Bemerkenswert ist, dass HEINE[55] seine „Verbandsverantwortlichkeit“-Gedanken an Fragen eines (zT fehlenden, defizienten) Umweltschutzes[56] knüpft, wobei er seine Untersuchung einer „Verbandsverantwortlichkeit“ nicht zuletzt iZm dem (deutschen[57]) „Umwelt[58]-Strafrecht[59]“ aufzäumt. HEINE folgt damit dem Argumentationspfad, wie ihn zB auch KUHLEN[60] einschlägt: „Verhaltensweisen, die Tatbestände des Umweltstrafrechts erfüllen, erfolgen zu einem erheblichen Teil im Rahmen von Betrieben und Unternehmen.[61]“ Vor Augen hat er dabei va[62] „die Zunahme des Ozonlochs“[63] bzw. „die Zerstörung der Ozonschicht[64]“, „den Sommersmog[65]“, „das Waldsterben[66]“, „die Schadstoffbelastung der Meere mit Rückgang der Fischbestände und Seehundesterben[67]“, generell „die Verseuchung der Ozeane[68]“, ferner „die Beeinträchtigung der globalen Atmosphäre[69]“. Der „Vorwurf“, der dem „klassischen[70]“, „herkömmlichen“ Strafrecht gemacht wird, ist jener, dass es darauf „zugeschnitten“ ist, dass ein einzelner Täter[71] ein einzelnes, individualisiertes Opfer schädigt[72]. HEINE[73] stellt klar, dass die herkömmlichen Zurechnungslehren im Kern auf Geschehenstypen fußen, wo „die unmittelbare Ausführung, die Entscheidungsmacht und die dafür notwendige Informationsbasis grundsätzlich in einer Person vereinigt[74]“ wären und „bei denen es um die Zuschreibung konsentierter Erfolgsunwerte auf der Grundlage isolierbarer Einzelakte bzw. jedenfalls um personale Zuordnung solcher Risiken geht“, die – so HEINE – „aufgrund hinreichend gesicherter Erfahrung“[75] – so hält er fest – „alsbald in Erfolge umschlagen und die deshalb allgemein als inakzeptabel anerkannt sind“[76].
HEINE[77] verweist auf die Bedeutung des sog Prinzips der Eigenverantwortung des Individuums, das auf die „Aktivierung und Stabilisierung von selbstverantwortlichen Entscheidungen des Individuums[78]“ ziele, wobei „in einem stabilen Erfahrungs- und Wertesystem personale Rechtsfindungsleistungen in einer konkreten Situation“[79] verlangt würden. Das Strafrechtsmenschenbild fußt darauf, dass der Mensch eine zur freien Selbstbestimmung befähige Person sei. In toto firmieren der Gedanke des Täters als beherrschender Zentralfigur isolierbarer, nonkonformer Handlungen und das Prinzip der Eigenverantwortung des Individuums bei HEINE[80] als „konventionelles“ Modell (des Strafrechts).
2.1.3.1 Zu HEINEs Verständnis mancher organisationaler Termini
Man kann – zufolge HEINE[81] - zwischen Individualtätern und Systemtätern unterscheiden. HEINE[82] versteht unter „Systemtätern“ „Handelnde“ im Rahmen von „komplexen Organisationen.“Fragt man nach den Spezifika komplexer Organisationen, so verweist HEINE[83] auf „Dezentralisierung[84] und Kompetenzaufteilung in einem System wechselseitiger Abhängigkeit einzelner Abteilungen“. R & D[85], Produktion, Vertrieb etc) seien – zufolge HEINE[86] – „in Einzelabteilungen mehr oder weniger selbständig angelegte Aufgaben“, über deren Koordination die „moderne Großorganisation“ Handlungsmacht gewinne. Eine weitere zentrale Frage, die sowohl betriebswirtschaftlich als auch erkenntnistheoretisch (wobei es sich nicht um ausschließende Gegensätze handeln müsste) spannende Fragenfelder aufdeckt, ist das Verständnis HEINEs betreffend einen / den „Betrieb“. Es ist nicht ersichtlich, was – exakt – HEINE hierunter er versteht. Ferner ist fraglich, was HEINE unter einem „Großbetrieb“[87] verstanden wissen will. An welche Parameter[88] knüpft er sein „Großbetrieb“-Verständnis? Handelt es sich hierbei (primär) um betriebs- oder volkswirtschaftliche, soziologische, philosophische oder juristische Parameter oder um eine Kombination - wie auch immer scharf zu verortender – „disziplin-intrinsischer“ Komponenten[89]? Fraglich ist ferner, was HEINE (exakt) unter einer „Organisation“, va unter einer „Großorganisation“[90], ferner einer „modernen“[91] Großorganisation versteht, va deshalb, da es mehrere Organisations-„Bilder“[92] [sic!] geben könnte. Aber sind „Bilder“ (schon) eine Definition?
