3. Methoden der Verbraucherinformation
Ziel dieses Teils ist eine Darstellung von verbraucherpolitischen Techniken zur Informationsvermittlung. Zuerst soll in Kapitel 3.1. dazu auf Grundlagen der Verbraucherpolitik eingegangen werden. In Teil 3.1.1. sollen dazu nach einer genaueren Definition des Leitbildbegriffs drei verschiedenen Varianten genauer beschrieben werden. Dann soll in Teil 3.1.2. eine Übersicht zu verschiedenen Konzeptionen gegeben werden. Dabei soll der jeweilige Stellenwert des Instrumentes Verbraucherinformation herausgestellt werden. Anschließend sollen in Kapitel 3.2. Strategien der Informationsvermittlung dargestellt und analysiert werden. Nach in Teil 3.2.1. verschiedene Instrumente der Verbraucherinformation dargestellt wurden, sollen in Teil 3.2.2. zwei verschiedene Strategien zur Informationsvermittlung gegenübergestellt werden.
3.1. Verbraucherpolitische Konzeptionen und Leitbilder
Verbraucherpolitische Konzeptionen bilden den Ausgangspunkt für Strategien und Programme der Informationsvermittlung. Daher soll diesem Teil zuerst grundlegend auf Verbraucherleitbilder und anschließend darauf aufbauend verschiedene verbraucherpolitische Konzeptionen genauer betrachtet werden.
3.1.1. Verbraucherleitbilder
Ein Leitbild kann verschiedenen Funktionen übernehmen. So kann es als Ordnungsleitbild angestrebte Wirtschaftsordnungen beschreiben oder als Menschenleitbild das Verhalten von Wirtschaftssubjekten darstellen[186]. In dieser Funktion wiederum kann es deskriptiv erklären, wie sich der Konsument tatsächlich verhält oder normativ wie er sich verhalten sollte[187]. In beiden Fällen bildet ein Verbraucherleitbild dann die Grundlage einer darauf aufbauenden Konzeption.
Hier soll auf drei verschiedene Leitbilder genauer eingegangen werden: der Konsumentensouveränität, der Konsumfreiheit und der Produzentensouveränität. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick zu diesen Leitbildern in Bezug auf die durch sie vertretene Position von Anbieter und Verbraucher:
Abb. 5: Positionierung von Verbraucherleitbildern[188]
Konsumentensouveränität
Das Bild der Konsumentensouveränität geht zurück auf Adam Smith[189] und ist seitdem immer wieder aufgegriffen worden[190]. Grundaussage ist, dass der Verbraucher durch sein Nachfrageverhalten die Güterproduktion steuert, um so seine Bedürfnisse optimal zu befriedigen. Als deskriptives Leitbild wird es oft mit dem Menschenleitbild des homo oeconomicus und dem Ordnungsleitbild der vollkommenen Konkurrenz verknüpft[191]. In diesem Zusammenhang wurde die Konsumentensouveränität oft kritisiert und gilt allgemein als empirisch nicht haltbar[192]. Die von Hutt[193] vorgeschlagene normative Verwendung orientiert sich hingegen eher an der Realität. Zwar richtet sich auch hier die Produktion an den Wünschen des Konsumenten aus, doch wird diesem dabei keine Rationalität unterstellt. Im Gegenteil sah Hutt schon in den 30er Jahren das Problem der Beeinflussbarkeit des Verbrauchers etwa durch Werbung und die beschränkten kognitiven Fähigkeiten des Einzelnen. Doch könne der einzelne Verbraucher seine eigenen Präferenzen durch persönliche Erfahrungen immer noch besser beurteilen als dies z.B. von Regierungsseite möglich sei. Weiterhin äußert sich die Souveränität der Verbraucher auch nicht in der Meinung des Einzelnen, sondern nur wenn die Mehrheit ein Produkt ablehnt wird der Produzent zu einer Änderung seiner Angebote gezwungen sein. Durch Verzicht auf das Wettbewerbsmodell der vollkommenen Konkurrenz und des homo oeconomicus ist das Leitbild unter dieser normativen Verwendung durchaus anwendbar[194].
Konsumfreiheit
Gleichrangigkeit von Anbieter und Nachfrager ist das normative Ziel bzw. die deskriptive Aussage dieses Leitbildes[195]. Der Konsument ist in der Lage, freiwillige Entscheidungen zu treffen und so seine Präferenzen zu äußern[196]. Der Produzent kann auf diese reagieren und versuchen, sie durch sein Marketinginstrumentarium zu beeinflussen. Dabei verfolgt er eigene Ziele wie z.B. Gewinnmaximierung[197]. Begrenzt wird der Aktionsraum des Konsumenten durch innere und äußere Beschränkungen. Innere Beschränkungen entstehen durch die limitierten Fähigkeiten des Konsumenten, seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen sowie Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten[198]. Äußere Beschränkungen entstehen durch die Wirtschaftsordnung selbst und den Versuch der Anbieter, durch Marktforschung Verbraucherpräferenzen vorherzusehen, sowie ihr Bemühen, diese ex-ante selbst zu aktivieren bzw. zu gestalten[199]. Das Leitbild der Konsumfreiheit erfreut sich bis heute großer Beliebtheit[200], doch besitzt es nur geringe Operationalität[201].
