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E-Book

Verhalten und Abbau von Umweltchemikalien

Physikalisch-chemische Grundlagen

AutorWalter Klöpffer
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl612 Seiten
ISBN9783527672134
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis93,99 EUR
Um die Gefährdung der Umwelt durch Chemikalien einschätzen zu können, reicht es nicht aus, nur die Schadwirkung, d. h. den Einfluss
der Chemikalie auf die Umwelt zu betrachten. Auch der Einfluss der Umwelt auf die Chemikalie spielt eine wichtige Rolle, über deren
Verteilung, Verbreitung und Abbau in den verschiedenen Umweltkompartimenten. Seit etwa 30 Jahren existieren immer wieder verbesserte
Modelle, die diese Umweltfaktoren abbilden und eine Vorhersage zu Dauer und Intensität der Umweltgefährdung nach Freisetzung eines
Schadstoffes ermöglichen.

Mit Hilfe dieser Einführung in die Grundlagen des Verhaltens von Chemikalien in der Umwelt wird der Leser in die Lage versetzt, die verfügbaren Rechenmodelle und Simulationen zum Abbau von Chemikalien in Luft, Wasser und Boden sinnvoll einzusetzen und deren Ergebnisse fachgerecht zu interpretieren.

Das Buch besteht aus vier Teilen. Der erste Teil dient als Einleitung in die Thematik, der zweite befasst sich mit der Verbreitung und Verteilung
von Chemikalien in Luft, Wasser und Boden. Im dritten Teil wird der abiotische und biotische Abbau der Chemikalien betrachtet. Im vierten Teil schließlich werden die verschiedenen Verteilungs- und Abbauwege zu einfachen bis komplexen Rechenmodellen zusammengefügt,
und die wichtigsten, von nationalen und internationalen Organisationen verwendeten Modelle werden eingehend anhand von Beispielen erläutert.

Walter Klöpffer ist freier Berater für Ökobilanzen und Chemikalienbewertung in Frankfurt am Main. Nach einem Chemiestudium an der Universität Graz war er fast drei Jahrzehnte am Battelle-Institut in Frankfurt und anschließend bei der C.A.U. GmbH in Dreieich tätig. Seit 1975 hat er einen Lehrauftrag für physikalische Chemie an der Universität Mainz. Professor Klöpffer hat zahlreiche Schriften zur Ökobilanzierung veröffentlicht und ist der Herausgeber des 'International Journal of Life Cycle Assessment'.

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Leseprobe

2


Wasser


Zirka zwei Drittel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt, von Fläche und Volumen her gesehen meist Meerwasser, das rund 3 % Salze (vorwiegend NaCl) enthält. Dennoch werden die meisten physikalisch-chemischen Daten für reines H2O ermittelt, das dem Süßwasser näher kommt, als dem Meerwasser. Dies hat zumindest drei Gründe:

  • Reines Wasser (für Messungen sollte doppelt destilliertes H2O verwendet werden) ist für Testverfahren besser geeignet, gut erforscht und eindeutig definiert.
  • Süßwasser ist für die Menschheit ungleich wichtiger als Salzwasser und auch die („limnischen“) Süßwasser-Biotope und Ökosysteme (Bäche, Flüsse, Seen) liegen dem Großteil der Menschheit näher.
  • Bei Kenntnis der Daten für reines Wasser gibt es oft Gleichungen, mit denen eine Umrechnung z.B. auf Meerwasser näherungsweise möglich ist.

Dieses Kapitel ist einfach mit „Wasser“ überschrieben und entspricht im Kontext dieses Buches etwa dem „Kompartiment Wasser“ in den Multimedia-Modellen (siehe Teil IV), das die Oberflächengewässer modelliert. Andere Formen von Wasser, z.B. Wasser in Wolken, Nebel, Regen, Grundwasser und Tiefenwasser werden, soweit unter Umweltgesichtspunkten relevant, im Zusammenhang mit den jeweiligen Kompartimenten (Atmosphäre, Boden/Sediment) besprochen. Die festen Formen des Wassers (Kryosphäre, Eis, Schnee) wurden in Hinblick auf die Verteilung und den Abbau von Chemikalien relativ selten untersucht; wo dies geschehen ist, wird dies ebenfalls bei den Kompartimenten Boden und Atmosphäre besprochen. Die meisten der hier beschriebenen physikalisch-chemischen Eigenschaften sind auch in den erwähnten wässrigen Subkompartimenten von Bedeutung. Gasförmiges Wasser („Wasserdampf“) beeinflusst die Atmosphäre – vor allem die Troposphäre – in vielfacher Weise entscheidend, ist aber keine eigenständige Phase.

