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E-Book

Warum Raben die besseren Eltern sind

AutorAngelika Bartram, Jan-Uwe Rogge
VerlagGRÄFE UND UNZER
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783833843884
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Jan-Uwe Rogge, einer der bekanntesten Referenten und Bestsellerautoren zu Erziehungsthemen, zeigt Ihnen sehr humorvoll, wie Sie bei Ihren Kindern eine gute Balance finden zwischen Halt geben und Loslassen. Viele Eltern neigen heute zum Klammern, Kontrollieren und Überbehüten - oft in bester Absicht. So berauben sie jedoch ihre Kinder um unendlich viele Lern- und Entfaltungsmöglichkeiten sowie um die Chance, an Hindernissen zu wachsen. Das Ergebnis sind häufig (fast) erwachsene, lebensuntüchtige Nesthocker. In diesem Buch erfahren Mütter und Väter, was häufig schiefläuft und was das für sie selbst und vor allem für ihre Kinder bedeutet. Mit seinem warmherzigen Humor und typischen, unterhaltsamen Eltern-Kind-Dialogen aus dem prallen Familienalltag schafft Jan-Uwe Rogge es immer wieder, Eltern zielgenau, aber nie verletzend den Spiegel vorzuhalten. Selbstverständlich gibt er auch viele praktische Anregungen - Anstöße zum Nachdenken über das eigene Verhalten sowie konkreten Rat und Tipps.

Dr. Jan-Uwe Rogge ist Buchautor, Publizist und einer der erfolgreichsten deutschen Familienberater. Er veranstaltet im Jahr über 100 bestens besuchte Vorträge und Seminare im In- und Ausland. Viele seiner Bücher sind Bestseller geworden und werden weltweit in 21 Sprachen gelesen. Daneben ist er regelmäßiger Gast im Rundfunk und in TV-Talkshows, wo er immer wieder gerne als Experte für Erziehungsfragen eingeladen wird. Auch bei GU hat er bereits mehrere erfolgreiche Bücher veröffentlicht, darunter 'Wie Sie reden, damit Ihr Kind zuhört und wie Sie zuhören, damit Ihr Kind redet'. Jan-Uwe Rogge ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt bei Hamburg. www.jan-uwe-rogge.de

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Leseprobe

Eltern sein heute


Eltern sind heute ständig unter Beobachtung. Sie werden schnell in Schubladen gesteckt, schnell stigmatisiert. Medien spielen dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle: Sie zählen in regelmäßigen Abständen auf, was Eltern alles falsch machen, was sie nicht können, was sie unterlassen. Und daraus werden dann Folgen für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung abgeleitet. Es wird dabei immer »über« die Kinder gesprochen. Sie selbst finden kaum ein Sprachrohr. Dabei wird übersehen, dass Kinder ja nicht nur Objekte der Erziehung sind. Kinder lassen sich nicht alles gefallen, sie gestalten ihre Wirklichkeit auch selbst, sie sind eigenständige Subjekte, die zugleich auch ihre Eltern, ihre Umgebung erziehen.

FRÜHER WAR ALLES BESSER?


Erziehung ist also ein komplexer Prozess, der nicht auf eine einfache Gleichung zu bringen oder als monokausaler – aus a folgt b – Zusammenhang zu sehen ist. Zweifelsohne wünschen wir uns das zuweilen. Dann wäre die Wirklichkeit wunderbar überschaubar, wir hätten alles im Griff. Doch hat Erziehung eben nichts mit Mathematik zu tun, die alles auf den Punkt bringen will. Am Ende eines Erziehungsprozesses stehen manchmal viele Punkte, ja sogar Frage- oder Ausrufungszeichen. Denn Erziehung ist Beziehung, Begleitung der Kinder ins Leben und damit ein fortdauernder Prozess. Ein Prozess, der mit vielen Fragen, mit Unsicherheiten einhergeht: »Habe ich alles richtig gemacht?«, »Muss ich mir Sorgen machen?«, »Kann ich mein Kind schon in die Welt hinauslassen?«, »Fühlt es sich verstoßen?«.

