6. Der Name
I. Khan
Die Verschiedenheit der Dinge und Wesen und die Besonderheiten, die sie voneinander unterscheiden, machen die Namen notwendig. Der Name erzeugt das Bild von Form, Gestalt, Farbe, Große, Eigenschaft, Menge, Gefühl und Sinn, nicht nur der sichtbaren und begreifbaren Dinge und Wesen, sondern sogar von denen, die jenseits des Schauens und des Verstehens sind; daher ist seine Wichtigkeit größer als alles andere. Im Namen liegt ein großes Geheimnis verborgen, sei es der Name einer Person oder Sache, und es wird gebildet in Beziehung mit den vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Bedingungen seines Objektes.
Ein ganzes Geheimnis liegt im Namen verborgen. Die Kenntnis aller Dinge beruht zunächst auf der Kenntnis ihrer Namen, und kein Wissen ist vollständig, wenn es namenlos ist. Meisterschaft beruht auf Kenntnis. Der Mensch kann kein Ding meistern, von dem er keine Kenntnis hat. Jeder Segen und aller Nutzen, die von der Erde oder vom Himmel kommen, werden durch Bemeisterung gewonnen, die auf Kenntnis beruht, und Kenntnis beruht auf dem Namen. Ohne Kenntnis des Namens eines Dinges ist der Mensch unwissend, und der Unwissende ist machtlos, denn der Mensch hat keine Macht über irgendein Ding, von dem er nichts weiß.
Der Grund zur Größe des Menschen ist die Erkenntnisfähigkeit, mit der er begabt ist, und deren ganzes Geheimnis in seiner Erkenntnis der Unterschiede zwischen Dingen und Wesen liegt. Dies gibt dem Menschen Überlegenheit nicht nur über alle Geschöpfe der Erde, sondern lässt ihn sogar die Engel, die Bewohner des Himmels, übertreffen. Der Koran erklärt dies in folgenden Worten: „Als dein Herr zu den Engeln sprach: „Wir werden einen Stellvertreter auf die Erde senden“, sagten sie: „Willst Du dort jemanden hintun, der Böses wirken und Blut vergießen wird, während wir Dein Lob preisen und Dich heiligen.“ Gott antwortete: „Wahrlich, Wir wissen, was ihr nicht wisst,“ und er lehrte Adam die Namen aller Dinge und nannte sie dann den Engeln und sagte: „Nennt mir die Namen dieser Dinge, wenn ihr die Wahrheit sagt.“ Sie antworteten: „Lob sei Dir, wir haben keine Kenntnis, außer dem, was Du uns lehrst, denn Du bist allwissend und weise.“ Gott sagte: „Oh Adam, nenne ihnen ihre Namen“, und als Adam kam, nannte er ihre Namen.“ (Vergl. Genesis 11, 19.)
Jeder Name offenbart dem Seher die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft dessen, was er umschließt; das richtige Horoskop sagt darum alles über die Bedingungen einer Person.
Der Name ist nicht nur bedeutsam für die Form, sondern ebenso wohl für den Charakter. Die Bedeutung des Namens spielt eine hervorragende Rolle im Leben des Menschen, und der Klang, die Vokale in dem Namen, der Rhythmus, die Zahl und Art der Buchstaben, welche ihn bilden, die mystischen Zahlen, Symbole und Planeten wie auch alle Wurzeln, aus denen er gezogen ist, und die Wirkung, die der Name hervorbringt, alles dies eröffnet dem Seher sein Geheimnis.
Die Bedeutung eines Namens hat einen großen Einfluss auf seinen Träger wie auch auf andere Menschen.
Aus dem Klang der Buchstaben und des Wortes, welche sie bilden, kann der Mystiker viel vom Charakter und Geschick einer Person verstehen. Ein kluger Mensch erlangt gemeinhin durch den Klang der Buchstaben, die einen Namen bilden, die Idee, ob er schön oder hässlich, weich oder hart, wohlklingend oder übelklingend ist, aber er kennt nicht die Ursache davon; wer es aber versteht, weiß, warum es so ist.
Die Buchstaben werden einzeln oder zusammen, entweder leicht oder mit Schwierigkeit, ausgesprochen und haben ihre Wirkung dementsprechend auf einen selbst oder auf andere.
Namen, die weich und sanft klingen, machen einen weichen Eindruck auf den Sprecher und auf den Hörer, während hartklingende Namen eine entgegengesetzte Wirkung ausüben. Der Mensch nennt natürlich sanfte Dinge mit weichem Namen und harte Dinge mit hartklingendem Namen, wie zum Beispiel Blume und Felsen, Wolle und Stein usw. Die Sprache, und besonders der Name, zeigt die Gesellschaftsklasse der Menschen und den Charakter der Familien, wie auch Gemeinschaften und Rassen an. Vokale spielen eine große Rolle in dem Namen und seinem Einfluss. „E“ und „I” zeigen „Jemal“, die weibliche Eigenschaft der Grazie, Weisheit, Schönheit und Empfänglichkeit an. „O“ und „U“ erweisen „Jelal“, die männliche Eigenschaft der Macht und des Ausdrucks. „A“ deutet auf „Kemal“ hin, welches Vollkommenheit besagen will, in welcher diese beiden eben genannten Eigenschaften konzentriert sind. Die oben genannten Vokale haben bei der Zusammensetzung des Namens eine Wirkung, ihrer Stellung in dem Namen, sei es am Anfang, in der Mitte oder am Ende, entsprechend.
