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Über die Entstehung der Arten

oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein (On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life)

AutorCharles Darwin
VerlagHenricus - Edition Deutsche Klassik
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl566 Seiten
ISBN9783847811435
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. Nach der letzten englischen Ausgabe wiederholt durchgesehen von J. Victor Carus, 9. Auflage, Stuttgart: Schweitzerbart'sche Verlagsbuchhandlung, 1899. Erstdruck: London 1859. Erste deutsche Übersetzung von Heinrich Georg Bronn unter dem Titel »Über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung, oder Erhaltung der vervollkommneten Rassen im Kampf ums Daseyn«, Stuttgart 1860. Der Text folgt der Übersetzung der sechsten Auflage, London 1872, durch Julius Victor Carus von 1884.

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Leseprobe

[Vorberichte]


Historische Skizze der Fortschritte in den Ansichten über den Ursprung der Arten

(bis zum Erscheinen der ersten Auflage dieses Werkes)

Ich will hier eine kurze Skizze von der Entwicklung der Ansichten über den Ursprung der Arten geben. Bis vor Kurzem glaubte die grosse Mehrzahl der Naturforscher, dass die Arten unveränderlich seien und dass jede einzelne für sich erschaffen worden sei: diese Ansicht ist von vielen Schriftstellern mit Geschick vertheidigt worden. Nur einige wenige Naturforscher nahmen dagegen an, dass Arten einer Veränderung unterliegen und dass die jetzigen Lebensformen durch wirkliche Zeugung aus anderen früher vorhandenen Formen hervorgegangen sind. Abgesehen von einigen, auf unsern Gegenstand zu beziehenden Andeutungen in den Schriftstellern des classischen Alterthums1, war BUFFON der erste Schriftsteller, welcher in neuerer Zeit denselben in einem wissenschaftlichen Geiste behandelt hat. Da indessen seine Ansichten zu verschiedenen Zeiten sehr schwankten und er sich nicht auf die Ursache oder Mittel der Umwandlung der Arten einlässt, brauche ich hier nicht auf Einzelnheiten einzugehen.

LAMARCK war der erste, dessen Ansichten über diesen Punkt grosses Aufsehen erregten. Dieser mit Recht gefeierte Naturforscher veröffentlichte dieselben zuerst 1801 und dann bedeutend erweitert 1809 in seiner ›Philosophie Zoologique‹, sowie 1815 in der Einleitung zu seiner Naturgeschichte der wirbellosen Thiere, in welchen Schriften er die Lehre aufstellte, dass alle Arten, den Menschen eingeschlossen, von anderen Arten abstammen. Er hat das grosse Verdienst, die Aufmerksamkeit zuerst auf die Wahrscheinlichkeit gelenkt zu haben, dass alle Veränderungen in der organischen wie in der unorganischen Welt die Folgen von Naturgesetzen und nicht von wunderbaren Zwischenfällen sind. LAMARCK scheint hauptsächlich durch die Schwierigkeit, Arten und Varietäten von einander zu unterscheiden, durch die fast ununterbrochene Stufenreihe der Formen in manchen Organismen-Gruppen und durch die Analogie mit unseren Züchtungserzeugnissen zu der Annahme einer gradweisen Veränderung der Arten geführt worden zu sein. Was die Mittel betrifft, wodurch die Umwandlung der Arten bewirkt werde, so schreibt er Einiges auf Rechnung einer directen Einwirkung der äusseren Lebensbedingungen. Einiges führt er auf die Wirkung einer Kreuzung der bereits bestehenden Formen und Vieles auf den Gebrauch und Nichtgebrauch der Organe, also auf die Wirkung der Gewohnheit zu rück. Dieser letzten Kraft scheint er alle die schönen Anpassungen in der Natur zuzuschreiben, wie z.B. den langen Hals der Giraffe, der sie in den Stand setzt, die Zweige hoher Bäume abzuweiden. Doch nahm er zugleich ein Gesetz fortschreitender Entwicklung an, und da hiernach alle Lebensformen fortzuschreiten streben, so nahm er, um sich von dem Dasein sehr einfacher Lebensformen auch in unseren Tagen Rechenschaft zu geben, für derartige Formen noch eine Generatio spontanea an2.

