Da durch den Erlass der Richtlinie 97/55/EG und die Änderung des UWG vergleichende Werbung nun auch in Deutschland zulässig ist, stellt sich die Frage, inwiefern ihr Einsatz für Werbetreibende überhaupt von Vorteil ist. Gegner und Befürworter vergleichender Werbung nennen eine Vielzahl an Argumenten. Eine Auswahl dieser ist in Tabelle 2 zusammengefasst.
Tabelle 2: Häufig genannte Vor- und Nachteile vergleichender Werbung
(eigene Darstellung)
Befürworter vergleichender Werbung sehen, ähnlich wie die Europäische Kommission, den großen Vorteil dieser Werbeform darin, dass durch den Vergleich der Produktattribute der beworbenen Marke mit denen der konkurrierenden Marke(n) Konsumenten besser informiert würden (Ash/Wee 1983, S. 370f.; Barry 1993a, S. 21). Diese könnten infolgedessen fundiertere Kaufentscheidungen treffen. Darüber hinaus erlaube vergleichende Werbung durch die Herstellung einer Relation zur Konkurrenz eine eindeutigere Positionierung des beworbenen Produkts im Markt, insbesondere durch die Differenzierung von oder Assoziation mit bestimmten Mitbewerbern. Als wettbewerbspolitische Konsequenzen werden zudem Produktverbesserungen, Preissenkungen und eine Reduzierung der Markteintrittsbarrieren aufgrund von Assoziierungsmöglichkeiten mit erfolgreichen Marken erwartet (Ash/Wee 1983; Barry 1993a, S. 21f.; Muehling et al. 1989). Des Weiteren herrscht Uneinigkeit darüber, ob vergleichende oder nichtvergleichende Werbung für Werbetreibende effektiver ist. Fürsprecher glauben zum Beispiel an einen positiven Einfluss dieses Formats auf die Aufmerksamkeit der Konsumenten und somit auch deren Erinnerung an die Werbung (Barry 1993a, S. 21f.). Negative Auswirkungen werden hingegen vor allem in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Aussage vermutet (Ash/Wee 1983, S. 370f.; Barry 1993a, S. 22). Weitere Gefahren sehen Kritiker in einer möglichen Informationsüberflutung, die eine Verwirrtheit der Konsumenten oder die fälschliche Identifizierung eines angeführten Konkurrenten als Sponsor der Werbung zur Folge haben könne (Ash/Wee 1983, S. 370f.; Barry 1993a, S. 22; Byer/Cooke 1985, S. 69; Muehling et al. 1989, S. 39). Als weitere Kritikpunkte werden die Bereitstellung kostenloser Werbezeit für die Konkurrenten, die Möglichkeit eines Werbekriegs durch entsprechende Gegenkampagnen der Mitbewerber und die Irreführung der Rezipienten, beispielsweise durch den Vergleich nebensächlicher Produkteigenschaften, genannt (Barry 1993a, S. 22; Bennett 1997, S. 85; Byer/Cooke 1985, S. 69; Muehling et al. 1989, S. 39).
Um die Effektivität vergleichender Werbung beurteilen zu können, ist es jedoch notwendig, diese Vermutungen im Rahmen empirischer Studien zu überprüfen. Bereits in den 1970er Jahren begann dies in den USA, sodass dort heute eine Vielzahl an Forschungsergebnissen zu diesem Thema vorhanden ist. In Deutschland hat aufgrund des weitgehenden Verbots dieser Werbeform bis 1998 eine Forschung in diesem Bereich bisher kaum stattgefunden, seit ihrer Legalisierung wurden lediglich einzelne Studien veröffentlicht. Die im Folgenden aufgeführten Ergebnisse beziehen sich deshalb ausschließlich auf den US-amerikanischen Raum. Eine Diskussion zur Übertragbarkeit dieser Resultate auf Deutschland und ein Überblick über die wenigen deutschen Untersuchungen werden im Kapitel 4.3 gegeben.
Zunächst muss jedoch festgelegt werden, was unter der Effektivität von Werbung zu verstehen ist. Ein Großteil der bisher veröffentlichten Studien bezieht sich auf das Hierarchie-der-Effekte-Modell (Lavidge/Steiner 1961), welches auch in dieser Arbeit zur Klassifizierung der Forschungsergebnisse herangezogen wird. Dieses sieht die drei wichtigsten Funktionen von Werbung in einer kognitiven, einer affektiven und einer konativen Wirkung. Wie in Abbildung 1 dargestellt, umfasst dabei der kognitive Einfluss insbesondere die Wahrnehmung und die gedankliche Verarbeitung der Werbung. Die affektive Wirkung betrifft Einstellungen bezüglich der spezifischen Werbung und der beworbenen Marke. Zu dem konativen Bereich zählen letztendlich die Kaufabsicht und der Kauf.
Abbildung 1: Kriterien der Effektivität vergleichender Werbung
(eigene Darstellung)
Es existiert eine Vielzahl US-amerikanischer Studien, die den Unterschied zwischen vergleichender und nichtvergleichender Werbung im Hinblick auf ihre kognitive, affektive und konative Wirkung untersuchen. Tabelle 3 bietet eine Zusammenstellung ihrer Resultate. Diese wurden danach unterschieden, ob eine Überlegenheit der vergleichenden oder nichtvergleichenden Werbung oder kein Unterschied in der Effektivität festgestellt wurde.
