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Einleitung
Die Frage nach dem Warum
Was treibt uns an zu fotografieren, Geld für die Kamera und das Zubehör wie Kameratasche, Objektive, Stativ, Blitzgerät und weitere Dinge auszugeben? Was motiviert uns früh aufzustehen, um das erste Licht des Tages einzufangen, und zu später Stunde noch hinauszugehen, um das letzte Licht, die Blaue Stunde oder gar die Sterne zu fotografieren? Das alles ginge doch einfacher und billiger mit dem Smartphone, das wir inzwischen fast immer bei uns haben und das so bequem und unproblematisch in der Handhabung ist. Die Milliarden von Fotos in Zeitschriften, im Fernsehen und in den Social Media machen unser eigenes Fotografieren scheinbar überflüssig.
Das Smartphone mag das fotografische Handwerkszeug unserer Wahl sein. Was bringt uns dann jedoch dazu, aus ihm mehr herauszuholen, als was Millionen von Menschen täglich damit machen? Sie ›knipsen‹ einfach nur, ohne überlegt zu fotografieren. Die große Mehrheit der Fotografen nimmt Bilder auf, die kaum betrachtet werden, weil sie über den ganz persönlichen Bezug hinaus keine interessante Aussage haben. Solche Bilder werden nur ganz selten ausgedruckt. Eventuell landet ein kleiner Teil davon kaum oder nicht bearbeitet auf einer Social-Media-Plattform, wo die Fotos zumeist rasch durchgeblättert und dabei nur für Sekundenbruchteile betrachtet werden.
In diesem Buch möchte ich analysieren, warum manche Fotografen mehr Aufwand betreiben, möchte herausfinden, was sie antreibt, wie sie ihren persönlichen Weg zur Fotografie gefunden haben und was ihnen die Fotografie heute bedeutet. Ich möchte dabei zeigen, dass es nicht nur ›den einen Weg‹ zur Fotografie gibt, sondern eine Vielfalt von Wegen und Umwegen. Es gibt eine Vielzahl von Begabungen, Motivationen, von Gewichtungen und Vorgehensweisen. Ich zeige an Beispielen den Einsatz unterschiedlicher Techniken.
Ein persönliches Buch
Dieses Buch ist in mancher Hinsicht ein recht persönliches, weil es einige individuelle, recht persönliche Motive und Herangehensweisen der hier vorgestellten Fotografinnen und Fotografen zeigt. Weil es, stimuliert durch meine Fragen, sie zwingt, über ihre Motivationen und ihre bevorzugten Motive nachzudenken und sich bis zu einem gewissen Grad zu rechtfertigen.
Die schwierige Frage von Bruce Barnbaum
Ich habe an einer ganzen Reihe von Workshops des bewundernswerten amerikanischen Landschaftsfotografen Bruce Barnbaum teilgenommen. Dabei sollte jeder Teilnehmer (oder Teilnehmerin) etwa zehn Bilder mitbringen, um sowohl den persönlichen Arbeitsstand zu zeigen als auch die typische, persönliche Art der Fotografie. Nachdem die anderen Gruppenmitglieder schweigend die Bilder eines Teilnehmers begutachtet hatten, wurde die Fotografin bzw. der Fotograf aufgefordert zu sagen, was sie oder er mit den Bildern ausdrücken wolle, was die Motivation der eigenen Fotografie sei.
Für viele kam diese Frage zunächst überraschend und war schwierig zu beantworten. Die Gruppe hinterfragte danach offen, ob sich die Aussagen, die vorgetragene Motivation und Intention in den vorgestellten Bildern niedergeschlagen haben – zunächst unabhängig von der fotografischen Qualität der Bilder. Die Gruppen wiesen praktisch immer ein recht breites Spektrum an fotografischem Können auf. Für viele Teilnehmer schuf dies – unbeabsichtigt, aber durchaus nützlich – eine gewisse Stresssituation. Danach gab es immer eine offene Diskussion, eine Art konstruktive Bildkritik.
Diese Diskussion ist hilfreich, nützlich für beide ›Seiten‹, für die vorstellende Fotografin oder den Fotografen ebenso wie für die übrigen Teilnehmer. Bruce Barnbaum dirigierte diesen Prozess mit unglaublichem Geschick. Eine solche Diskussion nutzt dem betreffenden Fotografen, da er oder sie gesagt bekommt, was die anderen Teilnehmer in den Bildern sehen – oder eben nicht sehen. Sie zeigt natürlich auch Schwachstellen einzelner Bilder auf, verdeutlicht aber zugleich die Stärken einer Bildaussage. Sie zeigt den Gruppenteilnehmern andere Sehweisen, andere Vorgehensweisen, andere Bewertungen und Gewichtungen. Die Diskussion zeigt zugleich, wo sie in ihrem eigenen Schaffen stehen.
Nicht selten kam zu einem Bild die Aussage: »Damit kann ich (persönlich) nichts anfangen«. Dem wurde dann oft von einzelnen Teilnehmern widersprochen. Dies zeigt, dass es recht unterschiedliche Geschmäcker, Präferenzen und Bewertungen gibt, aber auch unterschiedliche ›Sehfähigkeiten‹. So wurde ein Bild zuweilen von einigen Teilnehmern ›verworfen‹ und von anderen als gut bewertet.
