1. EINLEITUNG
STECKEN SIE SICH SELBST INS KITTCHEN!
Stellen Sie sich den besten und härtesten Fitnessclub der Welt vor.
• Stellen Sie sich einen Club vor, in dem Männer – es gibt dort keine Frauen – so hart trainieren, als würde ihr Überleben davon abhängen. Eine politisch inkorrekte Umwelt, in der es nicht darum geht, niedliche Chippendales-Muskeln zu züchten oder Pokale zu gewinnen, sondern um animalische Kraft, rohe funktionelle Athletik und brutale Zähigkeit.
• Stellen Sie sich einen Club vor, in dem man gewöhnlich keinen Zugang zu schicken neuen Maschinen hat, die einen von den anstrengenden Eigengewichtsübungen ablenken könnten. Ein Club ohne Saftbar oder Klimaanlage. Ein Club, in den Sie buchstäblich eingesperrt sind, damit Sie schwitzen, ackern und kämpfen, was das Zeug hält. Es gibt kein Publikum, kein Lob, gar nichts – außer Ihren eigenen Muskeln und Ihrem Verstand.
• Stellen Sie sich vor, dieser Club wäre von den kurzlebigen Fitnessmoden unserer Zeit abgeschnitten, sodass nur die Konzentration auf das tägliche Training zählt, das schnelle und spürbare Ergebnisse erzielt.
Versuchen Sie sich vorzustellen, was Sie an einem derartigen Ort alles über sportliches Training lernen könnten und darüber, aus welchem Holz Sie tatsächlich geschnitzt sind.
Nun, diesen Club gibt es wirklich. Er nennt sich staatlicher Strafvollzug, oder in der Umgangssprache: Gefängnis.
In den Gefängnissen der USA ersetzen enge Zellen den Hardcore-Fitnessclub.
Die Entwicklung von Trainingsmethoden im Gefängnis
Viele inhaftierte Athleten – und insbesondere solche, die länger hinter Gittern bleiben müssen – schauen sich ihre Trainingsmethoden bei älteren Insassen ab, die sie ihrerseits von Männern übernommen haben, mit denen sie früher Zelle oder Hof teilten. Als Folge davon sind Gefängnisse so etwas wie Zeitblasen, die keinen Kontakt zur Sportwelt draußen haben. Dadurch blieben die Trainingsmethoden der Gefängnisinsassen rein und funktional. Sie bauen auf Zähigkeit auf und zielen eher auf Ergebnisse ab als auf Ästhetik und Trends. Ohne Ausrüstung und ohne den Einfluss neuer Moden wenden sich die Häftlinge zwangsläufig den alten, in der Außenwelt vergessenen, hinter Gittern jedoch immer wieder bewährten Methoden und Techniken zu, die bereits Jahrhunderte vor der Erfindung von Anabolika aus Männern Supermänner machten.
Athleten hinter Gittern müssen gleichzeitig auch innovativ sein und für sich immer neue Trainingsmethoden und -strategien erfinden, die draußen einfach nicht existieren. Echte Knastathleten, die jahrzehntelang ohne Unterbrechung in ihrer Zelle trainiert haben, könnten Ihnen viel beibringen. Sie kennen Geheimnisse und Tricks, die Sie niemals in Hochglanzmagazinen finden werden und die auch ein hoch bezahlter Personal Trainer unter Garantie nicht kennt!
Paul Anderson stählte seinen Körper mittels negativer Liegestütze.
Mein Gefängnistraining
Es gibt unglaublich viele Dinge, von denen ich nichts verstehe, aber mit dem Trainieren hinter Gittern, und insbesondere mit Eigengewichtsübungen, kenne ich mich sehr gut aus. Ich habe fast 20 Jahre meines Lebens in Gefängnissen verbracht. Meine »Karriere« begann in San Quentin wegen Drogenvergehen; später wurde ich in ein Bundesgefängnis »befördert«, weil ich zwischen meinen Gefängnisaufenthalten gedealt hatte. Ja, so war es, und ich bin nicht stolz darauf. Jedenfalls aber habe ich in dieser Phase meines Lebens ungefähr eine Viertelmillion Liegestütze und ungefähr ebenso viele Kniebeugen mit eigenem Körpergewicht gemacht.
Im Gefängnis wurde das Trainieren für mich zu einer wahren Besessenheit, einer Obsession. Es half mir, einen klaren Kopf zu bewahren – und wahrscheinlich auch, gesund zu bleiben. Ich lernte von den unterschiedlichsten Menschen: von ehemaligen US-Navy-Seals, von Marines, von Karatemeistern … Ich übernahm, so viel ich konnte, von älteren Mithäftlingen, die in ihren Zellen Übungen mit eigenem Körpergewicht praktizierten, als handle es sich um eine Religion.
