Wie ist es mit Anfang Zwanzig?
Du hast vielleicht eine Lehre abgeschlossen, und jetzt wäre Dir Abwechslung recht, weil Du Dich in diesem Beruf schon nicht mehr wohlfühlst. Dann solltest Du vielleicht den Beruf wechseln und etwas finden, in dem Du echte Befriedigung findest, wo Du ein gutes Feedback erfährst! Falls Du Deine Ausbildung abgeschlossen und Ideen für Deine berufliche Zukunftsgestaltung hast, vielleicht sogar in einer Firma Fuß gefasst hast, in der Du sogar Mutterschutz beanspruchen könntest, dann hättest Du eventuell nach der Babypause die Möglichkeit, Dich mit der Power einer Endzwanzigerin (mit Mutterprüfung!) erneut auf Deine eigenen Füße zu stellen. Allerdings kann Dir in diesem Alter – also Anfang Zwanzig - interessanterweise auch passieren, dass ein Arbeitgeber von Dir erwartet, verlässlich zu verhüten.
Oder hast Du Dich irgendwie durch die Schulzeit gehangelt und eigentlich keine Ahnung, was Du machen willst? Keine gute Voraussetzung, dann statt mit einer Ausbildung mit einem Kind zu starten. Dir bleiben dann bestenfalls Aushilfs- oder Putzjobs. Oder, noch schlimmer: Auf ewig Bedienung...!
Die letzte Variante wäre, dass Du ein Studium aufnimmst. Das solltest Du aber auf keinen Fall unterbrechen. Sieh zu, dass Du nach gelungenem Abschluss einen guten Anschluss bekommst und diesen dann auch nicht so bald abreißen lässt.
Nach einem Kind mit Anfang Zwanzig, aber ohne festen Beruf, bist Du zwar dann mit etwa Ende Dreißig wieder raus und kannst den „Vierziger-Hormonschub“ nutzen, um nochmal etwas Eigenes zu machen, aber die Gesellschaft ist jugendorientiert. Nicht ganz zu Unrecht. Das Wichtigste ist nämlich, dass man als junger Mensch viel leichter lernt! Später werden die Konzentrationsphasen wieder kürzer. Man braucht sie aber, um auch Dinge zu lernen, die einen nicht sehr begeistern, was zu jeder Ausbildung dazugehört. Die zahlenden Firmen sehen im jungen Menschen ohne Kind eine sehr motivierte, aktive, formbare und noch nicht so teure Arbeitskraft. Mit seltenen Ausfällen kann sie noch einige Jahre ihr Können verbessern und der Firma wieder zugutekommen lassen. Schon heute ist es ab Vierzig sehr schwer, einen Arbeitsplatz zu finden, wenn Du nicht sehr gute Zeugnisse, Beurteilungen oder Erfolge vorweisen kannst. Das wird sicher in Zukunft nicht leichter. Eigentlich ist diese Entscheidung der Arbeitgeber nicht zu verstehen, denn Frauen mit der Erfahrung, ein „kleines Familienunternehmen“ zu managen, die aller Wahrscheinlichkeit nach keinen Mutterschutz mehr beantragen werden, sind doch eigentlich erstrebenswertere Arbeitnehmerinnen als unerfahrene, bei denen man in absehbarer Zeit mit einer Babypause rechnen kann. Tja, die menschliche Logik von Entscheidern in unserer Gesellschaft ist oft nicht nachzuvollziehen.
Für die Frau ist es allerdings sehr angenehm, in der Mitte des Lebens die wichtigste Aufgabe hinter sich zu haben und nochmal neu durchstarten zu können. Auch auf eine neue Beziehung kann sie sich, ohne diese unterschwelligen Mutter-Bauch-Gefühle oder –Entscheidungen, viel entspannter einlassen.
