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E-Book

Traumwelten

Ein Leben

AutorDavid Lynch, Kristine McKenna
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl768 Seiten
ISBN9783641201791
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Ein einzigartiger Einblick in das persönliche und kreative Leben des visionären Künstlers David Lynch, erzählt von ihm selbst und seinen engsten Kollegen, Freunden und Verwandten.

In einer faszinierenden Mischung aus Biografie und Memoire schreibt David Lynch erstmals über seine vielen Kämpfe und auch Niederlagen; wie kompliziert es oft war, seine zahlreichen unorthodoxen Projekte zu verwirklichen. Lynch kommentiert ungefiltert und auf sehr offene Art und Weise die biografischen Ausführungen seiner Co-Autorin Kristine McKenna, die für das Buch über hundert Interviews mit erstaunlich gesprächigen Ex-Frauen, Familienmitgliedern, Schauspielern, Agenten, Musikern und sonstigen Kollegen geführt hat.

Traumwelten ist ein besonderes Buch, das dem Leser eine tiefe Einsicht in das Leben und die Gedankenwelt eines der schillerndsten und originellsten Künstlers unserer Zeit gewährt.



David Keith Lynch wurde am 20. Januar 1946 in Missoula, Montana, geboren. Er ist ein US-amerikanischer Künstler, der zugleich als Filmregisseur, Filmproduzent, Drehbuchautor, Schauspieler, Maler, Autor, Komponist und Designer arbeitet. Heute lebt er in Los Angeles.

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Leseprobe

Amerikanisches Idyll

David Lynchs Mutter war ein Stadtmensch. Sein Vater stammte vom Land. Das ist ein guter Ausgangspunkt für diese Geschichte, denn es ist eine Geschichte über Dualität. »Alles ist heikel und empfindlich, die ganze Menschheit, und die Welt ist unvollkommen«, hat Lynch festgestellt, und dies ist eine zentrale Erkenntnis in Bezug auf alles, was er geschaffen hat.1 Wir leben in einem Reich der Gegensätze, an einem Ort, wo Gut und Böse, Geist und Materie, Glaube und Vernunft, unschuldige Liebe und fleischliche Lust in einem unsicheren Waffenstillstand nebeneinander existieren. Lynchs Arbeit bewegt sich in jenem komplizierten Bereich, wo das Schöne und das Verkommene miteinander kollidieren.

Lynchs Mutter Edwina Sundholm entstammte einer Familie finnischer Einwanderer und wuchs in Brooklyn auf, mitten im Rauch und Schmutz der Großstadt, im Dunst von Öl und Benzin, wo die Natur längst überlistet und ausgemerzt worden war. Diese Dinge gehören als integrale Bestandteile zu Lynchs Persönlichkeit und seiner Weltsicht. Sein Urgroßvater väterlicherseits besaß ein Stück Land im Weizenanbaugebiet in der Nähe von Colfax im Staat Washington. Dessen Sohn Austin Lynch wurde dort im Jahr 1884 geboren. Holzmühlen und majestätische Bäume, der Geruch von frisch gemähtem Gras, nächtliche Sternenhimmel, wie sie nur außerhalb der großen Städte zu sehen sind – all das gehört ebenfalls zu Lynch.

David Lynchs Großvater baute Weizen an, genau wie sein Vater. Nachdem sie sich auf einer Beerdigung kennengelernt hatten, heirateten Austin und Maude Sullivan, ein Mädchen aus St. Maries, Idaho. »Maude war sehr gebildet und forderte unseren Vater ziemlich heraus«, sagt Lynchs Schwester Martha Levacy über ihre Großmutter, die als Lehrerin in einer Ein-Klassen-Schule arbeitete. Diese Schule stand auf einem Grundstück in Highwood, Montana, das ihr und ihrem Ehemann gehörte.2

Austin und Maude Lynch hatten drei Kinder: David Lynchs Vater Donald war das zweite und wurde am 4. Dezember 1915 in einem Haus ohne fließendes Wasser und Elektrizität geboren. »Er wohnte an einem trostlosen Ort und liebte Bäume, weil es in der Prärie keine Bäume gab«, erzählt Davids Bruder John. »Er war so sehr darauf erpicht, kein Farmer in der Prärie zu sein, dass er in die Forstwirtschaft ging.«3