Das Schicksal wird im Sanskrit „Karma“ genannt und bedeutet den Rhythmus vergangener Handlungen. Der Einfluss des Rhythmus, den ein Name auslöst, hat eine Wirkung auf die Wesenheit, deren Name es ist, wie auch auf die, welche sie mit diesem Namen nennen. Gleichmäßigkeit des Rhythmus gibt Gleichgewicht, während Ungleichmäßigkeit den Mangel an Gleichgewicht verursacht. Die Schönheit des Rhythmus verschönert den Charakter.
Unter Rhythmus versteht man die Art, in welcher der Name beginnt und wie er endet, ob gleichmäßig oder ungleichmäßig, mit dem Akzent oder vor dem Akzent. Der Akzent, der auf den Anfang, die Mitte oder auf das Ende fällt, verändert die Wirkung, welche eine Rolle in dem Charakter und dem Schicksal einer Person spielt. Der Rhythmus des Namens deutet das wichtigste Ding im Leben an: Gleichgewicht oder Mangel daran. Fehlen des Gleichgewichts ist ein Manko im Charakter und verursacht Feindseligkeit im Leben.
Die Zahl der Buchstaben spielt eine große Rolle in dem Namen einer Person. Eine gerade Zahl zeigt Schönheit und Weisheit, und eine ungerade Zahl zeigt Liebe und Kraft. Jeder Buchstabe in der Zusammensetzung eines Namens hat seinen zahlenmäßigen Wert; in orientalischer Wissenschaft wird dieses „Jafar“ genannt. Durch dieses System werden nicht nur Gebäuden, Gegenständen und Menschen Namen gegeben, die den Zeitablauf ihres Entstehens und Vergehens vor die Augen rufen, sondern die Verbindung dieser Zahl eröffnet dem Seher ihre mystische Wirkung.
Wie gesagt, Namen üben eine psychische Wirkung auf ihren Besitzer und sogar auf seine Umgebung aus. Die Namen der Elementarkräfte und der Djins (geistige Einheiten), die heiligen Namen Gottes und die als heilig gehaltenen Namen der Propheten und Heiligen, die, gemäß dem Gesetze ihres zahlenmäßigen Wertes, geschrieben werden, erwirken, gleich einem magischen Zauber die Erfüllung verschiedener Ziele im Leben, und durch die Verbindung solcher Namen, die geschrieben oder in ihrem zahlenmäßigen Wert wiederholt werden, werden Wunder verrichtet.
Jeder Buchstabe allein oder in einem Wort gruppiert, ruft ein Bild hervor, welches sein Geheimnis dem Seher mitteilt.
Zum Beispiel macht „X” ein Kreuz und „O“ Null, welche beide eine Bedeutung haben. Das Alphabet, das in modernen Zeiten gebraucht wird, ist eine schlechte Nachahmung des ursprünglichen Alphabets; die alten arabischen und persischen Schriften, welche auf den Gewölben und Wänden der Gebäude, auf den Säumen von Gewändern, auf Messinggefäßen und auf Teppichen zu finden sind, sind von überaus schöner und vollkommener Zeichnung. Eine große und symbolische Bedeutung kann man in dem Chinesischen, Japanischen und den Sanskrit-Schriftzeichen, wie in andern alten Alphabeten sehen. Jede Linie, jeder Punkt und jede Farbe hat eine Bedeutung. Die Alten pflegten nicht jeden Namen mit verschiedenen Buchstaben zu schreiben, sondern wie ein Bild zu zeichnen, welches dasjenige bedeutet, was sie ausdrücken wollten. Das Bild war in verschiedene Teile geteilt, und jeder Teil sollte einen bestimmten Ton wiedergeben und auf diese Art entstanden die Alphabete. Bei dieser Teilung ging das wahre Bild verloren, aber eine gewisse Ähnlichkeit kann man zuweilen noch finden. Obwohl wir heutigen Tages eine höchst verderbte Schreibweise besitzen, so kann man doch von dem Ansehen eines Namenszuges (in welcher Schreibweise er auch immer geschrieben sein mag), das Leben, Schicksal oder den Charakter einer Person lesen. Zum Beispiel zeigt ein Name, der mit „I” beginnt, ein feststehendes und gradsinniges Ich, ein Sonderling voll Gottesliebe und Wahrheitssuchen. „E“ zeigt eine scheue, schüchterne und rückständige Natur und ein Interesse nach drei Richtungen hin. Ebenso wie ein Buchstabe ein Bild macht, so macht auch ein ganzes Wort ein Bild. Die Idee vom Worte „Allah“ ist von den Menschen ausgegangen, und man kann in der Form der Hand das geschriebene Wort „Allah“ lesen. Der Rufname hat einen größeren Einfluss als der Geschlechtsname. Zumal hat ein Spitzname einen noch größeren Einfluss. Die Wirkung des Namens entspricht seinem Gebrauch. Je mehr er gebraucht wird, desto größer ist die Wirkung. Abgekürzte Namen, so wie Mia für Maria oder Willi für Wilhelm, verringern die Wirkung des Namens. Namen, von den Heiligen verliehen, haben eine doppelte Wirkung: Die des Namens...