1. KAPITEL
„DAS WIRD JA SOWIESO NICHTS!“
Warum wir uns ungünstig programmieren
Kennen Sie diese Sprüche? „Das wird dir nicht gelingen“, „Das kannst du nicht“, „Das schaffst du nie“, „Das können die anderen besser als du“, „Aus dir wird mal eine gute Mutter“ (meint: „… aber keine Frau, die Karriere macht“), „Der Junge wird noch mal genauso enden wie sein Vater“. Und Sie treten tatsächlich in des Vaters Fußstapfen. Oder Vorhaben gehen wirklich schief – ganz so, wie man es Ihnen prophezeit hatte. Oder Sie haben wahrhaftig oft das Gefühl, es nicht zu schaffen, weil Sie irgendwie unbegabt, unbeholfen, trottelig sind. Und Sie tun, wenn auch widerwillig, genau das, was andere Ihnen zuvor verheißen haben.
Das prägt sich ein. Das führt dazu, dass man sich irgendwann selber sagt: „Lass lieber die Finger davon, das geht sowieso daneben“, und dass man etwas unterlässt, wozu man in Wahrheit sehr wohl in der Lage wäre: wie etwa sich beruflich selbstständig zu machen oder sich den Traum vom eigenen, selbst gebauten Haus zu erfüllen. Das hat mit der Zeit Auswirkungen auf Ihr Selbstbild: Sie haben den Eindruck, tatsächlich benachteiligt zu sein – zumindest aber ein Mensch, der in vielerlei Hinsicht schwerer am Leben zu tragen hat als die anderen.
Vielen geht es so. Im Kleinen wie im Großen. Denn kaum, dass Sie denken, „das Tablett mit den Gläsern wird mir bestimmt aus der Hand rutschen“, ist es auch schon passiert. In dem Augenblick, in dem Sie Skepsis entwickeln, ob die Partygäste überhaupt kommen werden, rufen die ersten an und sagen ab.
Sobald einen vor dem ersten Rendezvous die Zweifel überfallen, ob der andere einen wohl attraktiv findet, stolpert man unglücklich und reißt sich mit dem Absatz eine riesige Laufmasche.
Die Reihe ließe sich unendlich fortsetzen. Und jeder – ob Frau oder Mann – hat sofort eine Erfahrung parat, die dazu passt. Ich denke, auch Sie: Ob es das wichtige Vorstellungsgespräch war, bei dem man sich dachte: „O Gott, du wirst bestimmt krank“, und tags drauf lag man mit Fieber im Bett. Oder die erste Begegnung mit den künftigen Schwiegereltern, von denen man sich zuvor schon dachte, dass sie an allem etwas auszusetzen haben. Und dann kommt es tatsächlich so: Die Schwiegermutter bemerkt nebenbei, dass die Topfpflanzen wohl dringend Wasser bräuchten, während sie gleichzeitig mit der Hand die nur flüchtig gebügelte Tischdecke glatt streicht. Denn ob erste Begegnung mit Menschen, wichtige berufliche Termine, Prüfungen, Vorstellungsgespräche oder Lebensveränderungen – programmieren wir uns vorher auf negative Erwartungen, ergeben sich sogleich negative Effekte – zumindest nehmen wir sie als negativ wahr.
Aber gewiss kennen Sie auch genau die gegenteilige Situation: Sie haben sich gedacht: „Das gelingt mir“ – und es gelang! Sie waren voll des guten Willens, eine schwierige Aufgabe zu bewältigen, und haben es allen Unkenrufen zum Trotz geschafft. Sie haben nicht darauf gehört, was andere Ihnen an „klugen“ Ratschlägen mit auf den Weg gegeben haben, und sind genau den richtigen gegangen. Sie haben also positive Erwartungen für sich entwickelt und positive Effekte erzielt.
Nur leider ist uns Letzteres weniger vertraut. Verbreiteter ist es, dass wir negative Erwartungen hegen und sie dann auch bestätigt bekommen. Das nachstehende Beispiel stammt von dem bekannten amerikanischen Psychotherapeuten Paul Watzlawick. Der geschilderte Fall wird Ihnen bestimmt übertrieben vorkommen, aber im Grunde genommen tun wir alle zuweilen genau das Gleiche: Wir beschwören das eigene Desaster meisterlich herauf.
Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Aber vielleicht war die Eile nur vorgeschützt, und er hat etwas gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts angetan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort.