Donald Lynch machte gerade seinen Abschluss in Insektenkunde an der Duke University in Durham, North Carolina, als er dort 1939 Edwina Sundholm kennenlernte. Sie studierte Deutsch und Englisch. Die beiden trafen sich zufällig auf einem Spaziergang durch den Wald, und sie war beeindruckt, weil er so höflich war, einen niedrigen Zweig hochzuhalten, damit sie darunter hindurchgehen konnte. Am 16. Januar 1945 heirateten sie in einer Marinekapelle auf Mare Island in Kalifornien, dreiundzwanzig Meilen nördlich von San Francisco. Kurz darauf bekam Donald einen Job als Forscher beim Department of Agriculture in Missoula, Montana. Nachdem sie sich dort niedergelassen hatten, gründeten sie eine Familie.

David Keith Lynch war ihr erstes Kind. Er wurde am 20. Januar 1946 in Missoula geboren und war zwei Monate alt, als die Familie nach Sandpoint, Idaho umzog. Dort verbrachten sie zwei Jahre, in denen Donald für das Department of Agriculture arbeitete. Sie wohnten noch in Sandpoint, als 1948 Davids jüngerer Bruder John geboren wurde. Doch auch er kam in Missoula zur Welt: Edwina Lynch – genannt Sunny – ging dorthin zurück, um ihr zweites Kind zu bekommen. Etwas später in diesem Jahr zog die Familie nach Spokane, Washington, wo 1949 Martha geboren wurde. Das Jahr 1954 verbrachte die Familie in Durham, während Donald sein Studium in Duke beendete. Kurz kehrten sie nach Spokane zurück und ließen sich dann 1955 in Boise, Idaho nieder, wo sie bis 1960 blieben. An diesem Ort verbrachte David Lynch die wichtigsten Jahre seiner Kindheit.

Die Phase nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war eine großartige Zeit für Kinder in den Vereinigten Staaten. Der Koreakrieg endete 1953, der farblose Präsident Dwight Eisenhower residierte für zwei Wahlperioden von 1953 bis 1961 im Weißen Haus, die Umwelt war noch intakt, und so wie es aussah, musste man sich allgemein nicht besonders viele Sorgen machen. Obwohl Boise die Hauptstadt des Staates Idaho war, glich sie damals eher einer Kleinstadt, und die Mittelstandskinder wuchsen mit einem Ausmaß an Freiheit auf, das heute unvorstellbar ist. Verabredungen zum Spielen gab es nicht, die Kids zogen einfach mit ihren Freunden durch die Straßen des Viertels und probierten sich aus. Das war die Kindheit von David Lynch.

»Die Kindheit war eine magische Zeit für uns, vor allem im Sommer. Meine einprägsamsten Erinnerungen an David stammen aus dem Sommer«, erzählt Mark Smith, der damals einer seiner engsten Freunde war. »Unsere Hintertür und die von Davids Familie waren knapp zehn Meter voneinander entfernt. Nach dem Frühstück rannten wir einfach nach draußen und spielten den ganzen Tag zusammen. In der Nachbarschaft gab es brachliegende Grundstücke. Wir nahmen die Schaufeln unserer Väter und bauten unterirdische Forts, um uns dann hineinzulegen. Wir waren damals in dem Alter, in dem Jungs gern Krieg spielen.«4

Lynchs Eltern hatten jeweils zwei Geschwister, die bis auf eins alle verheiratet waren und Kinder hatten. Die Familie bestand also aus vielen Tanten und Onkeln, Cousins und Cousinen, und alle kamen gelegentlich im Haus von Lynchs Großeltern mütterlicherseits in Brooklyn zusammen. »Tante Lily und Onkel Ed waren warmherzige, gesellige Menschen, und ihr Haus an der Fourteenth Street war unser Anlaufpunkt. Lily besaß einen riesigen Tisch, der den größten Teil der Küche einnahm, und dort saßen wir dann«, erinnert sich Lynchs Cousine Elena Zegarelli. »Wenn Edwina und Don mit den Kindern vorbeikamen, war das ein großes Ereignis, zu dem Lily ein großes Abendessen bereitete, um alle willkommen zu heißen.«5

