Körperliche Ursachen für Tinnitus
Die Spurensuche im Körper
Es gibt eine Vielzahl von möglichen körperlichen Ursachen. Sie reichen von einer vom HNO-Arzt einfach zu behebenden Verstopfung des Gehörgangs, zum Beispiel durch Ohrenschmalz, über einen Lärmschaden, Hörsturz, Schwerhörigkeit oder eine Luftdruckschädigung, wie sie zum Beispiel beim Tauchen entstehen kann. Weitere mögliche Ursachen sind Mittel- und Innenohrerkrankungen, Gefäßverengungen, Kopf- und Gehirnverletzungen (Schädel-Hirn-Trauma), Blockierungen in der Halswirbelsäule und ein Halswirbeltrauma, wie es bei Autounfällen auftritt, Fehlstellungen der Zähne und des Kiefers. Zu hoher und auch zu niedriger Blutdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infekte und die durch Zecken übertragene Borreliose sowie die Multiple Sklerose (MS), eine degenerative Erkrankung des Zentralnervensystems, und Diabetes mellitus können zu Ohrgeräuschen führen. In etwa einem Prozent der Fälle löst ein Akustikusneurinom die Geräusche aus, ein an sich gutartiger Hirntumor. Er bildet zwar keine Metastasen, kann aber Druckschädigungen durch Wachsen erzeugen, die bis zur Ertaubung des Ohres gehen können. Weitere Ursachen können Tubenfunktionsstörungen, Verspannungen oder ein Vibrieren der Mittelohrmuskeln sein. Auch Alterungsprozesse können die Hörwahrnehmung verändern. Die Auswirkungen von Strahlung werden kontrovers diskutiert. Sie sind nachgewiesenermaßen oder vermutet für eine Reihe von Erkrankungen zuständig und können Tinnitus zweifellos zumindest verschlimmern.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Vielzahl körperlicher Auslösefaktoren zeigt, dass eine Untersuchung durch einen Facharzt unerlässlich ist, auch wenn in der Mehrzahl der Fälle keine körperliche Ursache gefunden wird.
Durchblutungsstörungen im Innenohr
Verringert sich die Durchblutung im Hörorgan (Cochlea), bricht die Versorgung im Innenohr zusammen. Die Haarzellen werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und reagieren mit einer Funktionsstörung, bei der Töne nicht mehr wahrgenommen werden können. Dies ist zum Beispiel beim Hörsturz der Fall. Die Fehlfunktion kann sich unter anderem als Tinnitus zeigen. Hält die Durchblutungsstörung an, wird das Ohr taub. Im Normalfall hält der Körper jedoch die Durchblutung des Innenohrs unabhängig vom Blutdruck konstant. Durchblutungsstörungen im Innenohr können medizinisch nicht nachgewiesen, sondern nur angenommen werden. Das liegt vor allem an der Größe des Innenohrs: Es ist viel zu klein, als dass man es untersuchen könnte. Die Cochlea ist schwer zugänglich und gleichzeitig so empfindlich, dass jeder operative Eingriff mit den bislang bekannten Möglichkeiten nur Schäden hervorrufen oder sie zerstören würde.
Vielfach untersucht wurde die Frage, ob bei Tinnitus- oder Hörsturzpatienten bestimmte Risikofaktoren gehäuft vorkommen, die Durchblutungsstörungen fördern. Die Auswertungen zeigten jedoch, dass die für Herzinfarkt und Schlaganfall festgelegten Risikofaktoren Nikotinmissbrauch, Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes und Hypercholesterinämie nicht überdurchschnittlich häufig vorkommen.
Gefäßveränderungen
Einige Erkrankungen bringen stärkere oder schwächere Gefäßveränderungen im Innenohr mit sich. Dazu gehören Arteriosklerose (Arterienverkalkung) und Diabetes mellitus, der vor allem die kleinsten Gefäße verändert, sowie Entzündungen der Gefäßwände als Folge einer Autoimmunerkrankung. Ein plötzlich auftretender Gefäßverschluss durch kleine Blutgerinnsel (Thromben) verhindert die Durchblutung des Innenohrs, was zu einem Hörsturz und Ohrgeräuschen führt. Einengungen der Blutgefäße, sogenannte Stenosen, werden vor allem durch Arteriosklerose verursacht. Wenn sie sich an der Halsschlagader bilden, kann der erhöhte Druck Ohrgeräusche hervorrufen. Auch Herzfehler (Stenosen an Herzklappen), krankhafte Veränderungen der Schlagadern oder Blutschwämme (Gewächse aus Adern) können ein Rauschen oder Klopfen im Rhythmus des Pulses auslösen. Generell können alle Veränderungen, die die Fließeigenschaften des Blutes verändern, Ohrgeräusche hervorrufen.
Innenohrschädigungen
Die häufigsten körperlichen Ursachen sind Schädigungen des Innenohrs, wie sie zum Beispiel durch extreme Lärmeinwirkung entstehen. Feuerwerkskörper, die in zu großer Nähe zünden, Schießen ohne Gehörschutz und Explosionen können ein Knalltrauma auslösen. Auch in Diskotheken und auf Rockkonzerten werden Lautstärken von 110 bis 120 Dezibel (dB) erreicht. Sie schädigen die Haarzellen in der Hörschnecke und damit das Gehör, selbst wenn es nicht zu einem Knalltrauma kommt. Mehr als fünf Prozent der Jugendlichen bis zum 29. Lebensjahr klagen bereits über Ohrgeräusche.