Tabelle 3: US-amerikanische Studien zur Effektivität vergleichender Werbung
(eigene Darstellung)
Kognitive Wirkung
In der Literatur wird häufig die Ansicht vertreten, dass vergleichende Werbung zu einer höheren Aufmerksamkeit der Rezipienten führt als nichtvergleichende Werbung. Ein Grund hierfür liegt in der Neuartigkeit dieser Werbeform (Grewal et al. 1997; Sheluga/Jacoby 1978, S. 24), was jedoch in den USA, im Gegensatz zu Deutschland, inzwischen nicht mehr der Fall ist. Darüber hinaus wird vergleichende Werbung durch die Nennung von mindestens einer weiteren Marke für einen größeren Anteil der Rezipienten relevant, weil sie nicht nur das besondere Interesse der Nutzer der beworbenen Marke, sondern auch das der Verwender der genannten Konkurrenzprodukte weckt (Grewal et al. 1997, S. 3; Pechmann/Stewart 1991, S. 48; Wilkie/Farris 1975, S. 11). Gegensätzlich argumentieren Goodwin und Etgar (1980, S. 188), die auf das Risiko hinweisen, dass vergleichende Werbung zu einer Informationsüberflutung führt und damit die Aufmerksamkeit senkt. Tatsächliche Resultate empirischer Untersuchungen zu dieser Wirkungskomponente sind rar und gemischt. Während Pechmann und Stewart (1991) keinen Unterschied zwischen vergleichender und nichtvergleichender Werbung feststellen konnten, fanden Muehling et al. (1990) eine stärkere Aufmerksamkeit der Konsumenten bei der vergleichenden Form.
Im Anschluss hieran wird oft argumentiert, dass die angenommene erhöhte Aufmerksamkeit zu einem stärkeren Involvement der Rezipienten bei der Betrachtung der Werbung und dem beworbenen Produkt und schließlich zu einer intensiveren Verarbeitung der Werbebotschaft führt (Dröge 1989; Muehling et al. 1990; Pechmann/Esteban 1994). Diese Verarbeitung würde zudem dadurch erleichtert, dass durch die Bereitstellung von Informationen über die beworbenen und konkurrierenden Produkte ein Zurückgreifen auf bereits im Gedächtnis gespeicherte Eindrücke weniger notwendig sei (Chattopadhyay 1998, S. 462). Ein erhöhtes Involvement bei vergleichender gegenüber nichtvergleichender Werbung konnte von Muehling et al. (1990) sowie Pechmann und Esteban (1994) nachgewiesen werden, während Gotlieb und Sarel (1991) keinen Unterschied feststellten.
Ein negativeres Bild zeigt sich beim Verständnis der Werbung. Hier ergaben alle bereits durchgeführten Studien eine Unterlegenheit der vergleichenden gegenüber der nichtvergleichenden Werbung. Zurückzuführen ist dies vor allem auf das Potenzial der vergleichenden Werbung, die Rezipienten irrezuführen. So können beispielsweise Aussagen, die in Wahrheit eine Gleichheit der beworbenen Marke und der Konkurrenzmarken angeben (z.B. „Mehr Informationen für so wenig Geld sind in dieser Qualität auf dem deutschsprachigen Buchmarkt nicht zu finden“), von den Rezipienten als Überlegenheit missdeutet werden (Snyder 1989; Wyckham 1987). Darüber hinaus kommt es vor, dass durch den Vergleich der Marken bezüglich einer Produkteigenschaft auch andere, in der Werbeaussage folgende, aber nicht vergleichend dargestellte Produktattribute der beworbenen Marke als überlegen wahrgenommen werden (Barone/Miniard 1999; Barone et al. 2004; Etgar/Goodwin 1978). Zusätzlich führen einige Werbeanzeigen dazu, dass die Rezipienten eine Überlegenheit des Produkts gegenüber der gesamten Konkurrenz wahrnehmen, obwohl lediglich eine Auswahl an Konkurrenten gemeint war (z.B. „Was unterscheidet AXA Altersvorsorge von anderen Angeboten?“). Genauso kann die Darstellung der Überlegenheit des eigenen Angebots über eine größeren Anzahl ausgewählter, spezifischer Wettbewerber dazu führen, dass Konsumenten eine Spitzenposition des Produkts im Gesamtmarkt annehmen, obwohl führende Anbieter nicht in den Vergleich einbezogen wurden.
Einen ähnlich nachteiligen Einfluss hat vergleichende Werbung laut der meisten Untersuchungen auf die Entstehung negativer Gedanken bezüglich der Marke und der Werbebotschaft. So haben zum Beispiel Konsumenten in einer Studie von Gorn und Weinberg (1984) zu 75% negative und nur zu 25% positive Gedanken bei der Betrachtung von vergleichender Werbung entwickelt. Bei nichtvergleichenden Formaten lagen diese Anteile bei jeweils 50%. Gegenargumente können dabei zum einen durch die direkte, offensive Art...