DIE SIGNATUREN DES TÜRKISES
Die Menschen früherer Zeiten waren darin geschult, die Signale, die von den natürlichen Dingen ausgingen, ihre Botschaften zu erkennen und zu deuten. Diejenigen, die diese Hinweise richtig zu interpretieren wussten, konnten erkennen, welche Heilkräfte darin wohnten und gegen welche Gebrechen und Krankheiten ihre Hilfe in Anspruch genommen werden konnte.
Zu den natürlichen Dingen zählen auch die Mineralien und Steine. Wer ihre Signaturen deuten kann, vermag ihr Wesen zu erkennen. Wir untersuchen beim Türkis außer seiner Hauptsignatur, der Farbe, auch noch einige weitere Zeichen, wie sein Kristallsystem, seine Härte oder seine Dichte. Mit der Zeit entsteht ein rundes Bild vom Wesen und Wirken des Türkises.
Der Amerikaner Mick McAllister hat den Türkis in einem Vergleich mit dem Diamanten sehr schön beschrieben:
„Die Tugend des Diamanten ist im Grunde eine gemachte Tugend: seine Qualität wird durch die Präzision der Facettierung und durch den Schliff des Steines bestimmt. […]; Der Türkis hat andere Tugenden. Er kommt aus einem heiligen Land und trägt in sich den Genius Loci. Sein Wert liegt zutiefst in seiner Verbindung zu diesem Ort.
Mc Allister ist wichtig, dass der Türkis möglichst wenig bearbeitet wird. Er schätzt ihn für seine Matrix und schreibt:
„Der Türkis ist ganz er selbst, ganz Oberfläche, Ablagerung, Erstarrung von Wasser und Himmel, mit einer irdenen Matrix, die paradoxerweise wie Wasser durch seine blau-grün verlaufende Oberfläche fließt.“
Mc Allister, Diamonds and Turquoise
Der Türkis ist ganz er selbst – vielleicht liegt es auch daran, dass er nicht nur verehrt, sondern regelrecht geliebt wird. Er ist kein luxuriöser Stein, wie etwa die königlichen Steine Rubin, Saphir und Smaragd. Der Türkis schafft sofort Nähe, er ist ein Stein für die Armen und die Reichen; wo er gefunden wird, ist er für alle da. Man vertraut ihm seine Gesundheit und sein Glück, ja sogar seine Seele an. Jeder Türkis ist anders, mancher von himmelblauer überirdischer Schönheit, ein anderer von einer geheimnisvollen Matrix durchzogen – aber jeder ist ein Individuum, jeder erzählt eine Geschichte, jeder ist ein lebendiger Stein.
Liebe ist es auch, was die Schriftstellerin Ellen Meloy beschreibt: Nachdem sie den Türkis als junges Mädchen im Britischen Museum in London in einem kleinen Raum fern seiner Heimat und später in den Trading Posts, den Geschäften im Südwesten der USA, sah, verspürte sie die unbändige Sehnsucht, einen Türkis – und sei es auch nur ein kleines Stück – zu kaufen und mit ihm so schnell wie möglich davonzulaufen, um ihn zum Sandstein zu bringen. Gleichwohl als ob man ein kleines Stück Prisma vom Himmel zu all der roten Hitze tragen würde.
Fundorte
„Türkis ist kapriziös, er hat Allüren, keiner verlässt den Südwesten ohne ihn, auch wenn es so scheint, dass das Leben aus ihm entweicht, wenn er von dem nackten, blutroten Sandstein seines Heimatlandes weggenommen wird.“
Ellen Meloy
Der Türkis liebt die Einsamkeit, seine Heimat sind karge, abgelegene und mitunter auch heiße Orte. Die Landschaften sind wenig abwechslungsreich, der Pflanzenbewuchs gering und die Erde ist krustig und nicht sehr fruchtbar; keine lieblichen Wiesen und Wälder bestimmen die Umgebung, sondern es herrschen eher schwierige Lebensbedingungen für Mensch, Tier und Pflanze.
