Alles war geordnet und marschfertig am 4. März, nur Mohammed Aduli, der als Führer und Sicherheitsmann uns begleiten sollte, machte Einwendungen so rasch aufzubrechen, zuerst schlechtes Wetter vorschützend, dann, indem er noch allerlei an der Ausrüstung auszusetzen hatte, namentlich aber darauf bestand, es müssten Maulkörbe für die Kameele gekauft werden, wegen der Drias-Pflanze. Als aber auch diese rasch herbeigeschafft waren, überdies alle meinten, dass wir in dieser Jahreszeit von der Drias für unsere Kameele nichts würden zu fürchten haben, konnte er keine Gründe zum Verzögern mehr vorbringen, und es stellte sich nun heraus, dass er hauptsächlich deshalb noch gerne einige Tage in Bengasi geblieben wäre, weil er selbst seine Einkäufe noch nicht beendigt hatte.
Um 1 Uhr Nachmittags war alles gepackt, und meine Leute trieben die Kameele vor sich her, zu denen noch mehrere schwerbeladene des Aduli gestossen waren, welche auf diese Weise auch frei von Abgaben die Stadt verlassen konnten. Ich selbst ritt mit dem englischen und französischen Consul, welche mich bis Tokra begleiten wollten, hinterdrein, und uns die ersten 3 Stunden nordöstl. haltend, zwischen den Seen und Palmgärten, waren wir bald in der grossen Ebene, welche zwischen Hochland und dem Meere liegt, und die hier äusserst fruchtbar und breit ist. Sobald wir die Seen vorbei hatten, hielten wir 80° Richtung, und stiessen nun häufig auf jene Felseinsenkungen, welche von einigen auch als hesperidische Gärten beschrieben und gehalten worden sind. Es war in der That ein eigenthümlicher Anblick, in einer vollkommenen freilich gut bewachsenen Ebene mit einem Male vor einem solchen mit steilen Rändern eingefassten Kessel zu stehen, dessen Grund die üppigsten Bäume und Küchengewächse enthielt, und die meist so tief waren, dass die Kronen der Bäume nicht über dem Rande hervorstanden. Dann ging unsere Richtung wieder N.-O., die Gegend wurde, je weiter wir zogen, desto üppiger, und gegen Abend waren wir schon so in Buschwerk, meist Lentisken, Myrthen und eine weissdornähnliche Staude, dass man jede Fernsicht verlor. Um 7 Uhr Abends hielten wir vor einem Fereg der Braghta, welches Schützlinge und Freunde vom französischen Konsulate zu sein schienen, denn wir wurden ganz ausgezeichnet aufgenommen.
Der Regen war immer in Strömen vom Himmel gekommen, und es kam uns daher recht gut zu Statten, dass man uns in ein grosses durchwärmtes Zelt führte, wo man weiche Teppiche ausgebreitet hatte, und auch unsere Diener alle, wir mochten in allem dreissig Personen sein, ein gutes Unterkommen fanden. Dass Schaffleisch, Basina, Kuskussu und grosse Milchschüsseln nicht fehlten, braucht wohl kaum gesagt zu werden; aber ebenso waren die Teppiche und das Zelt voll jener hüpfenden und kriechenden Thierchen, so dass an Schlaf nicht viel zu denken war. Der Fereg, wo wir lagerten, hiess Thuil, nach einem Castell, Kasr Thuil, in der Nähe so genannt. Beechey und Barth erkennen in diesem Kasr Thuil das von Edrisi beschriebene Fort Kafes wieder.
Am anderen Morgen hatten wir gleich schlechtes Wetter, und die Gegend behielt so ziemlich denselben Charakter, nur dass die Vegetation üppiger, der Boden, je weiter wir nach Nordosten vordrangen, fetter wurde. Die Berge näherten sich uns so, dass die Ebene zwischen ihnen und der See immer schmäler wurde. Wir behielten die See fast immer in Sicht. Der Boden selbst besteht überall aus rothem Thon, weshalb die Araber auch Barca el hamra sagen. Viel Felsblöcke und Steingeröll liegt manchmal auf diesem fruchtbaren Boden, obgleich die Pflanzen üppig dazwischen emporschiessen. Das Gebirge, dessen steile Abhänge gut bewachsen sind, hat überall eine gleichförmige Höhe, und besteht nicht aus Bergen, sondern bildet ein Ufer. Die Araber nennen den ganzen Zug Erköb, d.h. der Aufgang. Die Ruinen von Thürmen, Castellen und einzelnen Wohnungen wurden immer häufiger. So passirten wir gleich nach der ersten Stunde eine Ruine Gasr Haddib, die etwas östlich vom Wege liegen blieb, und nach zwei anderen Stunden passirten wir ein weitläufiges Ruinenfeld, von den Eingeborenen Um es Schip genannt. Die Ausdehnung der Bauten, die vielen Häuserruinen lassen schon gleich den Gedanken aufkommen, dass hier eine Stadt gewesen sein müsse, und mit den Distanzen übereinstimmend (die Peutingersche Tafel hat bis Adrianopel von Berenice 28, und von Adrianopel bis Tauchira 25 M.), müssen wir hier die vom Kaiser Hadrian erbaute und nach ihm benannte Stadt Adrianopolis legen. In Folge der Judenkriege gegründet, um die heruntergekommene Cyrenaica wieder zu bevölkern, scheint der Ort zu Edrisi's Zeit Soluk geheissen zu haben, welchen Namen Barth in Tanseruch oder Tansluluk wiedererkennen will. Ich konnte diese Namen nicht erfragen, und Beechey, welcher auch hieher Adrianopolis legt, führt nur an, dass die in der Nähe befindlichen Seen Zeiana oder Aziana heissen, und will damit den Namen der Stadt in Verbindung bringen. Hammilton nennt ebenfalls den See Ez zajana, und schliesst auf Adrianopolis. Auch Pacho verlegt die Stadt Adrianopolis hieher. Ausgezeichnete Gebäude sind keine mehr vorhanden, wenn man nicht eines Castells, aus schönen Quadern erbaut, erwähnen will, und das jedenfalls zum Schutze der Stadt mitangelegt worden war.
