Nachdem in Kapitel 2 ein Überblick über die gesamte Erdgaswirtschaft gegeben wurde, liegt der Fokus in Kapitel 3 auf Erdgas aus alternativen Lagerstätten. In den USA wird bereits seit über 40 Jahren Erdgas aus unkonventionellen Quellen gefördert. Doch wird in Amerika erst seit der Möglichkeit, Erdgas kommerziell aus Schiefergesteinen zu produzieren, von einer „Revolution“ für den Erdgasmarkt gesprochen.
Schiefergasquellen sind seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Jedoch konnte Schiefergas (engl. Shale Gas) erstmals 2006 mittels einer Kombination von zwei bis dahin unabhängig voneinander verwendeten Förderverfahren ökonomisch-sinnvoll gewonnen werden. Seitdem hat in den USA ein Boom zur Erschließung von Shale Gasvorkommen eingesetzt, der bei den Amerikanern die Hoffnung weckte, dauerhaft von Importen unabhängig zu sein.[82]
Noch 2005 prognostizierte die IEA in ihrer jährlichen Studie, dass die USA bis 2010 ca. 70 Mrd. m³ Erdgas via LNG einführen müssten um die Nachfrage zu decken. Doch hat die zunehmende Erdgasförderung aus nicht-konventionellen Lagerstätten die Position der USA vollkommen verändert, sodass 2010 tatsächlich nur 12 Mrd. m³ verflüssigtes Erdgas importiert werden mussten. Vor allem die neuerschlossenen Shale Gas Felder sorgen, aufgrund der scheinbar hohen Förderraten und immer weiter sinkenden Förderkosten, für Optimismus.[83]
Shale Gas ist aber nur eine Form von unkonventionellen Erdgasen. Ebenso sind vor allem Kohleflözgas und Tight Gas zu nennen, die in den USA bereits 2005 für 30 % der Produktion verantwortlich waren. Darüber hinaus gibt es auch weitere momentan technisch noch nicht-förderbare Formen. Ein Überblick der verschiedenen nicht-konventionellen Erdgase sowie eine Abgrenzung zum konventionellen Erdgas folgt in Kapitel 3.1.
Die US-Erfahrungen schüren längst in anderen Regionen die Hoffnung auf neue Erdgasquellen, sodass mittlerweile fast jeder Kontinent hinsichtlich seines Potentials untersucht wurde bzw. wird. Das gilt in erster Linie für asiatische und einige europäischen Länder, die kaum über konventionelle Reserven verfügen und somit einer zunehmenden Importabhängigkeit ausgesetzt sind. Erste Studien kamen zu dem Ergebnis, dass unkonventionelle Erdgasreserven durchaus auch außerhalb der USA präsent sind. In Kapitel 3.2 werden die bisher weltweit erforschten Ressourcen und Reserven dargestellt. Dabei hat die EIA (Engery Information Administration) zwei Gruppierungen identifiziert, für die die Erschließung aufgrund ihrer Potentiale möglich und sehr attraktiv ist. Einerseits sind das Länder, die derzeit sehr abhängig sind von Erdgasimporten, wie Polen, Türkei, Ukraine, Deutschland, Marokko oder Chile, andererseits Staaten, die bereits über eine ausgebaute Produktions- und Exportinfrastruktur verfügen, wie die USA, Kanada, China, Australien, sowie Libyen und Algerien.[84]
In Kapitel 3.3 werden die wirtschaftlichen, aber auch andere Erfolgsfaktoren genannt, die die Entwicklung in den USA ermöglichten.
Abschließend werden in Kapitel 3.4 die Umweltprobleme die mit der Förderung auftreten können sowie Probleme die die Förderung in anderen Staaten erschweren könnten aufgezeigt.
Unkonventionelles Gas weist die gleiche chemische Zusammensetzung wie konventionelles Erdgas auf. Die Bezeichnung „unkonventionell“ bezieht sich lediglich auf die Charakteristik der Lagerstätten und die damit verbunden Fördermethoden. Jedoch ist der Gasgehalt pro Gesteinsvolumen im Vergleich zu konventionellen Feldern sehr klein. Zudem sind die Vorkommen oft über zehntausende Kilometer verstreut.[85]
Inzwischen gibt es viele Formen von Erdgas, die aufgrund ihrer Fördermethode als unkonventionell bezeichnet werden. Diese können auch in wirtschaftlich sinnvoll und nicht-sinnvoll unterschieden werden, wobei die Kategorisierung sich aufgrund veränderter Marktsituationen oder neuer Technologien dynamisch verschieben kann.
Die in Kapitel 5 folgende Analyse bezüglich der Auswirkungen auf die Erdgasmärkte beinhaltet lediglich die Vorkommen, die bereits oder in naher Zukunft kommerziell förderbar erscheinen. Dazu zählen Erdgase aus dichten Gesteinen (Shale und Tight Gas) und Kohleflözgas.