ÉTIENNE GEOFFROY SAINT-HILAIRE vermuthete, wie sein Sohn in dessen Lebensbeschreibung berichtet, schon um's Jahr 1795, dass unsere sogenannten Species nur Ausartungen eines und des nämlichen Typus seien. Doch erst im Jahre 1828 sprach er öffentlich seine Überzeugung aus, dass sich ein und dieselben Formen nicht unverändert seit dem Anfang der Dinge erhalten haben. GEOFFROY scheint die Ursache der Veränderung hauptsächlich in den Lebensbedingungen oder dem »Monde ambiant« gesucht zu haben. Doch war er vorsichtig im Ziehen von Schlüssen und glaubte nicht, dass jetzt bestehende Arten einer Veränderung unterlägen; sein Sohn sagt: »C'est donc un problème à réserver entièrement à l'avenir, supposé même, que l'avenir doive avoir prise sur lui.«

1813 las Dr. W. C. WELLS vor der Royal Society eine »Nachricht über eine Frau der weissen Rasse, deren Haut zum Theil der eines Negers gleicht«; der Aufsatz wurde nicht eher veröffentlicht, als bis seine zwei berühmten Essays »über Thau und Einfach-Sehn« 1818 erschienen. In diesem Aufsatze erkennt er deutlich das Princip der natürlichen Zuchtwahl an, und dies ist der erste nachgewiesene Fall einer solchen Anerkennung. Er wendete es aber nur auf die Menschenrassen und nur auf besondere Merkmale an. Nachdem er angeführt hat, dass Neger und Mulatten Immunität gegen gewisse tropische Krankheiten besitzen, bemerkt er erstens, dass alle Thiere in einem gewissen Grade abzuändern streben, und zweitens, dass Landwirthe ihre Hausthiere durch Zuchtwahl verbessern. Nun fügt er hinzu: was aber im letzten Falle »durch Kunst geschieht, scheint mit gleicher Wirksamkeit, wenn auch langsamer, bei der Bildung der Varietäten des Menschengeschlechts, welche den von ihnen bewohnten Ländern angepasst sind, durch die Natur zu geschehen. Unter den zufälligen Varietäten von Menschen, die unter den wenigen zerstreuten Einwohnern der mittleren Gegenden von Africa auftreten, werden einige besser als andere im Stande sein, den Krankheiten des Landes zu widerstehen. In Folge hiervon wird sich diese Rasse vermehren, während die anderen abnehmen, und zwar nicht bloss, weil sie unfähig sind, die Erkrankungen zu überstehen, sondern weil sie nicht im Stande sind, mit ihren kräftigeren Nachbarn zu concurrieren. Nach dem, was bereits gesagt wurde, nehme ich es als ausgemacht an, dass die Farbe dieser kräftigern Rasse dunkel sein wird. Da aber die Neigung, Varietäten zu bilden, noch besteht, so wird sich eine immer dunklere und dunklere Rasse im Laufe der Zeit bilden; und da die dunkelste am besten für das Clima passt, so wird diese zuletzt in dem Lande, in dem sie entstand, wenn nicht die einzige, doch die vorherrschende Rasse werden.« Er dehnt dann die Betrachtungen auf die weissen Bewohner kälterer Climate aus. Ich bin Herrn ROWLEY aus den Vereinigten Staaten, welcher durch Mr. BRACE meine Aufmerksamkeit auf die angezogene Stelle in Dr. WELLS' Aufsatz lenkte, hierfür sehr verbunden.

Im vierten Bande der Horticultural Transactions, 1822, und in seinem Werke über die Amaryllidaceae (1837, p. 19, 339) erklärte W. HERBERT, nachheriger Dechant von Manchester, »es sei durch Horticulturversuche unwiderleglich dargethan, dass Pflanzen-Arten nur eine höhere und beständigere Stufe von Varietäten seien.« Er dehnt die nämliche Ansicht auch auf die Thiere aus und glaubt, dass ursprünglich einzelne Arten jeder Gattung in einem Zustande hoher Bildsamkeit geschaffen worden seien, und dass diese sodann hauptsächlich durch Kreuzung, aber auch durch Abänderung alle unsere jetzigen Arten erzeugt haben.

