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E-Book

Walter Ulbricht

Eine deutsche Biografie

AutorMario Frank
VerlagSiedler
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl540 Seiten
ISBN9783641010409
FormatePUB/PDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Walter Ulbricht, 1893 in Leipzig als Spross einer sächsischen Handwerkerfamilie geboren, schloss sich nach einem Zwischenspiel bei der SPD früh der kommunistischen Bewegung an. Er wird Reichstagsabgeordneter der Kommunistischen Partei und geht im Oktober 1933 in die Emigration nach Prag, Paris und Moskau, wo er Herbert Wehner wiedertrifft. Für sein Buch hat Mario Frank erstmals geheime Unterlagen der Kommunistischen Internationale eingesehen, die diese wichtige Lebensphase von Ulbricht erhellen.

Am Tag von Hitlers Selbstmord, dem 30. April 1945, kehrt er als Leiter der 'Gruppe Ulbricht' nach Deutschland zurück und beginnt die administrative Arbeit in der sowjetisch besetzten Zone. Im Oktober 1949 wird die DDR gegründet, Ulbricht wird stellvertretender Ministerpräsident, im Juli 1950 Generalsekretär des ZK der SED. Damit schlägt die Stunde des Administrators, der Fünfjahrespläne entwirft, mit dem 'planmäßigen Aufbau der Grundlagen des Sozialismus' beginnt und persönlich Todesurteile verhängt. Mario Frank zeigt die Machtkämpfe der SED-Nomenklatura, die Erschütterung des Machtgefüges am 17. Juni 1953, den Eifer und die Machtbesessenheit Ulbrichts, der alle Krisen übersteht und schließlich 1960 Staatsratsvorsitzender wird. Akribisch in der Vorbereitung von Konferenzen und Zusammenkünften, fleißig im Aktenstudium, taktisch geschickt und verschlagen, hochfahrend und katzbuckelnd zugleich erscheint Walter Ulbricht, der vor allem in den sechziger Jahren, der eigenen Bevölkerung verhasst, um Anerkennung nach außen und Zuneigung im Innern rang. Was waren hinter alldem Eifer und der Energie Ulbrichts eigentliche Antriebe, seine Ideen und Ziele? Wollte Ulbricht anfangs die Einheit Deutschlands? Strebte er die Sowjetisierung der DDR an? Wie sollte dieser deutsche Staat überhaupt beschaffen sein? Ulbricht waren, trotz Mauer und Stacheldraht und eines furchtbaren Unrechtssystems, reformerische Ansätze nicht fremd. Nach dem von ihm vorangetriebenen Mauerbau gelang in der DDR ein 'Rotes Wirtschaftswunder'. Aber Ulbricht war zu sehr dem dogmatischen Denken seiner Herkunft und Prägung verhaftet, um Reformen konsequent durchzuführen.

1971 wurde Walter Ulbricht als SED-Generalsekretär von Erich Honecker abgelöst und in seinen beiden letzten Lebensjahren ins politische Abseits gedrängt. Der nahezu achtzigjährige Staatsratsvorsitzende wurde im Auftrag Erich Mielkes von seinem Fahrer bespitzelt.

Mario Frank wurde 1958 in Rostock geboren und wuchs in der Schweiz auf. Er studierte Rechtswissenschaften in Regensburg und Freiburg im Breisgau. Heute ist er als Geschäftsführer der 'Sächsischen Zeitung' und der 'Morgenpost' in Dresden tätig. 2001 erschien bei Siedler sein viel beachtetes Buch 'Walter Ulbricht. Eine deutsche Biografie'.

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Leseprobe
Auf dem Abstellgleis: 1971–1973 (S. 429-432)

Bis Mitte der sechziger Jahre hatte Ulbricht nach dem Urteil seines Leibarztes, Arno Linke, über eine für sein Alter hervorragende körperliche Verfassung verfügt: »Es war für mich immer wieder erstaunlich zu beobachten, wie gut mein Patient diese langen Tage mit abendlichen Anstrengungen verkraftete . . . Nur in den allerseltensten Fällen ließ er sich sichtlich erschöpft in den Sessel sinken.«

Abgesehen von einer Gallenblasenoperation, die Ulbricht im Moskauer Kreml-Krankenhaus vornehmen ließ, hatte er keine größeren operativen Eingriffe über sich ergehen lassen müssen. Sein einziges erwähnenswertes gesundheitliches Problem waren starke Blutdruckschwankungen, unter denen er seit vielen Jahren litt. Ab 1969 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand altersbedingt rapide. Nach einer Ischämie, einer Mangeldurchblutung der Herzkranzgefäße, im Januar 1966 kam es im Sommer 1969 zu einem erneuten Problem mit dem Herzen, in dessen Folge sich Ulbrichts Gesamtzustand merklich verschlimmerte.

Ein grippaler Infekt im Oktober 1969 zog eine weitere Verschlechterung der biologischen Leistungskurve nach sich. Hinzu kam ein langsamer, permanenter Anstieg des Blutdrucks. Ausgiebige Kuren in Barwicha brachten vorübergehend Linderung. Als Arno Linke Ulbricht und seine Frau Mitte März 1971 von der Kur abholte, hielt er erfreut fest, dass der Aufenthalt seinem Patienten gut getan hatte: »Alle klinischen Parameter waren sogar besser, als altersgemäß zu erwarten war. Die Blutgerinnungswerte, die mir am meisten Sorge bereiteten, lagen nach seiner Rückkehr im Normbereich.«

Nur vier Monate später, nach seinem zwangsweisen Rücktritt, war Ulbricht ein todkranker Mann. Arno Linke hatte seinen Patienten zwischenzeitlich immer wieder auf die erhöhten Blutdruckwerte aufgrund der Arteriosklerose der Gefäßwände hingewiesen. Ulbricht hatte jedes Mal geantwortet: »Bis Ende Juni muss ich durchhalten, dann machen Sie mit mir, was Sie wollen, Doktor!«3 Der SED-Chef mutete sich zu viel zu. Der 14. Juni 1971, der Vorabend des achten Parteitags der SED, war ein schwül-heißer Tag. Wie sehr Ulbricht seinem Nachfolger rein physisch immer noch im Weg stand, machte die Begrüßungsszene bei Breschnews Ankunft auf dem Flughafen in Berlin-Schönefeld deutlich.

