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Väter sind die besten Mütter

Der umfassende Ratgeber für werdende, wißbegierige und glückliche Väter

AutorFitzhugh Dodson
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl280 Seiten
ISBN9783105615997
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Hier ist der ideale Ratgeber für Väter und Kinder in allen Lebenslagen: für Väter, die mit ihren Frauen gemeinsam erziehen wollen; für geschiedene und verwitwete Väter; für Väter, die ihre wichtige Rolle nicht einfach auf die Mütter abschieben. Der bekannte Psychologe und Pädagoge Dodson, selbst Vater, zeigt hier in lebendiger, anschaulicher Form, wie sich die Beziehung von Vater zu Kind in allen Altersstufen, von der Geburt bis zur Volljährigkeit normal entwickeln sollte. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Dr. Fitzhugh Dodson (1924-1993) war ein US-amerikanischer Psychologe, der sich insbesondere mit dem Thema Erziehung beschäftigt hat.

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Leseprobe

6. Festigung des Geschlechtsbewußtseins: Junge oder Mädchen


Bis zum Alter von drei Jahren ist das Geschlechtsbewußtsein bei Knaben und Mädchen nur schwach entwickelt. Beide Geschlechter lieben die gleiche Art von Spielzeugen. Ein- bis zweijährige Jungen und ein- bis zweijährige Mädchen interessieren sich gleichermaßen für Zugspielzeuge, Wuscheltiere, Bauklötze, Sand- und Wasserspiele. Natürlich gibt es schon in diesen ersten Lebensjahren Verhaltensunterschiede zwischen Jungen und Mädchen, doch sind sie bei weitem nicht so ausgeprägt wie später. Jungen sind im allgemeinen etwas aggressiver und körperlich aktiver; Mädchen entwickeln sich in vielen Bereichen, etwa im Sprachlichen, oft rascher als Jungen. Doch gesamthaft gesehen macht sich eine klare Geschlechtertrennung erst mit dem Eintritt ins Vorschulstadium bemerkbar. Zu diesem Zeitpunkt beginnen Jungen und Mädchen die Welt durch verschiedene psychologische Brillen zu sehen und sich infolgedessen auch unterschiedlich zu verhalten.

Die emotionalen und psychischen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen und später zwischen Männern und Frauen sind aller Wahrscheinlichkeit nach sowohl durch angeborene biologische Faktoren als auch durch die unterschiedliche Erziehung von Jungen und Mädchen bedingt, wobei sich die Fachleute darüber streiten, was dem Biologischen und was dem Anerzogenen zuzurechnen sei.

Worauf es jedoch für Sie als Vater ankommt, ist, dafür zu sorgen, daß Ihr Kind während seiner Vorschuljahre ein klares und stabiles Geschlechtsbewußtsein entwickelt, denn dieses ist ein wichtiger Teil seines Selbstverständnisses und gehört zu den Voraussetzungen seiner geistigen Gesundheit.

Denken Sie daran, daß sich in frühester Kindheit sowohl Jungen als auch Mädchen mit ihrer Mutter identifizieren und daß sie die wichtigste Person im Leben eines Kleinkindes ist. Kleine Jungen wie kleine Mädchen wollen ihre Mutter nachahmen. Es ist für einen dreijährigen Jungen durchaus normal, zu seiner Mutter zu sagen: «Wenn ich erwachsen bin, will ich eine Mutti sein, grad wie du!» Und es ist keineswegs ungewöhnlich, wenn ein kleiner Junge nicht nur die Schuhe seines Vaters, sondern auch jene seiner Mutter anziehen oder deren Lippenstift oder Parfüm benutzen will. Sie brauchen sich darob keineswegs zu beunruhigen oder gar zu fürchten, Ihr Sohn sei ein Weichling oder habe homosexuelle Veranlagungen.

Ein derartiges Verhalten ist für die frühe Kindheit typisch. Im Alter von drei bis sechs Jahren jedoch beginnen Knaben und Mädchen in ihrer psychischen Entwicklung verschiedene Wege zu gehen. Während Mädchen weiterhin die Mutter nachahmen, imitieren Knaben nun vermehrt den Vater, was ihnen aber natürlich nur dann möglich ist, wenn ihnen dieser durch seine Anwesenheit auch Gelegenheit dazu gibt. In dieser Hinsicht bin ich der Meinung, daß es in unserer gegenwärtigen Gesellschaft für Mädchen viel leichter ist, ein starkes Geschlechtsbewußtsein zu entwickeln als für Knaben.