Produzentensouveränität
Nach der der Aussage dieses Leitbildes erzeugen und formen die Produzenten die Bedürfnisse der Konsumenten um so einen Absatzmarkt für ihre Produkte zu schaffen. Gemeinsam mit anderen einflussreichen Akteuren der Gesellschaft, wie Journalisten und Politikern, nutzen große Firmen dazu, neben ihrem eigenen Marketinginstrumentarium, einen Großteil der medialen Kommunikation. Dem Verbraucher bleibt nur die reine Reaktion auf das Angebot der Produzenten[202], da die Möglichkeiten des Einzelnen zu gering sind, um gegen die konzentrierte Macht der Produzenten zu bestehen. Diese extreme Ungleichverteilung von Macht ist ein Hauptmerkmal dieses Leitbildes[203]. Das Leitbild der Produzentensouveränität bekam von Anfang an wenig Zuspruch[204]. Kritiker führen vor allem die hohe Floprate bei der Einführung neuer Produkte als Gegenargument an[205]. Weiterhin wird die Einseitigkeit der Perspektive bemängelt[206] und die augenscheinliche Unkenntnis der Befürworter diese Leitbildes darüber, wie Wirtschaftswerbung tatsächlich geplant und durchgeführt wird[207].
3.1.2. Verbraucherpolitische Konzeptionen
Aufbauend auf einem Leitbild soll eine Konzeption einen Orientierungsrahmen bieten, um ein Programm für die Umsetzung der gewünschten Ziele zu erstellen. Der Begriff Konzeption ist dabei nicht einheitlich definiert, bezeichnet aber im Allgemeinen ein längerfristiges, möglichst geschlossenes Zielsystem, in dem Grundsätze und Methoden festgelegt werden[208]. Eine verbraucherpolitische Konzeption gliedert sich dazu in die Bereiche Situationsanalyse, Festlegung von Zielen und Methoden sowie ordnungspolitische Prinzipien[209]. In diesem Teil soll ein Überblick zu Grundaussagen und Zielen der gängigsten Konzeptionen gegeben werden. Der Stellenwert der Informationsvermittlung und das zugrunde liegende Leitbild sollen dabei besondere Beachtung erfahren.
Die Einteilung der Konzeptionen erfolgt dabei zum einen nach ihrer zeitlichen Entstehung, da die Ansätze meist aufeinander aufbauen[210]. Um eine noch genauere Abgrenzung zu erreichen, soll weiterhin eine Klassifizierung nach der in der Konzeption vertretenen Ansicht zur verbraucherpolitischen Intervention erfolgen[211]. Diese Art der Einteilung führt dann zu 4 Hauptkategorien von Konzeptionen: „Wettbewerbspolitik als einzige Verbraucherpolitik“, „Verbraucherpolitik als notwendige Ergänzung der Wettbewerbspolitik“, „Interventionistische Konzeptionen“ sowie „Interventionskritische Konzeptionen“. Es finden sich außerdem noch weitere Ansätze von verbraucherpolitischer Bedeutung, welche sich nicht in die 4 Hauptkategorien einordnen lassen. Diese sollen in einer abschließend als „Weitere verbraucherpolitisch relevante Ansätze“ vorgestellt werden[212].
Wettbewerbspolitik als einzige Verbraucherpolitik
Diese Konzeption basiert auf dem deskriptiven Leitbild der Konsumentensouveränität[213], und wurde von Vertretern des Ordoliberalismus Ende der 40er und Anfang der 50er Jahren zur ersten verbraucherpolitische Konzeption weiterentwickelt[214]. Grundgedanke dieser Konzeption ist es, das jeder staatliche Eingriff, aber auch die Marktteilnehmer selbst das Gleichgewicht des Marktes gefährden[215]. Einzig notwendige Verbraucherpolitik ist demnach die Wettbewerbspolitik und staatliche Intervention ist nur zur Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen zulässig[216]. Oberziel dieser Konzeption ist folglich ein funktionierender Wettbewerb. Verbraucherinformation spielt hier keine Rolle, der souveräne Konsument verfügt bereits über alle für seine Entscheidungen notwendigen Informationen. Gerade diese Verhaftung am Wettbewerbsmodell von vollkommener Konkurrenz und am homo oeconomicus ist auch einer der Hauptkritikpunkte dieser Konzeption[217].
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