1. EINLEITUNG
1.1. Morphologie des Gestaltlosen
Meine akademische Mentorin M. hilft mir, meine Autobiografie endlich zu stemmen. Viele Versuche waren fehlgeschlagen, viele Seiten umsonst geschrieben. Sie hatten nicht den gewissen Punkt getroffen. Immer zielten sie knapp daneben und der notwendige Wendepunkt wurde nicht gefunden, der verwundertes Unverständnis in verstehendes Erkennen wandelt. Und dieser Wendepunkt ist die wahrhaftige und ehrliche Behandlung der Transzendentalen Meditation (TM), überhaupt des „TM-Komplexes“, der besetzender Inhalt meines Lebens war und immer noch in seiner Ver- und Aufarbeitung ist. Vorweg, ich kann, was Meditation angeht, nur über den „TM-Komplex” sprechen, weil ich seit 1967 ausschließlich mit TM Erfahrungen machte. Andere Meditationsarten versuchte ich nie, da ich nicht der meditative Typ war und bin. Experten anderer Techniken haben in diesem hier angeregten terminologischen Zusammenhang ähnliche Möglichkeiten mit der Morphologie.
Was ist eigentlich TM? Was ist Transzendentale Meditation? Was geschieht da? Was soll die in TM erlebte Transzendenz sein?
Meine Mentorin hat mit TM nichts zu tun. Aber sie kennt die Versteckspiele vor sich selber. Sie legt den Finger dahin, wo er hingelegt werden muss. Und das ist sowohl hinsichtlich des Textes zu verstehen als auch, was mein Leben angeht. Eigentlich wollte ich nur von meinem Leben berichten, aber sie will wissen, was TM und vor allem der ganze TM-Komplex sei, der mein Leben beeinflusst habe. Warum fand ich TM als 22-jähriger so überzeugend, dass ich mein Leben dafür opferte und wie sehe ich das heute? Warum interessiert mich das noch heute und warum halte ich den TM-Komplex noch heute für bearbeitenswert?
Wie soll ich nach fast 50 Jahren TM von damals beschreiben und wie und warum sich TM in das verändert hat, was sich heute als TM darstellt? Etwas anderes als vor 50 Jahren. Warum ist TM und die Wandlung in etwas anderes so interessant?
Das äußerst interessante Problem ist, dass ich ein packendes, aber gestaltloses Erleben am Anfang beschreiben muss, das große Teile einer Generation weltweit in ihren Bann gezogen und möglicherweise einen neuen Mythos begründet hat. Natürlich kann ich das mit TM-Begriffen wie „Transzendenz”, „Bewusstsein”, „Entwicklungsstufen des Bewusstseins”, „Erleuchtung” etc., aber bei jedem Begriff erhalte ich eine Mail meiner Mentorin zurück, sie wüsste nichts davon, wäre dumm und ich müsste das mal ganz einfach erklären ohne großartige Begriffe, in die jeder hineinprojiziert, was er sich so vorstellt. Also suchte ich nach einer Beschreibungsmöglichkeit und, oh Wunder, ich fand sie in der „Morphologie des seelischen Geschehens” von Professor Wilhelm Salber, bei dem ich damals studiert hatte, als ich mit TM begann. Meine Idee ist, meditative Erfahrungen der „Transzendenz”, des „Reinen Bewusstseins” der „Unendlichkeit”, „Glückseligkeit” des „Kosmischen Bewusstseins” u.a. aus der lautmalerischen Terminologie zu holen, die von der New Age Esoterik übernommen und dadurch mit Unwissenschaftlichkeit und in meinen Augen im schlimmsten Falle mit „voraufgeklärtem” Aberglauben kontaminiert wurden.
Ich war einer von denen, die in den 60igern und 70iger Jahren mit Maharishi Mahesh Yogi in der Meditationsakademie in Bremen und in der Akademie in Rishikesh zusammen saßen, um gemeinsam nach wenigstens vor-wissenschaftlichen Worten zu suchen, die die uns überwältigenden Erfahrungen während der TM ausdrücken sollten.
Da jeder der damalig anwesenden sehr unterschiedlich entweder einen religiösen oder philosophischen oder esoterisch-spirituellen oder Yoga- oder gar nihilistischen Hintergrund hatte oder als Arzt oder Diplom-Ingenieur einen medizinisch-wissenschaftlichen, gingen die genannten Begriffe, das TM-Erleben zu erklären, von „Gott” über „Nirwana”, dem „Nichts” bis hin zum „Psycho-Valium”.
Maharishi mochte keinen Begriff, der religiös war. Damals hieß TM „Deep Meditation”, dann “Transzendental Deep Meditation”. Der Begriff der Transzendenz war argumentativ heftig umkämpft, weil niemand ihn definieren konnte, ohne schwammig zu werden.
Bis auf Kant'sche Philosophie ... Maharishi ließ sich die Kant’sche Transzendenz erklären und legte sich dann auf diesen Namen fest. Das sei das, was er meine!