HEIMERL/MEYER[93] setzen auf die – von ihnen selbst gewählte (!) – Frage „Was ist Organisation?“ zuerst die – gängige – Diktion von WEICK[94], die – höflich und sachlich formuliert – als nicht überschießend substanzhaltig gewertet werden müsste:
„Wenn sie nach einer Organisation suchen, werden sie sie nicht finden.[95]“[sic!]
Wer daraus schließt, über etwas, das sich „nicht finden“ lässt, würde – wie dies in der Philosophie und anderen Wissenschaften angebracht ist aus (wissenschafts-) ethischen Motiven – nun geschwiegen[96], wird überrascht, den HEIMERL/MEYER[97] führen – im Widerspruch [sic!] zu dem von ihnen ausgewählten Zitat WEICKs - kurz nach dem WEICKschen Diktum aus: „Das Phänomen [sic!] Organisation ist so schillernd [sic!] wie unfassbar [sic!] und zugleich in der modernen Gesellschaft allgegenwärtig.[98]“
HEINE[99] sieht ein Grundproblem in der Arbeitsteilung, in der Diversifikation von Arbeit. Signum „moderner“[100] Wirtschaft sei die Arbeitsteilung. Diese Aussage ist – ohne zynisch zu werden und um – dieses Stilmittel bewusst einsetzend – einen „Vorgeschmack“ auf die kommenden Passagen zu servieren – von der „Präzision“ zahlreicher Aussagen etwa von BOLLER[101] („Bisher ging man davon aus, dass nur Menschen [sic!] Adressaten von Strafnormen sind und dass nur sie wegen eines in einer Handlung bestehenden Fehlverhaltens mit Strafe belegt werden können.[102]“), die historisch in (weitgehend, sehr höflich formuliert) einem „Vakuum“ zu „schweben“ scheinen[103].
Da das Strafrecht auf individuelles Fehlverhalten ausgerichtet ist, die strafrechtliche Täterlehre im Kern um die Frage kreist, von wem man sagen kann, er hat die tatbestandsmäßige Handlung (selber) vorgenommen, von wem man also sagen kann, er hat „ausschließlich selbst und nicht unter Einbeziehung von Beiträgen Dritter“[104] eine isolierbare Handlung verwirklicht, wird ersichtlich, dass bei den differenzierten modernen Organisationsmustern Probleme bestehen können, insoweit als sich uU kein „unmittelbarer Täter“ finden lässt. Ferner kann das Problem bestehen, dass – ua - ein „bewußtes und gewolltes Zusammenwirken aller Beteiligten“ – als Folge der Arbeitsteilung in Gestalt der Organisationsprinzipien der Spezialisierung, Formalisierung und Segmentierung und der Integration der verschiedenen Einzelhandlungen ohne nochmalige direkte Kommunikation der Beteiligten - fehlen kann, sodass eine so genannte Mittäterschaft nicht bejaht werden kann[105].
HEINE[106] vermeint, dass der Mittäterschaft ua dann Grenzen gesetzt seien,...