Im Jahre 1826 sprach Professor GRANT im Schlussparagraphen seiner bekannten Abhandlung über Spongilla (Edinburgh Philos. Journ. XIV, p. 283) seine Meinung ganz klar dahin aus, dass Arten von anderen Arten abgestammt sind und durch fortgesetzte Modificationen verbessert werden. Die nämliche Ansicht hat er auch 1834 im »Lancet« in seiner 55. Vorlesung wiederholt.

Im Jahre 1831 erschien das Buch von PATRICK MATTHEW: ›Naval Timber and Arboriculture‹, in welchem er genau dieselbe Ansicht von dem Ursprunge der Arten entwickelt, wie die (sofort zu erwähnende) von Mr. WALLACE und mir im ›Linnean Journal‹ entwickelte, und wie die in dem vorliegenden Bande weiter ausgeführt dargestellte. Unglücklicher Weise jedoch theilte MATTHEW seine Ansicht an einzelnen zerstreuten Stellen in dem Anhange zu einem Werke über einen ganz andern Gegenstand mit, so dass sie völlig unbeachtet blieb, bis er selbst 1860 im Gardener's Chronicle vom 7. April die Aufmerksamkeit darauf lenkte. Die Abweichungen seiner Ansicht von der meinigen sind nicht von wesentlicher Bedeutung. Er scheint anzunehmen, dass die Welt in aufeinanderfolgenden Zeiträumen beinahe ausgestorben und dann wieder neu bevölkert worden ist, und stellt als die eine Alternative die Ansicht auf, dass neue Formen wohl erzeugt werden könnten »ohne die Anwesenheit eines Models oder Keimes früherer Aggregate«. Ich bin nicht sicher, ob ich alle Stellen richtig verstehe; doch scheint er grossen Werth auf die unmittelbare Wirkung der äusseren Lebensbedingungen zu legen. Er erkannte jedoch deutlich die volle Bedeutung des Princips der natürlichen Zuchtwahl.

Der berühmte Geolog LEOPOLD VON BUCH spricht sich in seiner vortrefflichen ›Description physique des Iles Canaries‹ (1836, p. 147) deutlich darüber aus, dass er glaube, Varietäten werden langsam zu beständigen Arten umgeändert, welche dann nicht mehr im Stande seien, sich zu kreuzen.

RAFINESQUE schreibt 1836 in seiner ›New Flora of North America‹ p. 6: »alle Arten mögen einmal blosse Varietäten gewesen sein, und viele Varietäten werden dadurch allmählich zu Species, dass sie constante und eigenthümliche Charactere erhalten«, fügt aber später, p. 18, hinzu: »mit Ausnahme jedoch des Originaltypus oder Stammvaters jeder Gattung«.

Im Jahre 1843-44 hat Professor HALDEMAN die Gründe für und wider die Hypothese der Entwicklung und Umgestaltung der Arten in angemessener Weise zusammengestellt (im Boston Journal of Natural History, Vol. IV, p. 468) und scheint sich mehr zur Annahme einer Veränderlichkeit zu neigen.

Die ›Vestiges of Creation‹ sind zuerst 1844 er schienen. In der zehnten sehr verbesserten Ausgabe (1853, p. 155) sagt der ungenannte Verfasser: »das auf reifliche Erwägung gestützte Ergebnis ist, dass die verschiedenen Reihen beseelter Wesen, von den einfachsten und ältesten an bis zu den höchsten und jüngsten, die unter Gottes Vorsehung eingetretenen Resultate sind 1) eines den Lebensformen ertheilten Impulses, der sie in bestimmten Zeiten auf dem Wege der Fortpflanzung von einer Organisationsstufe zur andern bis zu den höchsten Dicotyledonen und Wirbelthieren...

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