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Vorsicht Schwiegermutter!

Widerstand zwecklos. Schwiegertöchter und -söhne berichten.

AutorAnja Koeseling, Heike Abidi
VerlagEden Books - ein Verlag der Edel Verlagsgruppe
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783959100083
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Die Schwiegermutter ist die ultimative Belastungsprobe für jede Beziehung. Egal, ob sie den Liebsten mit einem Fingerschnippen wieder in einen Zwölfjährigen verwandelt, die Familie zu Weihnachten mit furchtbaren Geschenken überhäuft oder gleich ganz bei dem frisch vermählten Paar einzieht - die Schwiegermutter sorgt garantiert in jeder Ehe für Trubel. Nun plaudern Schwiegertöchter und -söhne erstmals aus dem Nähkästchen! Mit viel Humor erzählen sie von ihren absurdesten Erfahrungen mit dem Phänomen Schwiegermutter - und von den kreativen Strategien, die sie entwickelt haben, um das Eheglück trotz allem zu bewahren.

Anja Koeseling war als Journalistin und Publizistin tätig, bevor sie 2008 die Literaturagentur Scriptzz mit Sitz in Berlin gründete. Heute schreibt sie Sachbücher.

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Leseprobe

Kapitel 1


Erstkontakt: Die Schwiegermutter,
das unbekannte Wesen


Verliebtheit ist ja neurobiologisch gesehen nichts anderes als eine psychische Erkrankung mit wahnhaften Zügen.

Zwangsgedanken, manische Erregungszustände und gelegentliche Halluzinationen (Mein Handy hat gezwitschert. Doch. Ich habe es genau gehört.) würden normalerweise vollkommen ausreichen für eine anständige Einweisung in die Psychiatrie. Es gibt nur einen einzigen Grund, warum das nicht geschieht: Man kann ja nicht ganze Menschenhaufen in der Psychiatrie einquartieren.

Dann aber folgt das kalte Erwachen. Denn wenn die Bindung aus welchen Gründen auch immer die Zeit der psychischen Störung überdauert, stellt man fest: Der »einzig geliebte« Mensch mag zwar der einzige sein, den man liebt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass eine ganze ­Sippe an ihm dranhängt, die vorher – irgendwie – noch nicht so prominent war. Und diese Sippe will jetzt das neue potenzielle Familienmitglied kennenlernen.

Genauer gesagt: die Schwiegermutter.

Normalerweise begegnet man ihr schon innerhalb des ersten Jahres der aufkeimenden Liebe, die so zart und verletzlich ist. Doch wehe, man erfüllt nicht die Erwartungen der Frau Mama. Dann wirkt diese nicht wie Dünger auf das Pflänzlein, sondern vielmehr wie ein Rasenmäher – und man steht ganz schnell wieder allein da. Denn rein instinktiv ­betreibt die potenzielle Schwiegermutter eine natürliche Auslese in ihrem Revier. Dem Kandidaten oder der Kandidatin drohen viele Stolpersteine: Was macht man denn beruflich? Und die eigenen Eltern, die sind hoffentlich noch zusammen, denn daran erkennt man ja immer schnell die Bindungsfähigkeit … Also nein, Vegetarismus, eine Unart, die rein gar nicht in ihr ­Rudel passt, der Bub isst doch so gern seinen Sonntagsbraten. Wie steht es denn mit der Religion? Und Kindern? Und Putzen? Hat man bei diesem Casting für »Deutschland sucht die Superschwiegertochter/den Superschwiegersohn« vor der Schwiegermutter-Version von Dieter Bohlen bestanden und ist in den Recall gekommen, geht es eigentlich erst richtig los.

Meine Hochzeit, zwei Schamaninnen und ein Albtraum aus 1001 Nacht


Ben und ich sind seit acht Jahren ein Paar, seit vier Jahren sind wir Eltern unserer kleinen, ziemlich niedlichen Tochter ­Paulina. Warum wir nicht verheiratet sind? Weil wir diesen bürokratischen Verwaltungsakt beide spießig fanden. Doch nun ist es trotzdem bald so weit: Ben hat mir während des Winterurlaubs in einer verschneiten Berghütte einen romantischen Antrag gemacht und ich habe Ja gesagt. Wir würden heiraten – und zwar am 6. Juli!

