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Visuelle Methoden in der Autismus-spezifischen Verhaltenstherapie (AVT)

Das 'Cartoon und Skript-Curriculum' zum Training von Sozialverhalten und Kommunikation

AutorVera Bernard-Opitz
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl178 Seiten
ISBN9783170238756
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis44,99 EUR
Soziale und kommunikative Fähigkeiten sind entscheidend für die Entwicklung von Familienbeziehungen, den Aufbau von Partnerschaften, Inklusion und beruflichen Erfolg. Dennoch gibt es nur wenige Programme zum Erlernen dieser Fähigkeiten. Das trifft besonders für Kinder mit Asperger Syndrom (AS) oder High-Functioning Autism (HFA) zu. Das Buch stellt Methoden der Autismus-spezifischen Verhaltenstherapie (AVT) dar. Erprobte Fördermaterialien werden aufgezeigt und komplexe Langzeitziele in überprüfbare Kurzzeitziele unterteilt. Da viele Betroffene visuelle Lerner sind, verdeutlicht ein Cartoon und Skript-Curriculum für Autismus (CSA) das konkrete Vorgehen.

Dr. Vera Bernard-Opitz (Em. Assoz. Prof. NUS) ist Klinische Psychologin, Verhaltenstherapeutin und BCBA-D (Board Certified Behavior Analyst-Doctorate) und arbeitet als Autorin, Supervisorin und Herausgeberin einer Autismuszeitschrift.

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Leseprobe

1         Einleitung


 

 

Dieses Praxishandbuch ist der Versuch, unsere Bücher »Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen« (Bernard-Opitz 2007, in Vorb.) und »Praktische Hilfen für Kinder mit Autismus-Spektrum-Störungen« ((Abk: ASS) Bernard-Opitz & Häussler 2010, 2013) für Kinder und Jugendliche mit einem höheren Funktionsniveau zu erweitern. Es wurde auf Anregung von Eltern und Kollegen geschrieben, die Ideen aus den bisherigen Büchern zwar hilfreich fanden, aber besonders für Betroffene mit einem höheren Funktionsniveau Unterstützung benötigen. Leider war es aus zeitlichen Gründen nicht möglich, dieses Buch wieder gemeinsam mit Anne Häussler zu schreiben. Erfreulich war dagegen, von meiner Tochter Andra durch die erfrischenden Cartoon-Zeichnungen unterstützt zu werden. Ich hoffe, sie gefallen unseren Lesern so gut wie den Kindern und Jugendlichen mit ASS.

Das vorliegende Cartoon und Skript-Curriculum für Kinder mit Autismus (CSA) ist aus der Praxis mit betroffenen Kindern und Jugendlichen entstanden. Es wurde in der Einzeltherapie, in intensiven ABA/AVT (Applied Behavior Analysis/Autismus-spezifischer Verhaltenstherapie) Haustrainings und in Sozialtrainingsgruppen umgesetzt. Hierbei sind eigene Ideen, Konzepte verschiedener Kollegen, aber auch Anregungen von Eltern, ihren Kindern und ihren Teams eingeflossen. Wir sind daher allen Beteiligten sehr dankbar. Besonders hilfreich waren die Diskussionen und das detaillierte Feedback meiner langjährigen Kollegin, Ute Genser-Dittmann (Heidelberg). Bei der Durchsicht des Curriculums hat sie immer wieder die Perspektive der Kinder und Jugendlichen eingenommen und so wesentlich zur Verständlichkeit der Cartoons beigetragen.

Auch Frau Döring vom Kohlhammer Verlag gilt mein herzlicher Dank für das gründliche Redigieren des Manuskripts und die freundliche Unterstützung.

1.1        Ziele des Buches


Ziel des vorliegenden Buches ist es, Kindern mit Autismus-Spektrum-Störungen zu helfen, besser »sozial anzukommen«, Freunde zu finden, kompetentere Gesprächspartner zu sein, flexibler zu sein und hoffentlich sogar stressfreier zu leben. Viele dieser Ziele haben auch wir »Neurotypischen« als lebenslange Fernziele. Naturgemäß können nur einige wesentliche Schritte auf diesem Weg aufgezeigt werden. Dieses Buch beansprucht daher nicht, ein vollständiges Sozial- und Kommunikationstraining zu sein, sondern Orientierungspunkte und Anregungen zu einem sinnvollen Curriculum zu geben. Hierbei werden Beispiele in Form von Cartoons, Skripten, Fragen und Rollenspielen vorgegeben, die sich sowohl für Kinder ab einem Entwicklungsalter von etwa 2½ Jahren als auch für Jugendliche und zum Teil sogar Erwachsene mit ASS eignen.

Der Curriculum-Teil des Buches zeigt Langzeitziele auf, die für betroffene Kinder und Jugendliche und ihre Bezugspersonen wichtig sind. Hierzu gehört zum Beispiel das Fernziel, »beliebt zu sein und Freunde zu bekommen«. Fernziele wie diese werden von Eltern, Erziehern und Lehrern oft als zentrale Wünsche angegeben, sind jedoch sehr komplex. Durch mehrere Kurzzeitziele mit überschaubaren Aufgaben wird es realistischer, solche Langzeitziele zu erreichen. So steigt zum Beispiel die Chance, beliebt zu sein, wenn man teilt, hilft oder bereit ist für Kompromisse. Bei jedem dieser Kurzzeitziele werden Aufgaben durch Cartoons und Skripte eingeführt.

Soziale Fähigkeiten setzen zunächst voraus, dass man sich einer sozialen Situation bewusst ist und auf Kontaktangebote eingeht. Daneben sollte man seine eigenen Gefühle und Gedanken kennen und, so gut es geht, kontrollieren. Kinder müssen zu Beginn lernen, dass Menschen andere Gefühle und Gedanken haben als sie selbst. Dieses sogenannte »Einnehmen einer sozialen Perspektive« ist wichtig, um nicht nur oberflächliche soziale Floskeln zu lernen, sondern aus dem Verstehen des Gegenübers angemessen zu interagieren.

