennt. Zur näheren Kennzeichnung eines Prozesses hingegen benötigen wir noch zusätzliche Informationen über das Verfahren und die näheren Umstände, unter denen die Zustandsänderung abläuft, z.B. konstantes Volumen (isochor), konstante Temperatur (isotherm) oder konstanter Druck (isobar).
Beispiel 3-1: In einem Föhn wird Luft erwärmt, d.h. die Zustandsänderung verläuft isobar, weil vor und nach dem Föhn der gleiche Druck herrscht. Wenn sich auch ein gleichbleibender Luftstrom einstellt und die Temperaturen vor und nach dem Föhn sich zeitlich nicht verändern, haben wir einen stationären Prozess.
Nichtstatische Zustandsänderung
Nichtstatische Zustandsänderungen sind Zustandsänderungen, die Nichtgleichgewichtszustände durchlaufen.
Betrachten wir ein System (siehe Abb. 3-2), das aus zwei Kammern besteht, die über ein absperrbares Ventil verbundenen sind. Zu Beginn befindet sich in der linken Kammer ein Gas im Zustand 1, in der rechten Kammer herrscht absolutes Vakuum, d.h. p = 0. Beim Öffnen des Hahnes strömt nun Gas von der linken in die rechte Kammer. Dabei bilden sich im Gas Wirbel sowie Druck-, Dichte- und Temperaturunterschiede aus. Alle Werte für p, v und T sind variabel. Das Gas befindet sich beim Überströmen nicht im Gleichgewichtszustand, obwohl es anfangs im Gleichgewichtszustand war.
Durch die thermische Zustandsgleichung, die ja nur für Gleichgewichtszustände gilt, lässt sich die nichtstatische Zustandsänderung nicht beschreiben. Deshalb kann man sie in einem thermodynamischen Diagramm nicht darstellen. Man kann nur den Anfangs- und den Endzustand, welche Gleichgewichtszustände sind, angeben, nicht jedoch die Zwischenzustände. Deshalb kann im Diagramm (Abb. 3-3) der genaue Verlauf der Zustandsänderung nicht eingezeichnet werden:
Quasistatische Zustandsänderung
Reihen sich mehrere Gleichgewichtszustände aneinander, so spricht man von einer quasistatischen Zustandsänderung. Bei genauerer Betrachtung ist eine quasistatische Zustandsänderung gar nicht möglich, sie ist ein idealisierter Grenzfall, in dem nicht exakt Gleichgewicht herrscht. Allerdings reicht die Beschreibung der Zustände durch die Zustandsgrößen gerade noch aus. Die mechanischen und thermischen Störungen im Gleichgewicht sind als vernachlässigbar klein anzusehen. Die Darstellung einer quasistatischen Zustandsänderung erfolgt durch eine stetige Kurve im p,v-Diagramm:
Abbildung 3-4: Quasistatische Zustandsänderung
Natürliche Prozesse
Als natürlichen Prozess bezeichnet man einen Prozess, in dem das System mindestens zu Beginn und zum Ende dieses Prozesses in einem Gleichgewichtszustand ist, über welchen sich genaue Aussagen machen lassen. Unter dieser Voraussetzung ist jeder Vorgang, der in der Natur auftritt oder in einer technischen Einrichtung abläuft, ein natürlicher Prozess, wenn das System aus einem definierten Anfangszustand in einen definierten Endzustand gebracht wird. Die Zwischenzustände brauchen keine Voraussetzungen zu erfüllen, wie etwa die des Gleichgewichtes.
Reversible und irreversible Prozesse
Reversible Prozesse sind Prozesse, die umkehrbar sind, d.h., dass man ein System, in dem ein Prozess abgelaufen ist, wieder in seinen Anfangszustand zurückbringen kann, ohne dass irgendwelche Änderungen in der Umgebung zurückbleiben.
Bleiben irgendwelche Änderungen in der Umgebung zurück, so ist der Prozess irreversibel, also nicht umkehrbar. Alle in der Natur oder Technik ablaufenden Prozesse der Energieumwandlung oder der Energieübertragung sind reibungsbehaftet, so dass die Energie nicht vollständig in die ursprünglich vorhandene Energieart zurückverwandelt werden kann. Sie sind also irreversibel. Darauf werden wir bei der Behandlung der Entropie noch näher eingehen.
Können die Verluste vernachlässigt werden, so lässt sich der Prozess umkehren und der Energiezustand zu Beginn des Prozesses wieder vollständig herstellen. Derartig idealisierte Prozesse bezeichnet man als reversibel. Wir setzen in der Thermodynamik häufig reversible Zustandsänderungen voraus, weil dies die Betrachtung der Vorgänge in einem System vereinfacht. So werden reibungsbehaftete Vorgänge meist als reibungsfrei definiert, um einfachere Formulierungen zu erhalten.
Stationäre und instationäre Prozesse
Es gibt Prozesse, bei denen Randbedingungen des Systems zeitlich konstant, d.h. durch eine andauernde äußere Einwirkung, aufrechterhalten werden. Einen solchen Vorgang nennen wir einen stationären Prozess:
Ein stationärer Prozess ist z.B. der Wärmefluss durch eine Wand mit konstantem Temperaturgefälle.
Abbildung 3-5: Wärmefluss durch eine Wand mit konstantem Temperaturgefälle
Speziell bei Strömungsvorgängen sind solche stationären Prozesse eine häufige Erscheinung (Abb. 3-6).
Man spricht von stationären Fließprozessen, wenn die Massenströme, die im System und die über die Systemgrenze fließen, zeitlich konstant sind:
Instationär ist ein Strömungsvorgang, wenn die Massenströme zeitlich nicht konstant sind, z.B. das Auslaufen eines Behälters. Es ändert sich ständig die Höhe der Flüssigkeitssäule, die über der Auslaufmündung steht, und damit ist die Druckdifferenz...