Vor hundert Jahren war das anders. Damals lebten wir in einer ländlichen oder kleinstädtischen Gesellschaft, wo kleine Jungen sehr viel mit ihren Vätern zusammen waren, sie dabei unbewußt nachahmen und damit ihr Geschlechtsbewußtsein stärken konnten. Der Bauernjunge begleitete seinen Vater aufs Feld und half ihm bei der Arbeit. Der Sohn eines kleinstädtischen Kaufmanns sah den Vater wenigstens über die Mittagszeit. Heute aber sind viele Väter vom frühen Morgen bis zum späten Abend weg, so daß ein kleiner Junge sein «Modell» höchstens an Wochenenden für längere Zeit zu Gesicht bekommt. Noch schlimmer ist es meist bei Scheidungen.

Vor hundert Jahren gab es auch viel weniger weibliche Lehrkräfte. Heute ist es durchaus möglich, daß ein Knabe erst in der fünften oder sechsten Klasse von einem Lehrer unterrichtet wird. All das bedeutet, daß Jungen wenig Gelegenheit zur Nachahmung männlicher Vorbilder und mithin zur Stärkung ihres Geschlechtsbewußtseins haben.

In Anbetracht dessen sollte man eigentlich meinen, daß Väter heute besondere Anstrengungen unternehmen, um sich sooft wie möglich mit ihren Söhnen abzugeben. Doch ist das leider selten der Fall. Viele Väter werden von ihrer Arbeit so sehr beansprucht oder vom Drang nach Erfolg getrieben, daß sie wenig Zeit für ihre kleinen Kinder finden. Ein Vater wurde sich dessen erst bewußt, als ihn sein fünfjähriger Sohn regelrecht um eine Verabredung bat!

Gewöhnlich suchen Väter ihre zur Obsession gewordene Arbeitswut dadurch zu rechtfertigen, daß sie damit ja den Wohlstand der Familie sicherten. Sie sagen sich, wenn die Kinder größer seien, würden sie schon mehr Zeit für sie finden, was sich aber meistens als Trugschluß erweist. Die Vorschuljahre sind ein überaus wichtiger Abschnitt in der kindlichen Entwicklung. Gerade hier hat das Kind und besonders ein Junge seinen Vater als Vorbild am meisten nötig. Die Nachahmung des Vaters ist ein sehr subtiler, unbewußter Vorgang. Der kleine Junge wacht nicht eines Morgens auf und sagt sich: «Heute will ich mal meinen Vater beobachten, wie er die Familie zum Strand fährt, und ihn dann nachahmen!»

Wenn Väter aber oft mit ihren Kindern zusammen sind, werden diese sie ganz ohne ihr Zutun nachahmen. Am besten helfen Sie Ihrem Vorschulsohn bei der Stärkung seines Geschlechtsbewußtseins, wenn Sie mit ihm zusammen etwas unternehmen, das Ihnen beiden Spaß macht. Väter sollten sich daran gewöhnen, ihre Vorschulkinder mitzunehmen, wenn sie irgendeine Besorgung machen. Für den Vater mag der Besuch eines Eisenwarengeschäfts, eines Lebensmittelladens, einer Autowerkstätte oder einer Buchhandlung nichts Besonderes sein, für ein Vorschulkind aber ist es ein richtiggehendes Abenteuer! Wenn Sie also eine Besorgung ohnehin machen müssen – warum nicht Ihren Sohn mitnehmen?