Solche Fragen sind legitim! Denn Loslassen hat nichts mit Fallenlassen zu tun, und niemand will sein Kind – zu Recht – überfordern. Eltern bleibt man ein Leben lang und damit ein Stück weit in der Verantwortung für sein Kind. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite verkörpern die Kinder: Sie wollen sich auf ihre Eltern verlassen – einerseits –, aber ebenso wollen sie, dass Vater und Mutter sie auch loslassen. Dieses Wechselspiel ist manchmal im Fluss, manchmal aber ergibt sich daraus ein Drama, ein Drama, das unter dem Titel »Halt mich, aber lass mich los, lass mich los, aber halt mich« zu immer neuen Inszenierungen und Aufführungen gelangt. Und das bedeutet: Die familiären Realitäten sind vielschichtiger, als es manch populäre Schlagzeile darstellt. So verständlich der Wunsch nach Vereinfachung ist – schließlich braucht man ja ein Raster, in das man die Wirklichkeit einordnen kann –, dem Familienalltag wird man damit kaum gerecht.

Eltern machen einen tollen Job


Erziehung findet nicht im luftleeren Raum statt, außerhalb des Lebens, und wenn man damit fertig ist, entlässt man den Nachwuchs in die Wirklichkeit. Nein, Erziehung passiert jeden Augenblick, sie passiert, ob man es will oder nicht. Es ist unmöglich, nicht zu erziehen. Man kann nicht wählen zwischen »Heute erziehe ich mal« und »Morgen mache ich eine Pause«.

Ebenso kann man das Ergebnis von Erziehung nicht genau vorhersagen. Die Wirkung von Erziehung ist unsicher: Aus einem umtriebigen Kind muss nicht zwingend ein lebenstüchtiger Unternehmer werden. Oder, anders gesagt, ein selbstbewusster, eigenständiger Heranwachsender kann sich – widrige Lebensumstände vorausgesetzt – in einen von Zweifeln und Selbstzweifeln geplagten Stubenhocker verwandeln. Trotzdem gilt es, auf Erziehung – verstanden als Beziehung zwischen Eltern und Kind – nicht zu verzichten, auch wenn sie sowieso stattfindet und nichts garantiert ist. Es, Sisyphus gleich, immer und immer wieder zu versuchen, das ist die Devise für Eltern in der heutigen Zeit.

Die öffentliche Anprangerung »der« Eltern oder bestimmter Elterntypen verfehlt deshalb auch ihren – vielleicht gut gemeinten – Zweck. Schubladendenken hilft nicht weiter bei der Sisyphusarbeit Erziehung, und niemand hat etwas davon, wenn berufstätige Mütter gegen jene ausgespielt werden, die zu Hause bleiben, oder Väter, die eine lange Elternzeit nehmen, gegen jene, die den Karriereknick fürchten.

In diesem Zusammenhang wird schnell eine glorreiche Vergangenheit mit dem schlimmen Heute verglichen. Früher – so dann der Tenor – war alles besser, vor allem konnte man früher angeblich besser loslassen. Aber solche auf die Vergangenheit gerichteten Aussagen bringen den Eltern von heute, die jetzt Kinder erziehen, überhaupt nichts. Es ist gegenwärtig nicht schlimmer und war früher nicht besser, es ist eben anders. Rahmenbedingungen haben sich verändert. Und diese haben Auswirkungen auf das elterliche Erziehungsverhalten. Die Eltern von heute machen im Wesentlichen einen guten Erziehungsjob, sie leben Achtsamkeit und Fürsorge vor. »Meinen Sie das wirklich?«, hören wir da einige fragen. Natürlich sind wir dieser Auffassung, wissen aber sehr wohl, dass Eltern das Loslassen auf sehr verschiedene Weise im Alltag praktizieren und umsetzen, und wir wissen auch, dass am einen Ende der Skala jene stehen, die sich sehr schwertun mit dem Loslassen, und am anderen jene, die überhaupt keinen Halt geben.

»Ich beschäftige mich nicht mit dem, was getan worden ist. Mich interessiert, was getan werden muss.«

Marie Curie | polnische Physikerin und Chemikerin (1867 – 1934)

Hubschraubereltern und Wohlstandsverwahrlosung

Auf die genannten Eckpunkte wollen wir kurz eingehen, da in diesen Fällen das Gleichgewicht zwischen Loslassen und Haltgeben in bedenkliche Schieflage gerät.

