Wie Körper und Geist auf Stress reagieren
Jeder von uns hat ein ganz persönliches Stressempfinden. Was den einen nervt, lässt den anderen gelassen bleiben. Generell nehmen jedoch die Herausforderungen zu, die uns unter Stress setzen können: Wir leben in einer Zeit, in der Wettbewerbs-, Zeit- und Leistungsdruck herrschen. Viele haben finanzielle Sorgen, Angst vor der Zukunft und vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Die Digitalisierung bringt Beschleunigung, Informationsflut und Technikstress mit sich sowie ständige Veränderungen in unserer Arbeitswelt. Hinzu kommen Beziehungs- und familiäre Probleme, Mehrfachbelastungen, hohe private Ansprüche und Werte- und Rollenkonflikte.
Stress ist in unserer heutigen Lebens- und Arbeitswelt und in unserem Sprachgebrauch allgegenwärtig, ja beinahe „normal“ geworden. Das hat zur Folge, dass wir ihn, während wir arbeiten, häufig gar nicht mehr wahrnehmen oder dass wir nicht die Notwendigkeit sehen, ihn dann abzubauen, wenn er da ist. Oft am Limit, vergessen wir, auf die Warnsignale des Körpers zu achten. Je stärker das persönliche Stressaufkommen und -empfinden ist, desto mehr vernachlässigen wir eigene Bedürfnisse, wie beispielsweise Hunger, Durst, und unsere Emotionen. Das liegt daran, dass unsere Wahrnehmung im Stress intensiv nach außen gerichtet ist.
Wichtig
Menschen verlieren gerade dann ihre Gesundheit aus dem Blick, wenn sie am meisten darauf achten sollten, nämlich in Stress- und Spitzenzeiten.
Stress aktiviert unseren Körper und versetzt ihn in die Lage, eine herausfordernde Situation zu bewältigen. Ohne dieses genetische Grundprogramm gäbe es uns nicht, denn genau dieses hat unseren Vorfahren das Leben gesichert, als sie noch vor wilden Tieren flüchteten oder mit Feinden kämpften. Die Stressreaktion ist also prinzipiell eine sinnvolle Antwort des Körpers auf äußere und innere Anforderungen.
Jeder geht mit Stress anders um. Wie stark Menschen auf äußere Reize reagieren, wie lange die Aktivierung andauert und wie gut sie sich danach erholen können, hängt von vielen Faktoren ab, unter anderem von
der physischen und mentalen Konstitution,
der Belastbarkeit,
der persönlichen Einstellung,
der Bewertung des Stressauslösers,
den vorhandenen Ressourcen.
Keine ruhige Minute …
Im Idealfall wechseln sich Anspannung und Entspannung ab: Eine Aufgabe ist zu meistern, wir aktivieren uns, erledigen den Job und erholen uns danach wieder, um dann die nächste Aufgabe zu beginnen. Das führt im Tagesverlauf zu einer konstanten Wellenbewegung von Anspannung und Entspannung.
Stressniveau im Tagesverlauf
In unserer Lebens- und Arbeitswelt kommt es jedoch häufig zu einem Aufschaukeln der Anspannung und somit zu einem Treppeneffekt: Bevor noch die erste Aufgabe erledigt werden kann, wird sie bereits von der nächsten überlagert, eine weitere folgt auf den Fuß. Die Phasen der Entspannung bleiben aus, weil keine Pause möglich ist oder wir auf sie verzichten. Körper und Geist werden so laufend aktiviert und auf eine nächsthöhere Anspannungsstufe gebracht.
Beispiel
Bereits der Morgen zu Hause war für Karin stressig. Keine Zeit für Frühstück, da sie viel zu spät dran war. Die Kinder haben herumgetrödelt und sie hatte alle Hände voll zu tun, dass sie rechtzeitig den Bus erreichten. Dann auch noch ein Verkehrsstau; es geht schleppend voran. Sie verliert wertvolle Zeit auf der Straße. Karin wird immer ungeduldiger und angespannter. Als sie ins Büro kommt, ist sie schon auf 180. Ein Termin jagt den nächsten. Zum Runterkommen und für Pausen ist keine Zeit; zu viel ist zu tun. Was für ein Tag! Wieder zu Hause steht noch Putzen und Kochen an. Danach fällt sie hundemüde ins Bett. Einschlafen kann sie aber noch lange nicht. Ihre Gedanken kreisen um die Probleme, wirbeln durcheinander. Sie wälzt sich unruhig im Bett hin und her und findet einfach nicht in den Schlaf, den sie so dringend braucht.
Um das Aufschaukeln zu verhindern, sollten Sie rechtzeitig kleine Erholungspausen in Ihren Alltag einbauen. Wie wohltuend solche Pausen auf unseren Organismus wirken und wie Sie sie am besten gestalten, erfahren Sie im Kapitel „Gut fürs Gehirn: Entspannung“.
Stresssignale rechtzeitig erkennen
Stress wirkt sich auf den gesamten Organismus aus, das heißt, er beeinflusst alle körperlichen und psychischen Vorgänge sowie unser Verhalten. Jede Veränderung unseres körperlichen Zustandes wird von einer entsprechenden bewussten oder unbewussten Veränderung des geistig-emotionalen Zustandes begleitet. Umgekehrt ist es genauso. Körper und Geist reagieren sowohl bei Anspannung als auch bei Entspannung in bestimmter Weise. Die Reaktionsmuster sind bei jedem Menschen anders. Wir reagieren bei Stress unterschiedlich stark auf den Ebenen der Befindlichkeiten.
Je besser Sie bereits erste Stresssignale bewusst registrieren, desto früher können Sie dem Stress entgegenlenken. Solche Signale können Sie auf folgenden Ebenen wahrnehmen.
Die kognitive Ebene
Stress beeinträchtigt geistige Vorgänge, so beispielsweise Denk- und Wahrnehmungsprozesse. Stehen wir unter Stress, ist unsere Wahrnehmung auf die Reize, die für die Stress auslösende Situation wichtig sind, eingeengt. Ursache hierfür sind die unter anderem mit der Aktivierung und Anspannung steigenden Gehirnwellenfrequenzen (siehe hierzu näher das Kapitel „Urlaubsfeeling mit Alpha-Wellen“).
Stresssignale auf kognitiver Ebene – Beispiele |
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- Sprunghafte oder rasende Gedanken
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- Gedankenblockaden bis hin zum Blackout
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- Negative Selbstgespräche und gedankliche Bewertungen („Das geht sicher schief!“, „Das schaffe ich nicht.“)
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Die emotionale Ebene
Stehen wir unter Anspannung, hat dies auch Auswirkungen auf unsere Emotionen. Unser Körper bereitet sich – resultierend aus dem genetischen Grundprogramm – auf Flucht oder Kampf vor, was begleitet wird durch die entsprechenden Gefühle.
Stresssignale auf emotionaler Ebene – Beispiele |
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- Frust, Unlust, Demotivation
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- Aggressionen, Wut, Gereiztheit
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- Versagens- und Rückzugsgefühle
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Die vegetativ-hormonelle Ebene
Auch unser vegetatives Nervensystem und die daran angeschlossenen Organe, die wir nicht willentlich kontrollieren können, reagieren. Geraten wir in Stress, wird der Sympathikus, ein Teil unseres autonomen Nervensystems, erregt und schüttet Stresshormone aus.
Stresssignale auf vegetativ-hormoneller Ebene – Beispiele |
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- Die Atemfrequenz beschleunigt sich
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- Herz und Kreislauf arbeiten stärker
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- Flaues Übelkeitsgefühl im Magen
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- Hervortreten und Pulsieren der Adern
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