Wenn Du Dich entschließt, erst mal Deine berufliche Laufbahn zu stabilisieren, Dich selber kennenzulernen und Deine Interessen auszuleben, rasen die Jahre so dahin. Wächst in Dir in dieser Zeit der dringende Wunsch nach einem Kind, so solltest Du Dir um den 30. Geburtstag herum langsam konkrete Gedanken machen, ob Du eine Familie gründen möchtest. Die biologische Uhr tickt noch genauso wie vor vielen tausend Jahren. Ab Dreißig zählst Du bereits zu den „Spätgebärenden“ und musst gegebenenfalls mit Komplikationen rechnen. Die Wahrscheinlichkeit, ein behindertes Kind zu erwarten, steigt mit zunehmendem Alter, bedingt dadurch zahlen die Krankenkassen anstandslos den großen Ultraschall und auf Wunsch die Fruchtwasseruntersuchung als Vorsorgemaßnahmen bei „so später“ Schwangerschaft. Und dann rechne Dir bitte auch aus, in welchem Maße Du mit Deinem Kind altern würdest. Sagen wir mal, Du bist schon Mitte/Ende Dreißig bei der Geburt. Da hast Du noch eine Menge Kraft. Das ist auch gut so, denn schließlich musst Du Tag und Nacht für das Baby da sein. Du musst mit ihm toben, klettern, schwimmen, rennen, radeln und so weiter. Dann bringst Du mit Vierzig Dein Kind, zusammen mit anderen zwanzigjährigen Müttern, zum Kindergarten und musst Dir von ähnlich jungen „Hüpfern“ Erziehungsratschläge geben bzw. gefallen lassen. Eine Erzieherin kontrolliert und kommentiert, z.B. welche Brotzeit Du Deinem Kind mitgibst. Vielleicht hast Du gar keine Lust auf den Kontakt mit so jungen Frauen, er kann aber auch ganz erfrischend sein. Außerdem hast Du viele Fragen und wüsstest gerne, wie andere Mütter damit umgehen. Willst Du Dir dann von vergleichsweise jungen Mädels sagen lassen, wie Du es besser machen könntest?
Im Kleinkindalter musst Du bei sämtlichen Kindertreffen mit dabei sein. Das heißt, Du musst Dich mit den anderen Müttern verstehen. Und die sind eben durchschnittlich Mitte/Ende Zwanzig. Da gibt es meistens einen gewaltigen Reifeunterschied. Es ist auch oft so, dass ältere Eltern aufgrund von Wissen und Erfahrung weitaus schreckhafter sind. Damit wirken sie auf die Entwicklung ihres Kindes überbesorgt und engen ihr Kind deshalb unbewusst in seiner Entfaltung ein.
Mit Mitte Vierzig bringst Du Dein Kind dann in die Schule. Und junge Lehrerinnen geben sich ja aufgrund ihres Studiertseins „viel gescheiter“ als alte Mütter. Du wirst also manchmal das Gefühl haben, von ihnen erzogen und sogar gemaßregelt zu werden. Es gehört dann eine gute Portion Selbstbewusstsein dazu, das nicht an sich rankommen zu lassen. Ende Vierzig wird Deine Kraft langsam etwas weniger und Du fragst Dich, warum Du Dir diesen Stress eigentlich angetan hast. Viel schöner wäre es gewesen, Dein hart erarbeitetes eigenes Leben und auch Dein Geld nach eigenem „Gutdünken“ zu gestalten, auszugeben und zu genießen, anstatt alles zu teilen, zu geben, zu verzichten, an Dir vorbeiziehen zu sehen.
Schulwechsel und Pubertät kommen dann, wenn Du etwa Fünfzig bist. Da beginnen Dein Körper und Deine Nerven aber schon merklich abzubauen. Der Stress, der dann auf Dich zukommt, geht richtig an die Substanz. Beziehungstheater in einer Zeit, in der Du Dich fragst, wozu Beziehungen eigentlich gut sind. Wenn Dein Kind es dann auf die eigenen Füße schafft, bist Du Mitte Fünfzig und arbeitest schon auf die Rente zu. Du würdest nach diesen knapp zwanzig Jahren Verzicht gerne ein paar Träume nachholen, bist aber eigentlich schon zu alt dafür, und die Welt hat sich in dieser Zeit auch ganz schön verändert.