Cerrillos Hills, hier befinden sich die ältesten Türkisminen im Südwesten der USA
In dieser unwirtlichen Umgebung findet sich nun ein Stein von unglaublich frischer Farbe: Er trägt das leuchtende Blau des Himmels und der Seen oder das zarte Grün der Natur. Wer in der Lage ist, an solch schwierigen Plätzen eine Farbe zu entwickeln, die dem Trockenen und Heißen entgegengesetzt ist, der könnte auch in der Lage sein, trockenen und heißen Krankheiten entgegenzuwirken. In der Traditionellen Tibetischen Medizin wird dem Türkis tatsächlich eine kühlende Natur bescheinigt.
Damit Türkis entstehen kann, braucht es Wasser. Der Türkis selbst enthält viel Wasser – eine kostbare Eigenschaft in wüstenartigen Landschaften. Türkis wird sowohl bei den Indianern als auch bei den Tibetern häufig mit Perlen bzw. Muschelschalen und Korallen kombiniert – sie haben ihren Ursprung im Wasser.
Der Rio Grande Gorge in New Mexiko
Der Türkis verbirgt sich nicht tief in der Erde, er ist relativ leicht für den Menschen zu finden und abzubauen. Die tiefsten Fundstellen liegen nicht tiefer als 30 m, oft liegt der Stein ganz offen auf der Erde oder kann mit einfachem Werkzeug nahe der Oberfläche geborgen werden – ein Stein, der die Nähe des Menschen nicht scheut, vielleicht sogar sucht und damit sein menschenfreundliches Wesen offenbart.
Leslie Marmon Silko, eine indianisch-amerikanische Schriftstellerin, schreibt in ihrem Buch The Turquoise Ledge, dass sie immer wieder auf ihren Wegen durch die Sonora-Wüste auf mystische Art Türkis gefunden hat. An Stellen, von denen sie ganz sicher war, dass tags zuvor nichts gelegen war, befand sich plötzlich Türkisgestein – und das sei ihr mehr als ein Mal passiert.
Völlig verschieden ist dies bei anderen Edelsteinen, wie z. B. beim Diamanten, für dessen Gewinnung der Erde tiefe Wunden zugefügt werden müssen, um an die letzten Diamantvorräte zu gelangen.
Mine Mirny in Russland: Sie ist 525 m tief und hat einen Durchmesser von 1200 m und die Fahrzeuge brauchen an die zwei Stunden, um von unten nach oben zu gelangen.
Farbe des Himmels
„Je tiefer das Blau wird, desto mehr ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels, so wie wir ihn uns vorstellen bei dem Klange des Wortes Himmel.“
Wassily Kandinsky
Hellblau, Türkis, Grünblau – dies sind die bekanntesten Farben des Türkises in ihren Schattierungen. Am schönsten ist er, wenn er dieses schimmernde weiche Blau trägt, das unser Herz so berührt, verbinden wir doch damit so viel Positives: einen wolkenlosen Himmel an einem Sommertag, klare einsame Bergseen im Sonnenschein oder auch Südseestrände, vom türkisblauen Meer umspült. Es ist die Farbe des Himmels, es ist die Farbe des Wassers, wenn sich der Himmel darin spiegelt. Und damit ist es die Farbe, die beides verbindet – den Himmel und das Irdische.
Türkis ist kein reines Blau, das oft als kühl oder kalt empfunden wird. Im Türkis mischt sich zum Blau ein grüner Anteil, der je nach Schattierung unterschiedlich stark vertreten ist. Blau signalisiert eine kühlende, reizlindernde Wirkung und verweist auf eine Beziehung zum Geist, das Grün im Türkis zeigt einen hohen Kupfergehalt an und damit eine nierenstärkende, schilddrüsenregulierende Wirkung.
So wie die Farbe Türkis bei den Blüten einer Pflanze auf deren positiven Effekt auf die Leber hindeuten kann, so gilt diese farbliche Signatur auch für den Türkis: In der Tibetischen Medizin wird er vielfach in Lebermitteln verarbeitet, wie beispielsweise in den Juwelenpillen (siehe Seite 117).
Härte
„Einen Stein kann man zertrümmern, aber man kann ihm nicht seine Härte nehmen.“
Lü Bu We
Die Härte von Edelsteinen wird auf einer Skala von 1–10 nach Mohs ausgewiesen. 1 entspricht einem sehr weichen Stein, der mit einem Fingernagel schabbar ist, wie z. B. Talk, 10 entspricht dem härtesten Edelstein, dem Diamanten.
Härtetabelle nach Mohs, Beispiele
5 | Apatit | Türkis, Opal, Lapislazuli |