Wer in der Umgebung oder im Beruf dauerndem Lärm ausgesetzt ist, kann schon bei einer Lautstärke von 85 Dezibel schwerhörig werden. Schädigungen sind auch unter dieser anerkannten Grenze möglich, vor allem dann, wenn der Lärm oder die Geräuschkulisse als störend empfunden werden. Mit den folgenden Beispielen können Sie sich eine Vorstellung von der Lautstärkebelastung verschiedener Lärmquellen machen: Ein Presslufthammer erreicht ohne Hörschutz etwa 105 dB, ein vorbeifahrender Zug oder eine Kreissäge etwa 90 dB, ein vorbeifahrender PKW 80 dB. Eine Kinderpistole ist mit bis zu 180 dB lauter als Gewehre der Bundeswehr. Wenn wir einer Dauerbeschallung ab 65 dB ausgesetzt sind, erhöht sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ab 85 dB sind Schäden in den Hörzellen möglich und ab 120 dB sind Hörschäden schon nach kurzer Zeit möglich. Schlafstörungen entstehen bereits ab 30 dB. Zum Vergleich: Als Zimmerlautstärke gelten 55 dB. Stille herrscht für unsere Wahrnehmung bis maximal 30 dB.
Hörsturz
Einen plötzlichen Hörverlust, der ohne erkennbare Ursache und meist einseitig auftritt, nennt man Hörsturz. Es handelt sich dabei um einen akuten Defekt im Innenohr, der schnellstmöglich von einem Arzt untersucht werden muss. Charakteristisch ist eine Schwerhörigkeit, die bis zur völligen Taubheit gehen kann, ein Gefühl, als ob Watte im Ohr wäre, und in den meisten Fällen auch Ohrgeräusche, jedoch keine Ohrenschmerzen. Seltener treten Schwindel, Unsicherheitsgefühle und Benommenheit auf. Mehr als 15 000 Menschen verlieren in Deutschland jährlich plötzlich das Hörvermögen. In den meisten Fällen betrifft der Hörverlust nur ein Ohr. Typische Begleiterscheinungen sind Ohrgeräusche sowie Schwindel und Druckgefühl im Ohr, die jedoch seltener auftreten. Ein Hörsturz ist nicht das gleiche wie ein Hörverlust, für den es (mit Ausnahme der idiopathischen Schwerhörigkeit) eine erkennbare Ursache gibt. Wie der Hörsturz verläuft und wie lange er anhält, ist sehr unterschiedlich. Ebenso schlagen die Behandlungsmethoden sehr unterschiedlich an.
Die genauen Ursachen eines Hörsturzes sind noch nicht geklärt. Man geht davon aus, dass durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren akute Durchblutungsstörungen des Innenohrs auftreten, wodurch die Haarzellen des Hörorgans geschädigt und die Schallwellen nicht mehr richtig aufgenommen werden. Kleine Blutgerinnsel (Thromben), welche die Blutgefäße verschließen, sind die häufigste Ursache für eine gestörte Durchblutung im Innenohr. Da dieser Vorgang den Gefäßverschlüssen bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall ähnelt, spricht man bei einem Hörsturz auch von einem Innenohrinfarkt.
Die Störungen können eine Folge von Stress sein, da in Stresssituationen vermehrt Substanzen ausgeschüttet werden (Katecholamine: Adrenalin, Noradrenalin), die zu Gefäßkrämpfen führen und eine Minderdurchblutung im Innenohr bewirken können. Als Auslöser kommen auch Erkrankungen infrage, die eine Gefäßveränderung im Bereich des Innenohrs bewirken und zu Blutgerinnseln führen, wie Arteriosklerose und Diabetes mellitus, ebenso niedriger und hoher Blutdruck (Hypo- und Hypertonie) sowie Halswirbelsäulenprobleme, die zu einer verminderten Durchblutung des Innenohrs führen. Weitere Ursachen, die in Betracht gezogen werden, sind bakterielle Infektionen, wie eine Mittelohrentzündung oder Borreliose, Virusinfektionen, die das Innenohr schädigen, wie Mumps oder Masern, sowie starkes Rauchen, Herzerkrankungen und ein Schlaganfall.
Beim Hörsturz dürften seelische Ursachen in der Mehrzahl der Fälle ausschlaggebend sein. Auch ein Knalltrauma wird von einem Schock begleitet, sodass hier neben den körperlichen Schädigungen auch seelische Faktoren in Betracht kommen können. Wenn Sie Menschen kennen, die einen Hörsturz hatten, oder wenn Sie selbst betroffen sind, fragen Sie einmal nach den begleitenden Lebensumständen und Gefühlen. Die meisten fühlten sich zuvor massiv überfordert, wussten nicht mehr weiter, hatten Ängste oder standen unter anderen seelischen Belastungen, bei denen der Hörsturz als ein ernstes Warnsignal auftrat. Die Alarmglocken begannen zu schrillen. Sowohl ein Hörsturz als auch ein Tinnitus sind Warnsignale, und ein Hörsturz kann, wie beschrieben, nicht nur vorübergehend Ohrgeräusche produzieren, sondern einen chronischen Tinnitus nach sich ziehen. Aber es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Tinnitus und Hörsturz nicht das Gleiche sind. Ein Hörsturz ist ein plötzlicher Zusammenbruch des Innenohrs, sozusagen ein Innenohrinfarkt, während Tinnitus ein Vorgang ist, der in den hörverarbeitenden Arealen im Gehirn erlernt wurde. Die gängige Therapie bei Hörsturz besteht in einer durchblutungsfördernden Behandlung mit Tabletten, Infusionen und zusätzlich meist Cortison.
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