Alles wird immer schnelllebiger, und damit ist es für Ältere schwieriger, dran zu bleiben. In allen Berufen drängen junge dynamische Kräfte auf die begehrten Arbeitsplätze, sodass es für über Fünfzigjährige kaum noch Chancen gibt. Neue Erfindungen auf den Markt zu bringen, bedarf sehr viel Glück, Kontakte oder einer Menge Geld, am besten gleich in Form der passenden Firma mit den technischen Mitteln und Angestellten, die sich um den bürokratischen Wahnsinn kümmern, der ja auch immer komplizierter wird. Die Welt ist extrem zersiedelt, romantische Strände gibt es praktisch kaum mehr – fürs Reisen ist’s in der Zwischenzeit auch eher weniger reizvoll geworden. Selbst auf dem Mount Everest tummeln sich mittlerweile täglich Hundertschaften. Auch aus politisch-gesellschaftlichen Gründen kann man einige Gegenden streichen. Herumreisen sollte man aus ökologischen Gründen sowieso nicht mehr. Auch den Urwald besuchen, stört die Natur nur, denn wir lassen zu gerne unsere Plastikandenken liegen. Na, super!
Da darfst Du Dir auch kritisch die Frage stellen: Was ist eigentlich daran so wichtig, noch mehr Menschen in diese Welt hinein zu gebären?
So oder so: Du musst Deine Entscheidung für ein Kind auf jeden Fall mit Deiner jetzigen Lebenssituation, den dazu gehörenden Zukunftsaussichten und Deiner Vorstellung der Gestaltung dieser, genau abwägen. Bist Du Dir, ganz für Dich, sicher kein Kind zu wollen, dann halte Dich daran. Auch wenn es ungewollt passieren sollte, dass Du schwanger wirst!
Lies das Buch fertig und versetze Dich in die verschiedenen Situationen. Stelle Dir auch viele kraft- und mutlose Stunden und Tage vor, an denen Du an Deinem Leben zweifelst. Höchstwahrscheinlich denkst Du dann ganz heimlich und ewig unausgesprochen (weil es ja nicht anständig ist): „Ich wollte das alles nicht. Mein Leben hat sich so verändert, wie ich es eigentlich nicht wollte. Als es bevorstand, hätte ich es noch abwenden können, aber jetzt ist es zu spät.“ Natürlich liebst Du Dein Kind und nimmst es mit ganzer Kraft ab dem Moment der Geburt auf. Aber in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft, also der Zeit, in der eine Schwangerschaftsabbruch erlaubt ist, besteht eigentlich noch keine Seelen-Verbindung zwischen euch (außer dem Blutkreislauf). Du kennst den Menschen noch gar nicht, der in Deinem Bauch als Zellformation heranwächst Du hast keine Ahnung, ob dieser Mensch gutmütig oder zänkisch, anhänglich oder abweisend, realistisch oder überheblich wird, ob krank, behindert oder ob er noch in der Jugend einen tödlichen Unfall haben wird, an dem Du den Rest Deines Lebens kaust. Den Möglichkeiten sind so wenig Grenzen gesetzt wie der Phantasie.
Also gehe in Dich, und kläre das Thema nur mit Dir alleine! Ist es der richtige Mann und Vater? Möchtest Du diese Lebensveränderung? 18 Jahre für einen anderen Menschen mitdenken, mitarbeiten und die volle Verantwortung tragen? Möchtest Du die eventuellen und unvorhersehbaren Veränderungen Deiner Psyche, Deines Körpers, Deines Umfeldes und Deiner finanziellen Situation? Der Menschheit und...