Ökonomisch momentan nicht-nutzbare Gasressourcen sind z.B. Tiefen-Gas, worunter Erdgasvorräte verstanden werden, die in großer Tiefe vorkommen (über 4,5 km unter der Erde), Methanhydrat (Eisenähnliche Verbindung in Meeres- oder Permafrostboden) oder Aquifergas (Im Grundwasser gelöstes Erdgas), deren Potentiale aber weniger erforscht sind und auf die im Folgenden nicht weiter eingegangen wird.[86]
Erdgas aus dichtem Gestein wird in Shale Gas (Schiefergas) und Tight Gas unterschieden. Bei Shale Gas handelt es sich um Erdgas aus dichtem Tongestein, in der Regel Schiefergestein, das vor bis zu 550 Millionen Jahren in Gesteinsschichten aus Überresten winziger Organismen bei hohen Temperaturen und hohem Druck tief unter der Erde entstand. Die Vorkommen bilden sich, wenn in einem mehr als 30 Meter mächtigen, feinkörnigen Sediment mit hohen Gehalten an organischem Kohlenstoff die Gasbildung fortgeschritten ist und dieses Sediment gleichzeitig als Speichermatrix und als Migrationsbarriere wirkt.[87]
Tight Gas ist die Bezeichnung für Erdgas, das von einer undurchlässigen, nicht porösen Sand- oder Kalksteinformation in einem Hohlraum eingeschlossen ist. Tight Gas wird bereits seit 40 Jahren in den Vereinigten Staaten gefördert. Daher findet nicht in allen Publikationen eine strikte Abgrenzung zum konventionellen Erdgas statt.
Die Tiefen von Shale Gas und Tight Gas Schichten variieren sehr stark. In den bisher erschlossenen Lagerstätten wurden Vorkommen zwischen 200 m und 4500 m Tiefe entdeckt. Die Größe und Qualität der Reservoirs ist dabei sehr variabel.[88]
Die Abgrenzung zu konventionellen Lagerstätten erfolgt über die Durchlässigkeit (Permeabilität) und die Art des Speichergesteins. Der größte Unterschied liegt dabei in der Permeabilität. Umso größer diese ist und je poröser damit das Gestein ist, desto leichter kann Erdgas aus der Lagerstätte fließen und somit mit geringerem Aufwand gefördert werden. Konventionelle Vorkommen sind in gut durchlässigen Gesteinen enthalten und können somit ohne spezielle Bohrtechniken erschlossen werden. International wird als Obergrenze eine durchschnittliche Permeabilität von 0,1 milliDarcy (mD)[89] zu Grunde gelegt.[90]
Die Erdgasgewinnung aus dichten Lagerstätten ist aufgrund der geringen Porosität und Permeabilität sehr anspruchsvoll. Um nicht-konventionelles Erdgas ökonomisch-sinnvoll entnehmen zu können, muss die Durchlässigkeit künstlich erhöht werden. Die Gesteinsformationen müssen aufgebrochen werden, um Kanäle und Verbindungen zu erzeugen, die das Erdgas aus den Poren entweichen lassen und der Förderleitung zuführen um somit die Produktionsrate erhöhen zu können.[91]
Erst mit der technisch sehr anspruchsvollen horizontalen Bohrtechnik in Kombination mit dem hydraulischen Aufbrechen bzw. Fracken wurde der Gasschiefer zu einer im großen Maßstab nutzbaren Ressource. Dabei wird zunächst die gasführende Schicht durch Bohrungen flächendeckend aufgebrochen. Dafür werden im Abstand von einigen hundert Metern vertikale Bohrungen durchgeführt, die in den gasführenden Schichten horizontal abgelenkt werden, sobald der Bohrkopf die Zielgesteinsschicht erreicht hat. An dieser Stelle enden konventionelle Bohrvorgänge normalerweise.[92]
Anschließend wird der horizontale Abschnitt der Bohrung perforiert. Horizontal können sich die Gesteinsschichten kilometerweit erstrecken. Von einer vertikalen Bohrung gehen bis zu sechs horizontale Ablenkungen (bis zu 600 m) aus, um die Gasschicht in jede Richtung erreichen zu können. In einer der ersten Shale Gas-lagerstätten, dem Barnett Shale in Texas (USA), wird im Durchschnitt pro Bohrung eine Fläche von 160.000 m² erreicht.[93]
Nach Abschluss der Bohrarbeiten folgt das sogenannte hydraulische Fracken: Zunächst wird das Gestein mit künstlich erzeugten Rissen versehen. Zusätzlich werden Flüssigkeiten unter hohem Druck in die Ton- oder Sandgesteine gepresst, wodurch diese aufbrechen und sich die Risse im Gestein ausbreiten. Die Flüssigkeit besteht üblicherweise zu etwa 98 - 99,5 % aus Wasser und Sand, sowie bis zu 2 % aus chemischen Zusatzstoffen (z.B. Salzsäure). Die konkrete Zusammensetzung des Gemisches ist jedoch von den jeweiligen Eigenschaften der Lagerstätte abhängig. Die Chemikalien sorgen dafür, dass sich der Quarzsand mit dem Wasser vermischt, weniger Reibung entsteht, keine Bakterien in die Lagerstätte gelangen und verhindern, dass sich die erzeugten Fließkanäle bei nachlassendem Druck wieder schließen. In der Erschießungsphase des Barnett...