Das folgende Kapitel wird einen Abriß der für diese Arbeit wichtigsten Bereiche der Mercedes-Benz AG im Werk Wörth aufzeigen. Folgende Gliederung erscheint mir zweckmäßig:
strukturelle Arbeitssicherheitsorganisation im Werk Wörth,
Aufgaben und Ziele des Arbeitsschutzes im Werk Wörth,
bisherige Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Arbeitssicherheit,
Gruppenarbeit im Werk Wörth und ihre Relevanz für die Seminarkonzeption.
Um dem Leser einen Einblick zu ermöglichen, möchte ich vorab einige Worte über die Mercedes-Benz AG im allgemeinen und das Werk Wörth im besonderen verlieren.
Die Mercedes-Benz AG ist ein Tochterunternehmen der Daimler-Benz AG, welche ihren Sitz in Stuttgart-Untertürkheim hat. Die Mercedes-Benz AG wurde am 1. Juli 1989 gegründet und stellt den größten Unternehmensbereich innerhalb der Daimler-Benz AG dar (Mercedes-Benz, 1995a).
Mercedes-Benz stellt sowohl Personenwagen, was wohl gemeinhin bekannt sein dürfte, als auch Nutzfahrzeuge her. Unter den Begriff Nutzfahrzeuge fallen Lastkraftfahrzeuge (LKW) und Omnibusse (für den Linien- und Fernreiseverkehr).
Wirtschaftliche Fakten. - Mercedes-Benz produzierte 1993 mit 140.000 Einheiten soviel Lastwagen wie kein anderes Unternehmen in der Welt. In Westeuropa lag damit der Marktanteil bei über 30%, in Deutschland sogar bei über 50% (Mercedes-Benz, 1995a). Dieser hohe Marktanteil für Lastwagen ab 6t in Westeuropa ging jedoch bis Ende 1996 auf 22.6% zurück (Schüller, “Die Rheinpfalz”, 29. August 1996).
Die Verluste für das Jahr 1995 belaufen sich damit nach Helmut Werner, dem Vorstandsvorsitzenden der Mercedes-Benz AG, auf rund 1 Milliarde DM.
Die Gründe für den geringeren Marktanteil und den hohen Verlust sind verschieden. Mitverantwortlich sind nach Bläske (“Süddeutsche Zeitung”, 14./15. September 1996) die noch bevorstehende Modellvielfalt, die Optimierung der Strukturen in der Produktion, die Verwendung von mehr Gleichteilen und die Einsparung von Varianten. Damit könnte Bläske, angesichts einer Produktpalette, die momentan über 1 800 Baumuster und über 50 000 mögliche Sonderausstattungen aufweist (Mercedes-Benz, 1995a), richtig liegen. Ein weiterer Grund für die roten Zahlen liegt in den hohen Personalkosten. Horst Zimmer, stellvertretender Vorsitzender der Mercedes-Benz AG, stellt fest, daß die Personalkosten bei der Konkurrenz deutlich geringer seien (Eustachi, “Die Rheinpfalz”, 20.Juni 1996). Eine Arbeitsstunde im Werk Wörth koste durchschnittlich 60 DM, bei den schwedischen Konkurrenten Scania und Volvo im Jahre 1995 jedoch nur 31 DM. Bei Renault in Frankreich und Iveco in Italien sind die Kosten pro Arbeitsstunde sogar noch geringer. Nach Angaben Zimmers liegt die Arbeitsstunde bei Renault bei 29 DM, bei Iveco sogar nur bei 25 DM.
Um den Standort Wörth nicht zu gefährden, sollen die Produktionskosten gesenkt werden. Allein bei den Personalkosten sollen 80 Millionen DM eingespart werden, wobei ein Drittel davon durch Lohnreduzierung erreicht werden soll (Lismann, “Die Rheinpfalz”, 24. Juli 1996). Die anderen zwei Drittel teilen sich in 22 verschiedene Sparmaßnahmen auf, so z.B. Entfall des Erholzeitzuschlages oder Reduzierung des Krankenstandes um 2%. Dieses Sparpaket muß jedoch, bevor es in Kraft tritt, noch vom Betriebsrat der Mercedes-Benz AG genehmigt werden.
In Deutschland sind im gesamten Produktionsverbund-Nutzfahrzeuge Einsparungen bis zu 1 Milliarde DM geplant. Ab 1998 soll nach Planung des Vorstands der Mercedes-Benz AG dieser Bereich dann wieder schwarze Zahlen schreiben (Lismann, 1996).
Große Hoffnungen werden in den neuen LKW “Actros” gesetzt, der seit Oktober 1996 verkauft wird. Dieser schwere Lastwagen bringt einige Veränderungen gegenüber konventionellen LKW’s mit (z.B. neues Bremssystem, verlängertes Wartungsintervall etc.), wodurch die Wettbewerbschancen, so zumindest Fahrzeugchef Gottschalk, erhöht werden (Eustachi, “Die Rheinpfalz”, 06. Juli 1996).