Lynchs Eltern waren in jeder Hinsicht besondere Menschen. »Unsere Eltern ließen uns Dinge tun, die total verrückt waren und die man heutzutage nicht mehr zulassen würde«, sagt John Lynch. »Sie waren sehr tolerant und übten niemals Zwang auf uns aus.« David Lynchs erste Frau Peggy Reavey ergänzt: »Manches, was mir David über seine Eltern erzählt hat, klang sehr außergewöhnlich. Zum Beispiel, dass sie es immer sehr ernst nahmen, wenn eins ihrer Kinder eine Idee hatte, was es tun oder lernen wollte. Sie hatten eine kleine Werkstatt, wo sie alles Mögliche ausprobierten und ständig die Frage auftauchte: Wie kann das funktionieren? Sie dachten sich etwas aus und realisierten es in kürzester Zeit. Es war außergewöhnlich intensiv.«

»Davids Eltern unterstützten ihre Kinder dabei, die Menschen zu sein, die sie waren«, fügt Reavey hinzu. »Aber Davids Vater legte auch Wert auf gutes Benehmen. Man behandelte niemanden schlecht, und wenn man etwas Falsches tat, dann machte man es wieder gut – in dieser Hinsicht war er sehr streng. David hat sehr hohe Ansprüche, wenn es um Handwerkliches geht, und ich bin sicher, dass das auch etwas mit seinem Vater zu tun hat.«6

Lynchs Jugendfreund Gordon Templeton erinnert sich an Lynchs Mutter als »großartige Hausfrau, die die Kleider für ihre Kinder selbst nähte«.7 Lynchs Eltern waren sehr ineinander verliebt und zeigten es auch. »Sie umarmten und küssten sich zum Abschied«, sagt Martha Levacy. Lynchs Mutter unterschrieb ihre Briefe manchmal mit »Sunny« und malte eine Sonne neben ihren Namen. Neben den von Don malte sie einen Baum. Sie waren strenggläubige Presbyterianer. »Das war ein sehr wichtiger Teil unserer Jugend«, sagt John Lynch. »Wir gingen immer zur Sonntagsschule. Die Smiths von nebenan waren da völlig anders. An Sonntagen stiegen sie in ihr Thunderbird-Cabrio und machten einen Ausflug zum Skifahren, wobei Mr. Smith eine Zigarette rauchte. Unsere Familie hingegen setzte sich in den Pontiac und fuhr zur Kirche. David meinte, die Smiths seien cool und unsere Familie spießig.«

Davids Tochter Jennifer Lynch erinnert sich an ihre Großmutter als »streng und hochanständig und sehr aktiv in der Kirchengemeinde. Sunny hatte aber auch viel Sinn für Humor und liebte ihre Kinder. Ich hatte nie den Eindruck, dass David bevorzugt wurde, aber er war definitiv derjenige, um den sie sich die meisten Sorgen machte. Mein Vater liebte seine Eltern sehr, auch wenn er ihre Tugendhaftigkeit ablehnte, den weiß gestrichenen Gartenzaun und all das. Er hat romantische Erinnerungen daran, aber er hasste es auch, denn er wollte Zigaretten rauchen und das Leben eines Künstlers führen. Stattdessen gingen sie in die Kirche. Alles war perfekt und ruhig und gut. Das machte ihn wahnsinnig«.8

Die Lynchs wohnten in einer Sackgasse. In der direkten Nachbarschaft lebten mehrere gleichaltrige Jungs, die alle Freunde wurden. »Wir waren zu acht«, sagt Templeton. »Da waren Willard ›Winks‹ Burns, Gary Gans, Riley ›Riles‹ Cutler, ich, Mark und Randy Smith sowie David und John Lynch, und wir waren wie Brüder. Wir lasen begeistert Mad, fuhren viel Fahrrad, gingen im Sommer ins Schwimmbad und trafen die Mädchen, die wir kannten, und hörten Musik. Wir hatten viele Freiheiten – bis abends um zehn Uhr waren wir mit den Fahrrädern unterwegs, fuhren mit dem Bus in die Stadt und kümmerten uns umeinander. Alle mochten David. Er war freundlich, gesellig, unprätentiös, loyal und hilfsbereit.«

Lynch schien ein aufgeweckter Junge zu sein, der nach etwas ganz...

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