Unsere Kleinfamilie lebt in einer Vorstadt in einer großen Etagenwohnung mit wunderschöner Dachterrasse. Eigentlich ist unser Leben so schön, dass wir die Hauptdarsteller einer Fernsehwerbung für reich machende Finanz­produkte, kalorienfreie Butter oder super-mega-ultra-turbo-weiß ­waschendes Waschmittel sein könnten. Wäre da nicht meine zukünftige Schwiegermutter.

Hildegard hat vor 15 Jahren Bens Vater – der mittlerweile leider verstorben ist – verlassen und ist in die weite Welt aufgebrochen: Nach Stationen in Indien, Sri Lanka und Nepal wohnt sie nun seit vielen Jahren in den USA. Sie ist ­gelernte Silberschmiedin und verdient genug mit handgefertigtem Schmuck, um sich ein großes Haus in den Hügeln bei Los Angeles leisten zu können. Ich kannte sie bisher nur vom ­Telefon und von Fotos, unser Kontakt war eher sporadisch.

Ben hat ein sehr entspanntes Verhältnis zu seiner Mutter – er macht sich keine Sorgen, wenn sie sich mal monatelang nicht meldet. In mein Leben aber brach Hildegard herein wie ein Unfall, der jemand anderem passiert und von dem man den Blick nicht abwenden kann.

Als wir ihr vor vier Monaten am Telefon von unseren Hochzeitsplänen berichteten, beschloss sie, zu unserem schönsten Tag nach Deutschland zu kommen. Dabei war sie nicht mal zur Geburt unserer Tochter Paulina erschienen.

Es war wohl so weit: Ich sollte meine Schwiegermutter endlich persönlich kennenlernen.

16. Mai – noch 53 Tage bis zur Hochzeit


Unser Familienzusammenführungs-Date begann mit Terminschwierigkeiten. Ben rief seine Mutter an und fragte, wann sie denn Zeit hätte, um mit uns gemeinsam essen zu gehen – schließlich würde sie Anfang Juni in Deutschland ankommen und während ihres Besuchs bei ihrer Freundin Gerdi übernachten.

Mitten während des Gesprächs legte Ben den Hörer für einen Moment zur Seite und fragte mich: »Andrea, wann bist du geboren?«

Ich guckte ihn verdutzt an: »Du weißt nicht, wann ich ­Geburtstag habe?«

Er antwortete: »Doch, na klar. Aber ich meine die Uhrzeit! Meine Mutter muss das wissen, um den Termin für unser ­gemeinsames Essen zu berechnen.«

»Wie … was …?«, stotterte ich. »Moment, ich gucke nach.« Ich griff mir das Fotoalbum mit meinen Kinderfotos. Darin befand sich eine Geburtsanzeige, die meine Mutter liebevoll zusammen mit einer Locke meiner Babyhaare in das Album eingeklebt hatte. »6 Uhr 37!«, informierte ich Ben.

Ben gab seiner Mutter die Uhrzeit durch und legte auf.

»Sag mal, Schatz … wieso braucht deine Mutter die ­genaue Zeit meiner Geburt, um einen Termin zum Essen mit uns zu vereinbaren?«, fragte ich.

Sie ist eben Schamanin und deswegen kann ein solches Date nur nach komplexen Berechnungen der Mondphasen in Verbindung mit unseren Tierkreiszeichen und den Aszendenten ­geplant werden.

Er zuckte nur die Achseln. »Du weißt doch, meine Mutter ist ein bisschen anders. Aber eigentlich ist sie auch total normal. Sie ist eben Schamanin und deswegen kann ein solches Date nur nach komplexen Berechnungen der Mondphasen in Verbindung mit unseren Tierkreiszeichen und den Aszendenten geplant werden.«

Ich prustete innerlich los: Die Mutter meines bodenständigen, rationalen Bens war Schamanin? Sofort hatte ich ein kunterbuntes Kopfkino am Start: Ich sah die Frau, die ich bisher nur von Fotos kannte, in weiten, erdfarbenen Wallegewändern mit einer Adlerschwinge in der Hand um ein Feuer kreisen, während sie wie in Trance vollkommen unverständ­liche Dinge in sich hinein murmelte. Zwischendrin drehte sie den Kopf in Richtung Himmel und stieß kleine, spitze Schreie aus …