Die Schilderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen soll dazu dienen, die aktuelle wirtschaftliche Situation im Werk Wörth wiederzuspiegeln, die sich natürlich auch auf das Betriebsklima niederschlägt (Angst vor Entlassungen, Angst vor finanziellen Einbußen usw.). In welchem Maß sich diese Bedingungen auf den Bereich der betrieblichen Sicherheit auswirken, ist jedoch schwer abzuschätzen und soll an dieser Stelle absichtlich offen bleiben.
Das Werk Wörth - 1963 wurde das Werk in Wörth gegründet. Es ist Mitglied eines Produktionsverbundes, welchem alle inländischen Werke der Mercedes-Benz AG angeschlossen sind ( Mercedes-Benz, 1995a). Im LKW-Bereich bildet es den Mittelpunkt, da in diesem Werk der Zusammenbau der Lastwagen stattfindet. Die benötigten Einzelteile werden aus den verschiedenen Werken geliefert, so z.B. die Motoren aus Mannheim, die Getriebe aus Gaggenau, die Lenkungen aus Düsseldorf usw.
In Wörth werden neben dem oben schon erwähnten “Actros” auch andere Lastwagen montiert. So findet die Endmontage der Pritschenwagen (mit nur 6t zulässigem Gesamtgewicht und 90 PS Fahrleistung) bis hin zu den großen Sattelzugmaschinen (mit 38t zul. Gesamtgewicht und über 500 PS) in Wörth statt.
Der Aufbau des Arbeitsschutzes innerhalb eines Betriebs ist durch Gesetze festgelegt. Ein Betrieb muß seine Arbeitssicherheitsorganisation entsprechend dieser Gesetze gestalten. Aus diesen gesetzlichen Grundlagen (v.a. Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Betriebsgenossenschaften und Arbeitssicherheitsgesetz) ergeben sich verschiedene Organe, die für die Arbeitssicherheit verantwortlich sind:
Unternehmens- bzw. Werkleitung,
Fachkräfte,
Betriebsrat,
Sicherheitsbeauftragte,
Arbeitsschutzausschuß,
Mitarbeiter.
Die Unternehmens- bzw. Werkleitung trägt die umfassendste Verantwortung für die Arbeitssicherheit im Unternehmen. Im Werk Wörth ist dies die Werkleitung, da der Vorstand der Mercedes-Benz AG seinen Sitz in Stuttgart hat.
Nach den Unfallverhütungsvorschriften der gewerblichen Berufsgenossenschaften VBG 1 § 2 muß der Unternehmer „zur Verhütung von Arbeitsunfällen Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen . . . treffen“. Weiterhin ist er nach § 13 VBG 1 verpflichtet, „die Verantwortungsbereiche der von ihm zu bestellenden Aufsichtspersonen abzugrenzen und dafür zu sorgen, daß sie ihren Pflichten . . . nachkommen“ (Schliephacke, 1992, S. 24).
Unter Fachkräften für Arbeitssicherheit sind Sicherheitsingenieure, Betriebsärzte und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu verstehen.
Aus § 8 Absatz 1 des Arbeitssicherheitsgesetzes (ASiG) wird deutlich, daß „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit . . . bei der Anwendung ihrer arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen Fachkunde weisungsfrei“ sind. Infolgedessen haben sie keine Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern. Sie sollen als Stabsstelle eines Betriebes jedoch in zuarbeitender, beratender und unterstützender Weise tätig sein (Schliephacke, 1992).
Die leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit untersteht direkt der Werkleitung. Dies geht aus § 8 Absatz 2 des ASiG hervor. Folglich ist die Abteilung des Arbeitsschutzes in Wörth direkt der Werkleitung unterstellt, wie es Abbildung 7 verdeutlicht. Die Anzahl der Fachkräfte regeln die Unfallverhütungsvorschriften VBG 122 §2 Absatz 1. Für das Werk Wörth ergeben sich somit bei ca. 9.200 Beschäftigten (Stand August 1996) sieben Fachkräfte, die für die Arbeitssicherheit zuständig sind.
Auch der Betriebsrat ist ein wichtiges Glied in der Kette für die Sicherheitsfragen des Betriebs. Aus § 9 Absatz 2 des ASiG geht hervor, daß „die Betriebsärzte und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit . . . den Betriebsrat über wichtige Angelegenheiten des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu unterrichten“ haben. Auch sind die Fachkräfte nach § 9 Absatz 1 des ASiG dazu verpflichtet, mit dem Betriebsrat zusammenzuarbeiten.
Die Zahl der Sicherheitsbeauftragten bestimmt sich nach VBG 1 § 9 Absatz 1. So sind pro 70 Beschäftigte je ein Sicherheitsbeauftragter erforderlich. Im Werk Wörth sind etwa 150 Sicherheitsbeauftragte bestellt.
Bei den Sicherheitsbeauftragten handelt es sich um die Mitarbeiter vor Ort, die somit als “Gleiche unter Gleichen” tätig sind. Sie sollen ihre Kollegen und Kolleginnen zum Tragen ihrer Schutzkleidung anhalten und auch sonst zu sicherheitsgerechtem Verhalten bewegen. Weiterhin sollen sie das Unternehmen und die Fachkräfte für Arbeitssicherheit bei der Durchführung des Arbeitsschutzes unterstützen ( Mercedes-Benz, 1996b).
Der Arbeitsschutzausschuß muß sich laut ASiG § 11 aus
- dem Arbeitgeber...