Dieser Teil der Arbeit wird sich mit der rechtlichen Problematik befassen, die sich im Zusammenhang mit werblichen Aussagen und funktionellen Lebensmitteln ergibt. Die stetigen Innovationen in diesem Bereich und ihre Einführung in den Markt sind praktisch nur dann möglich, wenn zu diesen Produkten entsprechende Werbung gemacht werden darf. Die sog. Health-Claims-Verordnung des Europaparlaments hat einheitliche Regeln für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel definiert. In den letzten zehn Jahren galt diese als eines der umstrittensten Verordnungswerke für die Lebensmittelindustrie in der EU.
Die Standardisierung und Klärung des rechtlichen Status dieser Lebensmittelgruppe in der EU ist eine nötige Vorraussetzung für die Entwicklung von Functional Food. Dies ist sowohl aus Industrie- als auch aus Konsumentensicht notwendig, da ein Grad an Rechtssicherheit Vorraussetzung für ökonomische Tätigkeiten ist.[70] Für den Verbraucher soll die einheitliche EU-Richtlinie mehr Transparenz erreichen, für die Unternehmen mehr Beweislast.
Bisher waren Lebensmittel, die sich als Functional Food verstehen, an die Rechtsbestimmungen für konventionelle Lebensmittel gebunden. Diese unterliegen dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB).
Lebensmittel sind gemäß §1 dieses Gesetzes in erster Linie dazu bestimmt, der Ernährung im physiologischen Sinn (reine Energiezufuhr) und/oder dem Genuss zu dienen. Funktionellen Lebensmitteln jedoch werden darüber hinaus Effekte zugeschrieben, die einen positiven Einfluss auf verschiedene Körperfunktionen haben und die bei der Prävention von Krankheiten helfen sollen. Aus diesem Grunde müssen sie von den Arzneimitteln abgegrenzt werden. Diese unterliegen einer bestimmten Registrierungspflicht und sind in §2 des Arzneimittelgesetzes definiert. Sie liegen meistens in Form von Lösungen, Kapseln oder Pulver vor.
Bisher waren Werbeaussagen für Lebensmittel, die sich auf die Beseitigung, Linderung oder Prävention von Erkrankungen beziehen, laut § 12 LFGB grundsätzlich verboten. Diese krankheitsbezogenen Werbeaussagen sind lediglich Arzneimitteln/Pharmaprodukten vorbehalten. Ebenfalls verboten ist eine schlankheitsbezogene Wirkung.
Gesundheitsbezogene Aussagen wie „stärkt die Abwehrkräfte“ oder „gut für die Gesundheit“ sind dagegen erlaubt. Die Definition zu gesundheitsbezogener Werbung vom OLG Köln lautet: „Allein gesundheitsbezogen ist eine Werbung, die lediglich den in der Erhaltung oder Kräftigung der Gesundheit liegenden Wert eines Lebensmittels herausstellt“.[71]
Allerdings müssen solche Werbebehauptungen durch einen wissenschaftlichen Nachweis abgesichert sein, um den Verbraucher vor Irreführung zu schützen.[72] Eine Irreführung liegt dann vor, wenn:
Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die nicht hinreichend wissenschaftlich gesichert sind
zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben oder Aufmachungen verwendet werden
zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften hat, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften haben,
Lebensmitteln der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird[73]
Die Definitionsabgrenzung krankheitsbezogen (verboten) und gesundheitsbezogen (erlaubt) ist allerdings verwässert und verlangt eine einheitliche Klärung. Teilweise existieren noch extrem überzogene Werbeaussagen, die sich jeglichen wissenschaftlichen Grundlagen entziehen.[74] Beispiel: „Rotwein kann dazu beitragen, den Cholesterinspiegel zu senken oder auch Herzkrankheiten vorzubeugen“.
Zur Lösung dieser Probleme in der EU soll die „Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben von Lebensmitteln“ (Health-Claims-Verordnung) beitragen. Diese soll die Kommunikation von Gesundheitsthemen im Lebensmittelverkehr standardisieren.
Nach Einigung des Europäischen Parlamentes und Rates wurde am 30. Dezember 2006 die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006[75] verabschiedet. Diese legt allgemeine Grundsätze und Vorschriften fest, welche für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln gelten. Um den Verbrauchern ein Schutzniveau zu gewährleisten, sollen die Produkte sicher sein und eine angemessene Kennzeichnung aufweisen. Die Verordnung wird ab Mitte 2007 schrittweise in Kraft treten.