Nach zwei anderen Stunden erreichten wir die Landschaft Bir Shus, wo unter alten Ruinen bedeutende Araberansiedelungen und Gärten, die ersten Nicht-Nomaden seit Bengasi sich befinden. Etwas südwestlich von hier sind Ruinen, die Beechey Mabli oder Nabli nennen hörte und glaubt dieselben auf Neapolis zurückführen zu müssen, Barth hörte sie Mebrig nennen.
Eine halbe Stunde später waren wir am ersten jetzt freilich trockenen Flussbett, uadi Bu Djarar, welches von der östlichen Bergwand herunterkömmt, und hatten nunmehr die zahlreichen Fereg der uled Auergehr erreicht. Erst als es schon ganz dunkel war, um 7½ Uhr Abends, waren wir zwischen den Ruinen von Teucheira. Aber welche Noth, um ein Unterkommen zu finden, rechts und links Gräber, Steinbrüche, überall Ruinen, dazu stockfinstere Nacht, mussten wir froh sein, an einer steilen Wand etwas Schutz zu finden, wo wir unsere Zelte aufschlagen konnten. Und bei immer vom Himmel giessenden Regen ging das natürlich nur sehr mangelhaft, und mehrere Male mussten wir alle Nachts wieder auf, um die umgesunkenen Zelte frisch aufzuschlagen. Da mein Zelt nur für eine Person eingerichtet war, so liess ich darin den Photograph und meinen deutschen Diener campiren und Mr. Chapman, Mr. Robert und ich legten uns in das etwas grössere der Diener. Aber welch angenehme Nacht verbrachten sie, welche auf eine Vergnügungstour bis Tokra gehofft hatten. Zum Glück hatten wir kalte Küche, Wein und Schnaps, mit denen die freundlichen Mönche in Bengasi mich beim Abschiede beschenkt hatten; Feuer anmachen war aber ganz unmöglich. Aber mit der Nacht hatte das Wetter ausgetobt; als am anderen Morgen uns die Sonne Licht brachte, fanden wir, dass wir in einem grossen Steinbruche seien, dessen steile Wände überall Gräber und Höhlen enthielten; zu demselben führte nur Ein Eingang, die Stadt selbst aber hatten wir im Dunkeln schon passirt.
Tokra, wie die heutigen Bewohner es nennen, was offenbar von Tauchira herkommt, ist heute fast ganz unbewohnt. Der Name Taucheira wurde von den Schriftstellern, die später als Ptolemaeus und Scylax darüber berichteten in Teucheira umgewandelt. Unter Ptolemaeus Philadelphus erhielt die Stadt den Namen Arsinoë, und unter Marcus Antonius endlich wurde sie Cleopatris genannt. Gegründet zur Zeit des Königs Arkesilaos von Cyrene, und im Anfange abhängig von dieser Stadt, wurde Teucheira bald darauf Barke unterthan. Wir wissen jedoch wenig von der Geschichte dieser Stadt; Herodot sagt, sie habe gleiche Gesetze mit der Stadt Cyrene gehabt; man rechnete sie zu den fünf Hauptstädten des Landes Pentapolitanien, und von den Römern wurde sie zur Colonie erhoben. Procop theilt uns mit, dass sie von Justinian ebenfalls aufs Neue mit Mauern umgeben wurde, und Edrisi beschreibt sie uns als eine mit Berbern bevölkerte Stadt. Jetzt ist die Stadt gänzlich verödet, Araber, vom Stamme der Braghta haben jedoch ihre Ackergründe in der Stadt und Umgegend, und halten sich bis zur Ernte hier auf, später ziehen sie dann mit ihren Heerden auf die Hochebene. Auch eine Sauya der Snussi befindet sich hier, in allerneuester Zeit angelegt.
Was an Bauwerken von der Stadt noch über ist, ist unbedeutend. Am besten erhalten ist die Mauer, aus grossen Quadern an der Basis errichtet; oben aber aus den verschiedensten Steinen erbaut. Und diese spätere Wiederaufrichtung rührt offenbar von Justinian her, da man alles Mögliche dazu benutzte, was an Baumaterial zur Hand war, und so auch viele, mit jedoch unbedeutenden Inschriften versehene Steine eingemauert hat. Fast wie ein Viereck auf das Meeresufer erbaut, sind die Mauern der drei Seiten fast gleich lang, aber keineswegs gerade, sondern winklich und mit 26 viereckigen Thürmen versehen. Oft 15-18' hoch und 6' breit, ist die Mauer oft nur 3' hoch, ja an manchen Stellen bezeichnet nur hoher Schutt und umherliegende Steine die frühere Richtung. Beechey, der die Mauerlänge[20] genau gemessen, giebt dieselbe zu 8600' an. Zwei Hauptthore, an der westlichen und östlichen Seite, von Thürmen flankirt, und durch eine schnurgerade Strasse verbunden, führen in die Stadt. Nach der Seeseite hin scheint keine Mauer gewesen zu sein, auch ist nichts von einem Hafen zu bemerken, wenn nicht vielleicht ein grosser Steinbruch in der nordwestlichen Ecke der Stadt, der bis aufs Niveau des Meeres ausgegraben war, Schiffen einen...