Große Lücken in unserer Kenntnis bestehen in Bezug auf das riesige Subkompartiment Tiefsee (Abb. 1.1), das noch weitgehend unerforscht, aber keineswegs unbelebt ist. Es trägt weit mehr zur Artenvielfalt bei, als im öffentlichen Bewusstsein verankert, welches die Tiefsee ignoriert1). Es ist daher absolut unzulässig, die Tiefsee aus der Chemikalienbewertung auszuklammern oder sie – wie in einigen Multimedia-Modellen – nur als Senke zu betrachten. Für die Anwendung physikalisch-chemischer Daten auf die Tiefsee ist neben der Salinität vor allem der hohe Druck zu beachten. Dieser beträgt in 10 km Tiefe ca. 108 Pa (1 kbar).

Die Meeresströmungen, die teilweise an oder nahe der Oberfläche erfolgen (Golfstrom), teilweise in der Tiefsee, sind hier – ähnlich wie die Luftströmungen im Kompartiment Luft –ausgeklammert. Dies mindert aber nicht ihre Bedeutung für den weltweiten Transport der Chemikalien, der allerdings im Wasser (mit Ausnahme der Flüsse) wesentlich langsamer erfolgt als in der Luft. In den Multimedia-Modellen mit regionaler Auflösung werden die Strömungen meist in Form von gemittelten Austauschgeschwindigkeiten berücksichtigt, während die modernsten Modelle [114] (Abschnitt 10.5) diese explizit und mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung einbeziehen.

2.1 Wasserlöslichkeit


2.1.1 Definition


Die Wasserlöslichkeit (Sw) ist definiert als die Sättigungskonzentration einer Substanz in reinem Wasser bei einer Temperatur T [K] (2.1):

(2.1)

Die Wasserlöslichkeit wird meist für feste Stoffe bestimmt, ist jedoch auch für viele bei normaler Temperatur2) flüssige Substanzen ein wichtiger Parameter. Für unbegrenzt mit Wasser mischbare Substanzen und für Gase3) ist Sw nicht definiert. Als Spezialfall der allgemeinen Substanzeigenschaft „Löslichkeit“ entspricht die Sättigungskonzentration einem Gleichgewichtszustand, vergleichbar mit dem Dampfdruck (siehe Abschnitt 3.1), wobei definitionsgemäß die thermodynamisch definierten chemischen Potentiale der Substanz in beiden Phasen gleich sind. Für Festkörper lässt sich daraus thermodynamisch ableiten, dass Substanzen mit hohem Schmelzpunkt und großer Schmelzenthalpie generell wenig löslich sind [2]. Im Falle der Wasserlöslichkeit dürften jedoch die speziellen Wechselwirkungen, z.B. Hydrathüllen und Wasserstoffbrücken zwischen den Wassermolekülen und der gelösten Substanz über die in die thermodynamische Ableitung eingehenden unspezifischen Effekte dominieren.

Die SI-Einheit der Wasserlöslichkeit ist kg/m3 (Zahlenwerte identisch mit g/L); wenn die Molmasse bekannt ist, sind natürlich auch Angaben in molaren Einheiten, meist mol/L möglich und für Vergleichszwecke sinnvoll. Ohne weitere Temperaturangabe wird die Wasserlöslichkeit meist auf 20 °C bezogen [27, 81, 82].