Da gibt es einerseits die viel zitierten »Hubschraubereltern«, die ihr Kind im Kindergarten abgeben und danach die Einrichtung umkreisen wie Adler ihren Horst, nur um zu erspähen, wie es dem Kind ergeht. Oder die das Kind am liebsten mit dem Auto bis in das Klassenzimmer der Grundschule fahren würden, damit es nicht von saurem Regen getroffen wird. Oder sie legen sich mit den Lehrkräften an, um ihren Kindern einen guten Schulabschluss zu sichern. Diese Eltern wollen nur »das Beste« für ihren Nachwuchs (siehe auch >) und überwachen ihn ständig – wie ein Hubschrauber aus der Luft oder die klassische »Glucke« am Boden. Hier beginnt das Nicht-loslassen-Können. Dabei steht meist nicht das Kind im Mittelpunkt der Bemühungen. Hubschraubereltern erziehen nicht selbstlos, solche Erziehung ist an knallharte Bedingungen geknüpft, die später von den Kindern erfüllt werden müssen: »Ich habe früher für dich gesorgt, nun sorgst du für mich.« Allerdings: Hubschraubereltern mögen eine neue Unterart von Eltern sein, der Gedanke, der sich dahinter verbirgt, existierte auch schon früher. Es gibt – biblisch gesprochen – »Nichts Neues unter der Sonne«.

Neben einem Zuviel an (falsch verstandener) Beziehung, wie sie die Hubschrauber- oder Gluckeneltern pflegen, findet sich auch programmierte Beziehungslosigkeit bei materieller Verwöhnung – heute meist mit dem Begriff »Wohlstandsverwahrlosung« etikettiert. Hier sind Eltern am Werk, die Beziehung mit Konsum verwechseln, materielle Versorgung mit Erziehung. Sie schenken aber keine emotionale Zuwendung. Ihre Söhne und Töchter haben prall gefüllte Kinderzimmer, sind schick angezogen, können sich nicht beklagen ob des Reichtums, der sie umgibt. Sie fühlen sich aber allein, ja einsam, ihnen fehlt es an nichts und trotzdem an allem – nämlich an Beziehung, an Halt, an Geborgenheit. Vordergründig scheinen sie losgelassen, in Wirklichkeit sind sie alleingelassen.

»Das sicherste Mittel, Kinder zu verlieren, ist, sie immer behalten zu wollen.«

Adolf Sommerauer | deutscher evangelischer Pfarrer (1909 – 1995)

Die große Mehrheit

Dann gibt es da noch jene anderen Eltern – und das ist die Mehrheit –, die in der öffentlichen Diskussion gerne außen vor gelassen werden. Diese Eltern bemühen sich um eine gute Erziehung, haben gleichwohl ihre Probleme damit und stellen sich Fragen, auf die sie gerne verbindliche Antworten hätten. Für diese Eltern, für Sie, haben wir unser Buch geschrieben: Es soll Ihnen helfen, Ihre Kinder anzunehmen, wie sie sind, und sie ins Leben zu begleiten. Es soll Ihnen helfen bei der Einsicht, dass Kinder Fehler machen dürfen und dass Eltern nie perfekt sein können.

Denn nur wenn Sie sich auch selbst so annehmen, wie Sie sind, mit all Ihren liebenswürdigen Unvollkommenheiten, dann können Sie auch Ihre Kinder so annehmen, wie die sind. Nur wenn Sie sich selbst annehmen und achten, sorgen Sie auch gut für sich selbst, und es geht Ihnen gut. Und nur wenn es Ihnen gut geht, wenn Sie auf Ihre Fähigkeiten vertrauen – selbst wenn nicht alles gelingt –, dann geht es auch Ihren Kindern gut, dann ist Achtsamkeit die Grundlage der Beziehung, dann trauen Sie auch Ihren Kindern das Leben zu.

In Be-Weg-ung bleiben


Man kann Erziehung mit dem Weg zum Nordpol vergleichen. Das ist kein leichter Weg. Schon gar nicht verläuft er geradlinig, und Krisen gehören dazu. Manchmal muss man innehalten, verschnaufen, weil es anstrengend ist, aber – sich auch freuen, darüber, was man geschafft hat, auch stolz darauf sein, dass man ganz allein Lösungen erarbeitet hat. Wahrscheinlich müssen Sie auch Umwege gehen, wenn Hindernisse auftauchen, und sich immer wieder neu auf veränderte Verhältnisse einstellen. Auf jeden Fall können Sie nicht dauerhaft stehen bleiben und zum Eiszapfen erstarren. Sie müssen in Bewegung bleiben.

Und das ist auch das Motto der großen Erziehungsaufgabe des Loslassens. Loslassen heißt, sich auf den Weg machen, sich weiterentwickeln. Das gilt für Eltern wie Kinder gleichermaßen. Dabei stehen sie als...

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