Die Grundstruktur der Verordnung folgt dem sog. Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt. Eine ausgelobte Wirkung eines Erzeugnisses muss künftig anhand allgemein wissenschaftlicher Daten abgesichert und nachgewiesen sein. Lebensmittelunternehmer können verpflichtet werden, diese Nachweise vorzulegen. Der Konsument muss die dargestellte Wirkung verstehen können, sie darf nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein.[76]
Wesentlicher Bestandteil der Richtlinie ist die Einführung von spezifischen Nährwertprofilen.[77] Lebensmittel bzw. Lebensmittelkategorien werden anhand dieser Profile eingeordnet und es wird genau festgelegt, welche Aussagen bezüglich ihrer Nähr- und Zusatzstoffe gemacht werden dürfen. Bis Januar 2009 legt die Kommission diese sowie die Bedingungen für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben fest. Dabei stützt sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse der Ernährung und ihre Bedeutungen für die Gesundheit. Berücksichtigt werden z. B.:
Der Gehalt bestimmter Nährstoffe wie Fett, Fettsäuren, Salz/ Natrium, Zucker
Die Rolle und Bedeutung des Lebensmittels und der Beitrag zur Ernährung für die Bevölkerung allgemein und ggf. bestimmter Risikogruppen (einschl. Kinder)
Die Nährwertzusammensetzung, ihr Einfluss auf die Gesundheit und der wissenschaftlich anerkannte Nachweis der Anwesenheit dieser Nährstoffe
Zur Festlegung der Profile werden Anhörungen verschiedener Stakeholder (Verbraucherverbände, LM-Unternehmen) durchgeführt
Aktualisierung der Profile aufgrund wissenschaftlicher Entwicklungen
Die Nährwertprofile sind Zulassungsvorschriften für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Aussagen. Für Lebensmittel, die die diesem Mindeststandard an Nährstoffzusammensetzungen und somit keinem Profil entsprechen, dürfen auch keinerlei Auslobungen zu Nährstoffen oder gesundheitlichen Wirkungen gemacht werden.
Abb. 5 zeigt, wie die Claims in dieser Richtlinie nach nährwertbezogenen, gesundheitsbezogenen, und Krankheitsrisiko verringernde Aussagen abgegrenzt werden:
Abb. 5: Kategorien von Health-Claims[78]
4 Gesetzliche Bestimmungen und rechtliche Einordnung
Nährwertbezogene Aussagen sind nur zulässig, wenn sie der Verordnung entsprechen und im Anhang[79] des Gemeinschaftsregisters aufgeführt werden. Gesundheitsbezogene Aussagen beziehen sich auf das allgemeine Wohlbefinden oder stellen die Bedeutung eines Wirkstoffes auf Körperfunktionen oder psychischen Funktionen heraus. Vorraussetzung ist ein wissenschaftlicher Nachweis der Funktion und der Eintrag in der Liste[80] des Gemeinschaftsregisters dieser Verordnung.
Gleiches gilt für Aussagen über die Verringerung eines Krankheitsrisikos. Darüber hinaus müssen für diese Angaben Anträge gestellt werden, um überhaupt von der Verordnung zugelassen zu werden. Hier handelt es sich um Einzelfall-Verfahren, wobei die Claims nach Aufnahme nur von dem Hersteller verwendet werden dürfen, der den Antrag für diese Aussage gestellt hat.[81]
Die Kommission wird in den kommenden drei Jahren das Gemeinschaftsregister erstellen, das die Listen für zulässige Health-Claims beinhaltet. Die Liste der nährwertbezogenen Aussagen wie „ballaststoffreich“ oder „fettarm“ beschreibt die Bedingungen für die Verwendung dieser Begrifflichkeiten im Detail und ist voraussichtlich ab August 2007 anwendbar.[82]
Neben der Liste mit zugelassenen gesundheitsbezogenen Aussagen wird auch eine weitere mit abgelehnten Auslobungen erstellt. Zugelassene Aussagen dürfen dann von jedem Hersteller verwendet werden. Gesondert werden alle Aussagen aufgeführt, die sich auf die Verringerung eines Krankheitsrisikos beziehen und erst durch Antragverfahren zugelassen worden sind. Diese stehen nur dem jeweiligen Unternehmen...