2.1.2 Messung der Wasserlöslichkeit


Die Messung der Wasserlöslichkeit ist besonders bei schwerlöslichen Substanzen (Sw < 10 mg/L) nicht einfach. Die Schwierigkeiten beruhen auf der erforderlichen (oft sehr langsamen) Gleichgewichtseinstellung und der Anwesenheit von ungelösten Partikeln der zu messenden Substanz in der Wasserphase. Diese Schwierigkeiten werden bei der Säulenelutionsmethode [73, 83, 122] weitgehend vermieden. Besonders hinderlich ist die Neigung mancher Substanzen zur Ausbildung kolloidaler Lösungen, die eine zu hohe Löslichkeit vortäuscht. Ein besonders anschauliches Beispiel für die Schwierigkeit, die Wasserlöslichkeit extrem hydrophober Substanzen zu messen, bilden die Permethylsiloxane [119]; da die niedermolekularen Mitglieder dieser Verbindungsklasse (bis M = 444) genügend flüchtig sind, wurde die Sättigung der Wasserphase mit den Siloxanen über die Gasphase durchgeführt. Bei dieser Methodik können sich keine Mikroemulsionen bilden, die eine zu hohe Wasserlöslichkeit vortäuschen. Bei der genannten Verbindungsklasse wurden Löslichkeiten bis herab zu Sw = 2 " 0,02 ppb (μg/L) gemessen.

In der Säulenelutionsmethode (OECD TG 105, [83]) wird die Testsubstanz in dünner Schicht auf einen inerten Träger, z.B. Glaskügelchen oder Kieselgel aufgebracht und in einer kleinen thermostatisierten Säule mit reinem Wasser (wie unten definiert) eluiert (Abb. 2.1, oberer Teil). In der gesättigten Wasserphase wird nach verschiedenen Elutionszeiten die Konzentration der Substanz mit einer geeigneten analytischen Methode gemessen. Dabei werden zunächst meist zu hohe Werte gemessen (mitgerissene Partikel), aber auch das Gegenteil ist möglich (unvollständige Gleichgewichtseinstellung). Als Sw wird derjenige Wert akzeptiert, der sich über mehrere Messungen hinweg als „Plateau“ einstellt (Abb. 2.1, unterer Teil). Details der Vorversuche zur Ermittlung der ungefähren Wasserlöslichkeit, des Versuchsaufbaus, der Beladung der Mikrosäule und der Versuchsdurchführung sind in der OECD Prüfrichtlinie 105 beschrieben. Als Elutionsmittel wird doppelt destilliertes Wasser empfohlen. Ein zweiter Lauf sollte mit der halben Fließgeschwindigkeit gefahren werden. Wenn die Ergebnisse übereinstimmen, ist der Test zufriedenstellend. Weiterhin wird ein Tyndall-(Streu-)Test der eluierten Fraktionen empfohlen, um die mögliche Anwesenheit von mitgerissenen Partikeln zu testen; diese können, wie bereits angedeutet, die Ergebnisse von sehr schwerlöslichen Substanzen dramatisch verfälschen und zu hohe Werte vortäuschen. Die exakte Bestimmung der Wasserlöslichkeit im Bereich einiger μg/L oder darunter ist keineswegs ein Routinetest und erfordert größte Sorgfalt! Eine möglichste genaue Bestimmung der Wasserlöslichkeit ist wichtig für die Durchführung von Ökotoxtests und für die Stoffbewertung.

Abb. 2.1 Bestimmung der Wasserlöslichkeit mit der Säulenelutionsmethode nach OECD Prüfrichtlinie TG 105 [83]

Leichter wasserlösliche Substanzen (über ca. 10 mg/L) werden nach der Kolbenmethode durch Sättigung der Wasserphase bei geringfügig erhöhter Temperatur [83] und Konzentrationsbestimmung nach Äquilibrierung bei der Prüftemperatur und Abtrennung der ungelösten Substanz gemessen. Dazu wird etwa die fünffache Menge (Schätzung nach dem Vortest zur groben Bestimmung der Wasserlöslichkeit) an Substanz mit reinem Wasser bei 30 °C in einem mit Glasstopfen verschlossenen Glasgefäß4) geschüttelt oder gerührt. Nach einem Tag wird eines der Gefäße für weitere 24 h bei der Testtemperatur äquilibriert. Mit den Parallelproben wird nach zwei bzw. drei Tagen ähnlich verfahren. Der Test gilt nach OECD TG 105 [83] als zufriedenstellend, wenn die analytisch gemessenen Wasserlöslichkeiten um nicht mehr als "15 % voneinander abweichen. Wenn von Probe 1 bis 3 ein Aufwärtstrend in den Messwerten beobachtet wird, deutet dies auf unvollständige...

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