Hierbei wird durch Auswahlbilder und »Kontingenzmappen« verdeutlicht, dass positive bzw. negative Verhaltensweisen des Kindes zu positiven bzw. negativen Konsequenzen führen. Fragebögen, Rollenspiel und Videomodellierung zu dem jeweiligen Ziel legen eine Basis dafür, dass Kurzzeitziele in den Alltag übertragen werden. Hierbei werden verhaltenstherapeutische mit visuellen Methoden kombiniert.

Wir hoffen, dass die Fallbeispiele sowie das CSA-Curriculum dabei helfen, komplexe Verhaltensziele in überschaubare Schritte zu unterteilen, konkrete Aufgaben zu entwickeln und dabei gleichzeitig das Lächeln nicht zu verlieren. Fernziel muss in jedem Fall sein, dass neue Fähigkeiten nicht nur in der Therapiesituation gezeigt werden, sondern den Betroffenen helfen und in den Alltag übertragen werden.

So ist es besonders erfreulich, wenn Kinder und Jugendliche mit ASS durch neu erworbene Fähigkeiten ihre Umgebung beeindrucken wie in den folgenden Fällen:

•  Eine Mutter berichtete, dass ihr sechsjähriger Sohn gelernt hat, seinen Ärger durch die »Schildkröten-Methode« zu kontrollieren (sich vorzustellen, dass er sich in seinen Panzer zurückzieht, wenn Situationen zu schwierig werden) und »Dampf abzulassen« wie sein geliebter Thomas-der-Zug. Als sie vor kurzem ihre Geduld wegen seines endlosen Geredes verlor, schlug er ihr vor: »Mami, warum probierst Du nicht einmal die ›Schildkröten-Methode‹!«

•  Vor kurzem ertappte sich ein Teenager mit ASS in einem informellen Gespräch mit Gleichaltrigen und unterbrach seinen eigenen Monolog mit: »Oje, ich glaub, das war ein ›Ich-Gespräch‹ statt ein ›Wir Gespräch‹.«

Man kann sich fragen, wie viele Freundschaften, Karrieren oder sogar Ehen gerettet werden könnten, wenn die obigen sozialen Fähigkeiten und die entsprechende kommunikative Kompetenz in Schulen und Elternhäusern als genauso wichtig angesehen würden wie Lesen, Schreiben und Rechnen.

1.2       Wichtigkeit von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten


Soziale und kommunikative Fähigkeiten können Türen öffnen oder schließen. Sie entscheiden, ob jemand bereits in der Kita beliebt ist oder nicht. Sie sind oft ausschlaggebend, ob man als Erwachsener erfreuliche persönliche und berufliche Kontakte hat oder nicht. Wenn man die Wichtigkeit von sozialen Fähigkeiten bedenkt, sei es Blickkontakt, soziale Bewusstheit oder kommunikative Kompetenz, ist man erstaunt, dass sie normalerweise in der schulischen Erziehung keine Rolle spielen. Im Vergleich zu Lesen, Schreiben und Rechnen gibt es »Sozialtraining« meist nicht als gut gebundenes Buch, klar strukturierter Lehrplan oder benotetes Schulfach.

Die enorme Zunahme von ASS in den vergangenen Jahren hat besonders im englischsprachigen Bereich zu einer Zunahme an Sozialtrainingsprogrammen geführt. So gibt es zum Beispiel Programme zum »Versteckten Curriculum« (»Hidden Curriculum«, Myles et al. 2004), zum Selbstkontrollverhalten (Camp & Bash 1981; Buron & Curtis 2004), zum Erlernen von Small Talk und Kommunikation (Jenny et al. 2012) oder auch zum Erlernen, ein »Sozialer Detektiv« (Winner 2007) oder ein guter Freund zu werden (Baker 2004). Viele praktische Anregungen für das Training von Sozialverhalten in Kleingruppen erhält man unter anderem durch Trainingsprogramme wie SOKO (Häussler et al. 2003; 2011), das KOMPASS-Training (Jenny et al. 2012), das Programm Social Skills Solutions (Krempa & McKinnon 2002) oder den CAT Kit (Attwood et al. 2008). Eine gute deutsche Übersicht über Methoden und Möglichkeiten des Sozialtrainings befindet sich bei Matzies (2010).

Lernziele beziehen sich dabei selbst auf subtile Verhaltensweisen wie gemeinsamen Blickkontakt (Joint attention), Verständnis und Ausdruck von Gefühlen sowie auf verschiedene Komponenten von kommunikativer Kompetenz. Selbst die Fähigkeit, sich in andere »einzudenken« und seine Perspektive anzunehmen (sog. »Theory of Mind«, Hobson 1993; Ozonoff & Miller 1995) oder auch zu wissen, wie die eigenen Gedanken, Gefühle und das eigene Verhalten einander beeinflussen (Attwood et al. 2008), kann durch bestimmte Programme erlernt werden (s. auch Jenny et al. 2011).

Ein vielfach diskutiertes Problem von Sozialtrainingsprogrammen ist die Entwicklung von Methoden, die in den Alltag übertragen werden (siehe die ausgezeichnete Zusammenfassung von Loomis 2008). Oft ist es notwendig, Brücken zu schlagen zwischen einem Training in einer stark strukturierten Übungssituation und weniger vorhersehbaren Alltagsgegebenheiten. Ohne eine derartige »Generalisation« sind auch die besten Programme nur sehr eingeschränkt sinnvoll. Daher werden im Praxisteil...

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