Zwanzig Minuten später klingelte das Telefon, Ben nahm den Hörer und stellte auf laut. »Der 8. Juni wäre ideal! Die Sternenkonstellation passt perfekt zu uns – wir müssen uns am besten um vier Uhr in der Früh treffen!«

»Mutter, der 8. Juni ist ein Sonntag. Andrea und ich möchten an diesem Tag gern ausschlafen. Und außerdem können wir Paulina nicht mitten in der Nacht aus dem Bett holen. Wie wäre es, wenn wir uns zum Brunch in der kleinen Brasserie am Marktplatz treffen, wo wir früher schon zusammen mit Papa waren? So gegen elf Uhr?«

Widerwillig gab Bens Mutter nach: »Nun gut, vier Uhr früh wäre perfekt gewesen, aber elf Uhr ist auch eine gute Zeit für dieses Treffen. Hauptsache, es wird nicht nach 17 Uhr, das wäre gar nicht gut!«

Ich saß mit offenem Mund auf der Couch – das konnte ja heiter werden!

8. Juni, 10.30 Uhr


Langsam wurde ich nervös: Gleich sollte ich meine Schwiegermutter kennenlernen. Sie war vor zwei Tagen in Frankfurt gelandet und sofort zu ihrer Freundin Gerdi einen Ort weiter gefahren. Ich packte meine Handtasche und nahm Paulina an die Hand. Auf dem Weg zum Auto sah Ben mich auf einmal so komisch an.

»Was ist?«

»Ach, nichts.«

Am Marktplatz fanden wir recht schnell einen Parkplatz und liefen zur kleinen Brasserie – ich freute mich vor allem auf einen leckeren Brunch. Ben öffnete die Tür und wir traten ein. Einen kleinen Augenblick mussten sich meine Augen an das Dunkel gewöhnen und dann sah ich sie: Hildegard! Sie hatte leuchtend rot gefärbtes Haar, lange Fingernägel, die im selben Farbton lackiert waren, und ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, die ihr aber nicht schlecht standen. Sie trug ­farbenfrohe, bequem und trotzdem chic aussehende Kleidung in verschiedenen Rottönen. Hildegard stürmte auf uns zu, öffnete ihre Arme und rief dabei einen Tick zu laut: »Ben! Andrea! Und die kleine Paulina! Ich freue mich so sehr, euch zu sehen!«

Sie knutschte uns der Reihe nach ab, wobei Paulina einen Flunsch zog. »Kommt zu uns an den Tisch, Pamuy freut sich auch schon auf euch!«

Ich warf Ben einen fragenden Blick zu: Wer ist Pamuy? Ben zuckte nur mit den Schultern und wir steuerten zielstrebig auf einen Tisch in der Ecke zu. Dort saß eine Frau, ebenfalls Mitte sechzig, ebenfalls sehr gepflegt, ebenfalls sehr bunt angezogen – wobei sie ganz offensichtlich Lila und Pink liebte und auch verschiedenen Grüntönen gegenüber nicht ganz abgeneigt war.

Ben umarmte Pamuy und sagte: »Gerdi, schön, dich auch mal wieder zu sehen!« Aha, das war also die beste Freundin von Bens Mutter.

»Ich heiße jetzt Pamuy«, sagte Gerdi. »Diesen Namen hat deine Mutter für mich erträumt! Er bedeutet ›Wassermond‹ – passt das nicht perfekt?« Ben und ich guckten uns schon wieder fragend an. »Na, ich kann doch bei Vollmond nie schlafen und außerdem gehe ich so gern schwimmen!«, ­erklärte Pamuy-­Gerdi.

Schon stand der Kellner bei uns am Tisch und nahm die Bestellungen auf. Die Gespräche drehten sich um alte Zeiten, die vielen Kleinstadtgeschichten, die seit der Abreise von Bens Mutter passiert waren, und natürlich auch um Paulina und unsere Hochzeit.

Es hätte ein entspannter Sonntag werden können, wenn Paulina nicht irgendwann »Oma Hildegard« gesagt hätte …

Meine Schwiegermutter blickte uns alle drei streng an: »Oma?...

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