Und warum er nicht? Wie kann man einem Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat. Jetzt reicht’s mir wirklich. – Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch noch bevor er „Guten Tag“ sagen kann, schreit ihn unser Mann an: „Behalten Sie Ihren Hammer, Sie Rüpel.“
Die Geschichte mit dem Hammer ist mittlerweile ein Klassiker. Und jeder, der sich mit dem Thema „Positives Denken“ befasst, kommt nicht an ihr vorbei. Sie beschreibt ein Phänomen, das wir teilweise auch in diesem Buch behandeln werden: die sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Nun fragen Sie vielleicht: Was hat das mit Prophezeiung zu tun? Dem Mann, der ein Bild aufhängen will, wird doch nichts prophezeit, er manövriert sich mit seinen negativen Erwartungen doch selbst in die Sackgasse hinein. Deshalb soll hier kurz erklärt werden, was eine sich selbst erfüllende Prophezeiung ist – der englische Fachausdruck dafür lautet „self-fulfilling prophecy“.
Sich selbst erfüllende Prophezeiungen im Alltag
Es erscheint uns manchmal wie Hexerei. Wir sagen: „Das wird sowie nichts“, und schon entwickelt sich alles so, dass es am Ende wahrhaftig nichts wird. Doch mit Hokuspokus hat das nicht das Geringste zu tun. Dahinter steckt ein nachgewiesener Zusammenhang, auf den die Wissenschaft schon Ende des 19. Jahrhunderts aufmerksam wurde. Der Amerikaner Joseph Jastrow beschrieb erstmalig entsprechende Beobachtungen, ohne dass er schon den Begriff der sich selbst erfüllenden Prophezeiung dafür prägte. Jastrow bemerkte zum Beispiel, dass bei einem Athleten, der kurz vor dem Wettkampf fürchtete zu versagen, plötzlich das Zusammenspiel körperlicher und geistiger Kräfte nicht mehr optimal funktionierte. Der Sportler zeigte dann tatsächlich eine schwache Leistung und verlor den Wettkampf. Wörtlich schreibt Jastrow schon im Jahr 1900: „Die ständige Vorstellung eines möglichen Versagens im Erreichen des Zieles schwächt die Intensität der Anstrengung und verhindert die Realisierung der bestmöglichen Leistung.“
„Wenn das so einfach ist, warum sagen wir dann nicht jedes Mal ‚Ich werde gewinnen‘ – und schon haben wir unseren persönlichen Wettkampf gewonnen?“, werden Sie sich jetzt fragen.
Deshalb eines schon jetzt in aller Deutlichkeit: Das Prinzip ist richtig und doch reicht „sagen“ allein nicht. Denn die Aussage „Ich werde gewinnen“ muss auch durch den Glauben „Ich werde gewinnen“ unterstützt werden. Erst wenn Menschen wirklich glauben „Ich schaffe das“, dann gelingt es auch. Sie setzen sich gegen Widerstände durch, sie lassen sich nichts einreden und Zweifler sind für sie lediglich ein Anlass, umso energischer am guten Ausgang ihrer Sache zu arbeiten. Und tatsächlich, es gelingt: Der Schritt in die Selbstständigkeit, die Liebe über hunderte von Kilometern hinweg, die Verwirklichung eines Traums – was auch immer. Was geschieht, wird zu einer Kette von Positiverlebnissen, die sich für das scheinbare Glückskind wie Perlen auf einer endlosen Schnur aneinander reihen.
Aber bevor Sie jetzt resigniert den Kopf einziehen, weil Sie sich selbst eher für einen Pechvogel denn für ein Glückskind halten, noch zwei Nachrichten hinterher:
1. Auch Sie können es schaffen: Sie können aus der Kette von Negativerlebnissen aussteigen.
2. Sie müssen nur lernen, diesen Glauben zu entwickeln.
Doch bis dahin ist noch ein Stück Weg zurückzulegen.
Schauen wir uns unterdessen noch einige andere Beispiele dafür an, wie unterschiedlich sich selbst erfüllende Prophezeiungen auftreten können. Eine weitere Jastrow-Untersuchung aus der Arbeitswelt ist nicht minder interessant:
1890 wurde die Hollerith-Tabelliermaschine erstmals in einem Amt aufgestellt und die Mitarbeiter erhielten für die neu entwickelte Maschine eine intensive Schulung. Sie erfuhren vom Erfinder Hollerith persönlich, dass die neue Arbeit besondere Geschicklichkeit und Anstrengung erforderte und dass er davon ausginge, dass am Tag damit ungefähr 550 Karten zu bearbeiten seien.
Nach zwei Wochen Einarbeitungszeit waren die Angestellten entsprechend trainiert und erledigten 550 Karten am Tag. Nach einiger Zeit überschritten sie sogar die erwartete Menge, schafften bis zu 700 Karten am Tag, allerdings nur unter großer Anstrengung. Die Angestellten zeigten so starke Erschöpfungssymptome, dass der Innenminister sogar verbot, künftig Mindestleistungen vorzuschreiben.
Es wurden 200 weitere Mitarbeiter für die neuen...