Sie können Ihren Vorschuljungen an Wochenenden aber auch zu Besichtigungen mitnehmen, die nicht nur erzieherischen Wert haben, sondern auch dazu beitragen werden, ein inniges Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Sohn herzustellen. So besuchte ich mit meinen eigenen Vorschulkindern eine Feuerwache, einen Polizeiposten, eine Zeitungsredaktion, eine Schweißwerkstätte, eine Buchhandlung, eine Bank, einen Gemüsemarkt, einen Flughafen, eine Schuhreparaturwerkstatt, eine Autogarage, eine Gießerei, eine Keksfabrik und ein Postamt. Gewöhnlich freuen sich die Leute, einem Kind die verschiedenen Einrichtungen zu zeigen, obwohl sie nicht immer in der Lage sind, sie ihm in einer Sprache zu erklären, die es versteht. Ich begann bald, an solchen Entdeckungsfahrten selbst Gefallen zu finden, denn gewöhnlich hat man als Erwachsener wenig Gelegenheit, Dinge dieser Art zu tun. Anfänglich werden Sie sich vielleicht scheuen, irgendwohin zu gehen und zu sagen: «Hätten Sie wohl etwas dagegen, wenn wir uns bei Ihnen ein bißchen umsähen?» Doch Ihr Kind öffnet Ihnen die Tür zu manchem unerwarteten Abenteuer im Umkreis einer halben Autostunde. Genauso bezeichnete ich meinen Kindern gegenüber auch solche Ausflüge als «Abenteuer».

Es gibt viele Möglichkeiten, die Erlebnisse solcher gemeinsamer Fahrten auszuwerten. Sie können das Kind ermutigen, sie zeichnerisch darzustellen oder darüber Geschichten zu erfinden. Sie können mit ihm sogar ein «Buch» darüber schreiben. Sie gehen dabei wie folgt vor.

Nach der Rückkehr von der Fahrt sagen Sie zu Ihrem Kind: «Eigentlich könnten wir doch über unseren Besuch auf der Feuerwache von heute vormittag ein Buch schreiben. Das ist nämlich ganz einfach. Der eine erzählt und der andere schreibt es auf. Wir machen das so: Du erzählst, und ich schreibe. Das gibt dann ein Buch. Also, was willst du über den Besuch auf der Feuerwache sagen?»

«Vati und ich waren heute bei der Feuerwache.»

«Gut, das gibt die erste Seite unseres Buches.»

Schreiben Sie diesen Satz nun in Druckbuchstaben auf die erste Seite. Lassen Sie dabei Raum für eine Zeichnung oder für eine Fotografie eines Löschwagens oder einer Feuerwehrmannschaft. Dann fragen Sie: «Was willst du als nächstes erzählen?»

«Wir sahen einen Feuerwehrmann. Der ließ mich auf den Löschwagen klettern.»

Schreiben Sie das auf die nächste Seite. Auf jeder Seite sollte nur ein Satz stehen. Korrigieren oder ändern Sie die Sätze nicht, sondern schreiben Sie sie so nieder, wie sie das Kind sagt, denn es ist sein Buch, nicht Ihres. Setzen Sie das Spiel so lange fort, wie das Kind Lust zum Diktieren hat. Wenn Sie bemerken, daß sein Interesse nachläßt, so lassen Sie sich etwas einfallen, um das Buch in geeigneter Weise abzuschließen. Verwenden Sie wie in einem richtigen Buch große und kleine Buchstaben, selbst wenn sie Ihr Sohn jetzt noch nicht lesen kann.

Lassen Sie Ihr Kind zum Schluß einen Titel für das Buch erfinden, den Sie dann auf das Deckblatt schreiben, versehen mit dem Zusatz «von Cornelia Wagner», denn Verfasser ist ja Ihr Kind. Machen Sie am Besichtigungsort einige Aufnahmen und kleben Sie die Bilder in das Buch ein. Eines davon kann als Titelbild dienen, die anderen als Illustrationen zu den verschiedenen Sätzen.

Wenn das Buch fertig ist, lesen Sie es Ihrem Kind vor. Vielleicht wird es Sie später auffordern, ihm das Buch nochmals vorzulesen, denn als etwas, das Sie zusammen gemacht haben, bedeutet es ihm sehr viel.

Wenn Sie Zugang zu einem Xerox-Apparat oder einem anderen Vervielfältigungsgerät haben, so können Sie das Spiel um eine Dimension erweitern: Ihr Kind wird mit Begeisterung entdecken, daß es sein eigenes Buch vervielfältigen kann. Es ist nun in der Lage, eine Kopie davon den Großeltern zu schenken oder in den Kindergarten mitzunehmen, wo es sie den anderen zeigen kann. Das Lob, das es für sein Buch erntet, motiviert es zur Fortsetzung seiner...

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