Der sowjetische Parteichef hatte noch nicht die Gangway verlassen, als Honecker sich vor laufenden Fernsehkameras an Ulbricht vorbeidrängte und diesen rüde zur Seite schob, um Breschnew als Erster den Bruderkuss auf die Wange drücken zu können. Am selben Abend nahm Ulbricht trotz der Anstrengungen des Tages noch am Empfang für die ausländischen Gäste teil. Als er endlich zu Hause war, erlitt er einen Kreislaufkollaps und wäre ohnmächtig zusammengebrochen, wenn es seiner Frau nicht noch mit größter Anstrengung gelungen wäre, ihn ins Bett zu bringen. Um 22.30 Uhr schrillte bei Arno Linke das Telefon, und eine erregte Stimme rief ihn in das Haus sieben in Wandlitz.

»Ulbricht lag leicht erhöht, durch ein Kissen gestützt, auf seinem Bett. Dunkle Ringe umschatteten seine Augen. Aus weit geöffneten Pupillen blickte er mir angstvoll entgegen . . . Tiefe Falten lagen um seinen Mund. Auf seinem bleichen Gesicht stand kalter Schweiß. Angestrengt und oberflächlich atmete er, und als ich die Pulsfrequenz maß, erschrak ich. Vor etwa drei Stunden noch relativ kräftig, war sein Puls jetzt klein, beschleunigt, unregelmäßig und kaum mehr zu tasten.«Jedes Wort über eine Teilnahme Ulbrichts am morgigen Parteitag erübrigte sich angesichts dieses Gesundheitszustandes. So musste seine Rede, an der er so intensiv gearbeitet hatte, statt seiner vom Politbüromitglied Hermann Axen verlesen werden.
Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
»Der Spitzbart muss weg!«: Juni 19539
Kindheit und Jugend: 1893–191835
Ein Arbeiterkind37
Turnverein und Tischlerlehre42
Wanderschaft46
Sozialistischer Jungfunktionär50
Infanterist im Ersten Weltkrieg52
Der Funktionär: 1918–193355
Der Revolutionär57
Der gescheiterte Umsturz66
Im Dienst der Komintern69
Der Abgeordnete75
Bei der Komintern79
KPD-Chef von Berlin83
Das Ende der KPD93
Kampf um die Parteiführung96
Im Exil: 1933–1938101
Paris103
Neue Führungskämpfe106
Prag112
Die neue Kominternstrategie114
Ein Streit mit Todesfolgen117
Wieder in Prag121
Die Volksfront124
Im Bann Stalins: 1938–1945135
Parteiverfahren gegen Ulbricht137
Wieder im Dienst der Komintern144
Der Hitler-Stalin-Pakt150
Leben im »Lux«154
Angriff auf die Sowjetunion156
Kritik an der KPD-Führung163
Stalingrad165
Die Auflösung der Komintern169
Das Nationalkomitee Freies Deutschland170
Rückkehrvorbereitungen174
Stalin bremst177
Sowjetischer Statthalter: 1945–1953181
Rückkehr nach Deutschland183
Hilfsorgan der sowjetischen Besatzungsmacht185
Das »Regime der Stellvertreter«188
Die Moskau-Emigranten setzen sich durch191
Die Machtergreifung der KPD198
Aus KPD und SPD wird SED202
Lebensziel Sozialismus206
Der Generalsekretär215
Gründe für den Aufstieg218
Säuberung der SED229
Stalins neue Deutschlandstrategie233
Baumeister des Sozialismus237
Krisenjahre: 1953–1958241
Diktatur243
Stalin und sein deutscher Vasall244
Der 17. Juni und der »Neue Kurs«248
Der 20. Parteitag der KPdSU250
Aufstand gegen Ulbricht254
Ein Schlag ins Genick der Intellektuellen260
Der Privatmann273
Die Familie275
Die Freunde282
W. U.284
Leidenschaft Sport287
Leben im »Getto«290
Der Kunstliebhaber295
Der Diktator: 1958–1965297
Alleinherrschaft299
Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates317
Vorsitzender des Staatsrates319
Personenkult und Hass322
Die Bundesrepublik einholen und überholen334
Ulbricht, Chruschtschow und Deutschland340
Der Bau der Mauer346
Das rote Wirtschaftswunder351
Neue Kader braucht das Land355
Angriff auf Honecker357
Der Apparat schlägt zurück361
Das »Kahlschlag«-Plenum177368
Zwischen Breschnew und Honecker: 1965-1971373
Ulbricht am Nil375
Deutschlandpolitik378
»Der Alte taugt nichts mehr«385
Der Prager Frühling393
Die Wirtschaftskrise397
»Man muss Brandt helfen«401
Der Kronprinz410
Die Absetzung Honeckers scheitert415
Der Sturz420
Auf dem Abstellgleis: 1971–1973429
Nachwort449
Anhang451
Anmerkungen453
Bibliografie517
Abkürzungsverzeichnis529
Register531
Abbildungsnachweis539

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