Die mitunter recht unterschiedlichen Bewertungen der besprochenen Bilder sind teilweise unabhängig von der Erfahrung der kommentierenden Fotografinnen oder Fotografen.
Die vorgestellten Fotografen
Alle im Buch vorgestellten Fotografen kenne ich persönlich gut. Mit einigen bin ich befreundet. Viele der Fotografen sind Mitglieder des gleichen Fotoclubs. Die Wahl fiel aber nicht auf sie, weil wir befreundet sind oder weil ich sie als Vorbilder präsentieren oder weil ich Werbung für den Fotoclub betreiben möchte. Ich habe sie vielmehr ausgewählt, um zu zeigen, wie breit das Spektrum in der (Amateur-)Fotografie ist, und beschreibe die unterschiedlichen Motivationen und Vorgehensweisen. Zur Sprache kommen auch Kamera und Zubehör sowie fotografische Techniken. Ich möchte zeigen, dass es nicht ›die Fotografie‹ gibt, sondern sehr viele unterschiedliche Arten der Fotografie, dass man nicht vom ›richtigen Fotografieren‹ und ›falschen Fotografieren‹ sprechen kann, sondern dass jeder Fotograf mit Ambitionen seinen eigenen Weg gehen kann. Er muss diesen eigenen Weg suchen, muss ihn sich selbst erarbeiten. Dies erfordert Zeit, Aufwand und ein gewisses Durchhaltevermögen. Dafür muss man experimentieren, Fehlschläge und Fehlwege in Kauf nehmen. Haben Sie keine Angst davor. Sie sollten versuchen herausfinden, was Sie gut machen, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen und wo Sie noch Lücken haben, die Sie willens sind zu schließen. Sie sollten darüber nachdenken, wie Sie Ihre Stärken ausbauen und weiterentwickeln können. Dazu gehört die Einsicht, dass es Wege gibt, die man nicht gehen kann oder gehen will.
Das Ganze mag ein wenig pathetisch klingen, ist aber sehr praktisch, sehr praktikabel. Die ›Geschichten‹ der vorgestellten Fotografen zeigen einige der Wege. Verstehen Sie dies nicht unbedingt als Ihr Vorbild, nicht als Wegweiser. Vergleichen Sie sich aber mit ihnen. Ist bei den ›Geschichten‹ etwas dabei, was Sie auch bei sich selbst finden? Was sich ausbauen lässt, was Sie gerne einmal ausprobieren würden? Oder ist etwas dabei, was auf Sie gar nicht zutrifft, was nicht Ihrem Geschmack entspricht, was Sie ablehnen, etwa weil Sie die Zeit nicht haben, das Know-how nicht besitzen, das Geld dafür nicht aufbringen können oder wollen, da Ihnen andere Dinge wichtiger sind? Es ist nicht nur nützlich zu wissen, was man tun möchte, sondern auch zu wissen, was man eben nicht tun möchte. Fotografie soll zwar Ansporn sein, aber kein Zwang. Das ist der große Vorteil der Amateurfotografie. Und was Sie heute nicht wollen oder können, kann durchaus, so Ihnen später einmal der Sinn danach steht, in einiger Zeit ein interessantes Ziel sein, etwa im nächsten Urlaub oder erst in einer späteren Lebensphase.
Ich habe die Fotografinnen und Fotografen so ausgewählt, dass sie das Spektrum an Fotografie zeigen, das möglich ist, ohne dabei den Anspruch auf Vollständigkeit zu haben. Ich interpretiere und deute in einem gewissen Umfang ihre Fotografie, ihre Bilder und ihre Herangehensweisen.
Meine Person in diesem Buch
In Kapitel 7 schreibe ich auch über mich selbst und meine Fotografie. Das Buch hat dadurch einen autobiografischen Teil. Es zeigt nicht nur meinen skizzierten fotografischen Werdegang, sondern ist bereits durch die Auswahl der vorgestellten Fotografen und ihrer Bilder recht persönlich gestaltet.
Bei allem Bemühen um Objektivität, um Neutralität, ist eine persönliche und subjektive Komponente unvermeidbar. Ohne sie wäre das Buch wahrscheinlich so technisch wie die meisten meiner anderen Bücher. Es wäre voll gepackt mit technischen, wie ich hoffe hilfreichen Informationen. Das mag oft nützlich sein, macht das Lesen aber anstrengend und ein bisschen steril.
Man sollte also Stimmungen und Emotionen zulassen, denn ein wesentlicher Teil der nichtkommerziellen Fotografie ist durch Emotionen geprägt. Selbst ein Großteil der kommerziellen Fotografie versucht uns emotional anzusprechen – man denke nur an die Werbung und Wahlplakate mit geschönten Porträts. Und viele Amateurfotografen möchten in ihren Bildern das festhalten, was sie empfunden haben, als sie die vor ihnen liegende Szene aufnahmen. Sie kämpfen dabei mit der Herausforderung, ihre Eindrücke...