Im Laufe der Jahre meisterte ich die Kunst der Eigengewichtsübungen, die von Häftling zu Häftling weitergegeben wurde, und begann, andere Häftlinge auszubilden. Mein System ist das authentischste (und effektivste) Destillat des älteren traditionellen Gefängnis-Calisthenics. Es besteht aus Eigengewichtsübungen, es ist minimalistisch, weil es ohne Ausrüstung auskommt, es ist progressiv und brutal intensiv. Aber Gefängnistraining muss einfach so sein.
Konditionstraining im Knast
Der Ansatz, den ich hinter Gittern entwickelte, ist das Gegenteil von dem, was draußen gepredigt wird. Die meisten modernen Trainer betrachten Calisthenics als eine »leichte« Tätigkeit, als eine Art Aufwärmübung. Für Gefängnisathleten dagegen baut Calisthenics auf Kraft auf.
Kalisthenische Übungen sind sozusagen das Fundament. Sie können mithilfe meiner Methoden Ihre Ausdauer stärken und ein Gleichgewichtsgefühl und eine Beweglichkeit erreichen, die olympischem Niveau entsprechen. Doch Kraft ist der Eckstein, und das muss auch so sein. Man kann auf der Basis von Liegestützen mit Klatschen keine Schnellkraft aufbauen, wenn man nicht solide, durch regelmäßiges Liegestütztraining gekräftigte Muskeln und Sehnen besitzt. Ohne Kraft als Grundvoraussetzung kann man nicht stundenlang und verletzungsfrei Burpees machen, um seine Ausdauer zu trainieren. Deshalb bilden die einfachsten Übungen, die Hardcore-Übungen – die sechs Grundübungen meiner Methode –, den Kern meines in Trainieren wie im Knast beschriebenen Systems. Alles baut auf den Big Six auf (siehe Tabelle hier unten).
Größer und stärker werden – für Fortgeschrittene
In meinem ersten Buch Trainieren wie im Knast drehte sich alles um die sechs Grundübungen: die Big Six und ihre Progressionen sowie einige nützliche Varianten. Dieses zweite Buch baut darauf auf und widmet sich weiterführenden Calisthenics-Übungen.1
Die in diesem Buch vorgestellten Übungen für Fortgeschrittene sollen die Big Six keineswegs ersetzen. Der Aufbau von Kraft und Muskeln kommt nicht durch neue Tricks, komplexe Techniken oder pseudowissenschaftliche Ansätze zustande. Das ist alles nur Augenwischerei. Echte körperliche Weiterentwicklung entsteht durch gleichmäßige, disziplinierte, progressive Beschäftigung mit den Grundübungen, die Sie sich aus dem ersten Buch angeeignet haben. Diese Grundübungen und ihre Varianten ermöglichen Ihnen, Ihre Trainingseinheiten kreativ zu gestalten. Sie können die Ausmaße Ihrer Sätze verändern, Ihr Tempo, Ihr Programm usw. Glauben Sie mir: Sie können sich mit dem Buch ein Leben lang sinnvoll beschäftigen.
Doch wenn Athleten Fortschritte machen, drängen sich ihnen gewisse Fragen auf. Diese lassen sich in drei Kategorien einteilen:
1. Spezialisierungsgebiete: Griffkraft, Hals, Waden, seitliche Taille usw.
2. Gelenktraining: Sehnenkraft, Beweglichkeit, Beseitigung von Schmerzen usw.
3. Lifestyle: Abspecken, Erholung, Psychologie usw.
Um diese drei Themenbereiche wird es in diesem Buch gehen.
Teil I dieses Buchs trägt den Titel Eiserne kleine Muskeln. Aus Trainieren wie im Knast haben Sie viel über das Trainieren der wichtigsten Muskeln des Körpers und auch der kleineren Muskeln erfahren. Mitunter aber benötigen diese kleineren Muskeln – insbesondere der Unterarme, der seitlichen Taille, des Halses und der Waden – aus verschiedenen Gründen ein besonderes Training. Die Kapitel dieses ersten Teils bieten eine breite Auswahl an geheimen Tricks, Übungen und wenig bekannten Techniken und Ausrüstungsteilen, die diese gewöhnlich schwächeren Regionen des Körpers auf Superheldenniveau heben. Alles, was ich in Eiserne kleine Muskeln beschreibe, habe ich im Knast gelernt, sodass auch dieses Kapitel meinem Motto »Große Wirkung trotz geringer Ausrüstung« treu bleibt.
Eines der am stärksten vernachlässigten Gebiete der modernen Körperkultur ist das Trainieren der Gelenke. Das macht sich besonders dann bemerkbar, wenn man schwerer und stärker geworden ist: je fortgeschrittener ein Athlet, desto schwerer die Last, die Gelenke und Sehnen zu tragen haben. Aufgepumpte Bodybuilder haben oft dicke Muskeln, gleichzeitig aber schwache, schmerzende Gelenke. Durch ihr Gewicht sind ihre Bewegungen steif und unnatürlich geworden, und ihr Bindegewebe neigt zu Verletzungen. Und genau hier kann Calisthenics helfen. Old School Calisthenics stärkt Gelenke und Sehnen und baut sie auf, anstatt sie abzunutzen.
Trainieren wie im Knast bringt Athleten...