Man muss Kant verstehen, um mit „Transzendenz” etwas anfangen zu können, aber vor dem Erlernen von TM wurde keine Kant-Prüfung abgehalten, danach auch nicht und so wurde dieser Begriff durch tägliche Abnutzung immer undeutlicher und wurde letztlich zu einer Black Box, in die alles nicht Erklärbare hineingeheimnisst wurde.
Ganz unbewusst wurde dann ohne erklärte Absicht die kollektive geistige Leistung der Aufklärung zurückgedreht und so konnten Glauben und Aberglauben wieder möglich werden und neuer, diesmal nicht kirchlicher, pseudo-spiritueller ideologischer Machtmissbrauch sich als spirituell tarnender Mächte könnte, so meine Besorgnis, in der Zukunft möglich werden. Machtmissbrauch wuchert aus dem Boden unklarer, schwammiger Begriffe. In der Unschärfe ihres Dunges tummeln sich die Irrwesen des Wirrwarrs.
Damals in den 60igern waren wir froh, überhaupt Begriffe gefunden zu haben und überließen späteren Zeiten die Arbeit mit der wissenschaftlich exakten Definierung.
Da wissenschaftliche Messungen einfacher sind als Begriffsdefinitionen, begannen die wissenschaftlichen Geister so nach und nach alles zu messen und vergaßen die eigentlich notwendigere Arbeit an der Terminologie.
Natürlich denken viele, dass sich Maharishi hätte kümmern müssen, aber erstens hatte er sich um vieles andere zu kümmern und zweitens dürfen nur „voraufgeklärte” Gläubige dem sog. Meister alles überantworten. Da sich aber der Vorgang der „Erleuchtung”, und das ist Maharishis TM-Anspruch, in Richtung Aufklärung bewegt, ist man nur immer selber verantwortlich und kein Gott, König oder Meister kann die eigene Leistung am Leben und Denken ersetzen.
Ich versuche das sträflich Versäumte jetzt eiligst nachzuholen.
Der historische Fakt war: Um die lästigen Begriffsdefinitionen kümmerte sich also niemand mehr. Aber alle waren erstaunt, diese in leicht verdrehter Bedeutung im New Age und in der neuen Esoterik zu finden. Jedesmal, wenn mir TM-Begriffe von der New Age Bewegung vorgelegt wurden, glaubte ich, wieder die geniale Arbeit des Rudolph Steiner’schen Lügengeistes Ahriman zu erkennen, der nur immer ein ganz klein wenig, kaum merkbar, die Definitionen verbiegt, so dass es den nur oberflächlich Draufschauenden entgeht, aber in dem geistigen Törn durch das Meer seelischer Entwicklung kommt „Helgoland nicht mehr in Sicht”. Aber in der Verzweiflung der Mannschaft, die Kreideküste Helgolands wie vorgesehen und zu Beginn des Törns geplant nicht zu sehen, kann die Schiffsleitung mühevolles Rudern auch unter der Peitsche als auch die Einhaltung neuer Gebote verlangen, die mit Helgoland als Reiseziel nichts zu tun haben, aber um so mehr mit den Interessen der Kommandozentrale. Wir erkennen, wie durch Unschärfe Möglichkeiten des Machtmissbrauchs erst möglich werden.
„Transzendenz” und „Kosmisches Bewusstsein” wurden zu Vorstellungen von „Transzendenz” und selbst suggeriertem „kosmischem Bewusstsein”. Eine Unterscheidung von realem Erleben und bewusst projizierter Vorstellung wird dann nicht mehr gemacht und wer auf dieses aufmerksam macht, wird als „Negativer”, als „Traumräuber” ausgebuht. So hörte ich es. Für mich erschreckend. Für mich Wirrwarr.
Nun ist es unsere leidvolle historische Erfahrung, dass die Mystiker mit ihrer realen Gottesschau keinen Schaden anrichteten, es sei denn bei sich selbst, aber diejenigen, die Vorstellungen von Gott erst projizierten und dann propagierten, haben jeden nur möglichen Schaden angerichtet. Und gerade für unsere Zukunft einer zukünftigen, einheitlichen globalen Kultur, haben die Großmeister der Unschärfe-Illusionen des oben genannten Ahrimanns neue großartige Möglichkeiten der Unterdrückung mit unklaren kulturell beladenen New-Age-Begriffen gefunden und weil ich Jahrgang 44 bin, muss ich dagegen vorgehen.
Mal ein bekanntes Beispiel: Nehmen wir den Begriff „Samadhi”. Das begehrte Ziel für den Meditierenden. Um das zu erreichen, ist er bereit, alles zu tun. Aber mit Tun kommt man nicht dahin, es ist ein Gnadenakt. Aber die Macht kann ihre Sklaven sehr gut damit motivieren, sich an machtgefällige Regeln zu halten.
Oder „Gott” ist auch ein schönes Beispiel. Den soll der Sucher finden! Nur wo? Und weil diese Suche ihn nicht finden lässt, weil man ihn nur durch Finden findet und nicht durch suchen, weil Er, wenn existent, überall ist und man nur bereit sein muss, ihn überall erkennend mitzuerleben, kann man auch hier Bedingungen der Suche bestimmen. „Reinheit” ist dabei als Gebot ganz wichtig. Abwesenheit von...