1 Schluss mit der Verwirrung ums Essen
Es gibt keine Ernährungsform, die jedem Menschen auf dieser Erde gerecht wird, auch wenn wir nach diesem Heiligen Gral schon ewig suchen.
In diesem Buch geht es nicht um Stoffwechsel und Körpersysteme. Die Themen sind Nahrungsauswahl, Essverhalten und Appetit und alles, was unsere Entscheidungen beeinflusst. Wer dieses Buch liest, sollte anschließend in der Lage sein, selbst herauszufinden, was für ihn oder sie persönlich das Richtige ist.
Viele Menschen haben das Vertrauen in den eigenen Instinkt und ihr Hungergefühl verloren und fühlen sich von ihren Geschmacksknospen und ihrem Körper verraten.
Mit diesem Buch möchte ich Sie dazu ermuntern, selbst herauszufinden, wie Sie Ihre Ernährungsbedürfnisse am besten erfüllen können. Und Sie bekommen kein Dogma vorgesetzt, dessen Vorschriften Ihre biologische Individualität übergehen.
Dabei will ich keineswegs bestreiten, dass eine qualifizierte Ernährungsberatung und klare Vorgaben nützlich sein können – natürlich sind sie das, und dies gilt besonders bei gesundheitlichen Problemen. Allergien und viele Erkrankungen erfordern eine individuelle, präzise und genaue Vorgehensweise, und eine professionelle Ernährungsberatung kann Ihr Leben gründlich verändern.
Beim Reizdarmsyndrom beispielsweise kann eine erfahrene Beraterin anhand der Symptome herausarbeiten, ob im Einzelfall der Verzicht auf Gluten, Kuhmilchprodukte, blähungsfördernde FODMAPs oder Rohkost in größeren Mengen oder aber stark verarbeitete Produkte erforderlich erscheint. Eine typgerechte Ernährungsumstellung, die dem Körper besser gerecht wird, kann sich auf Tatkraft, Schlafqualität oder die Figur verblüffend positiv auswirken. Allerdings gibt es auch Autoren, die – in bester Absicht – ihre persönliche Vorgehensweise propagieren, weil sie glauben, dass etwas, das ihnen geholfen hat, allen Menschen helfen kann. Doch das ist nicht der Fall.
Mein Ansatz beruht auf drei Säulen: Biochemie, Nährstoffbedarf und Emotionen. Diese dritte Säule benötigen wir, weil die meisten selbstverständlich wissen, dass ihr Körper die Portion Eis zum Nachtisch keineswegs braucht. Niemand geht davon aus, dass dieses Eis in nennenswerter Weise zur eigenen Gesundheit beiträgt.
Häufig nehmen wir die Gründe für unsere Entscheidungen jedoch nicht bewusst wahr. In meinen anderen Büchern habe ich die Biochemie der Körpersysteme herausgearbeitet. Dieses Mal geht es um die Biochemie unserer Nahrung. Daneben befassen wir uns gründlich mit dem Thema Nährstoffbedarf und mit den vielen Gründen, die Menschen zum Essen verleiten und die mit Hunger nichts zu tun haben. In 14 Jahren Studium und 20 Jahren praktischer Arbeit habe ich zahlreiche Gründe entlarvt.
Ihre ideale Ernährungsweise hängt von vielen Faktoren ab, darunter:
genetische Faktoren (ethnische Abstammung)
frühere Erkrankungen
aktuelle akute und chronische Erkrankungen
das emotionale Befinden
Symptome, mit denen Sie aktuell zu kämpfen haben (regelmäßige Kopfschmerzen sind in der Regel keine Krankheit, sondern ein Symptom)
die Stoffwechselrate (hier spielen viele Faktoren eine Rolle, zum Beispiel Schilddrüsenfunktion, braunes Fettgewebe oder autonomes Nervensystem)
Mit einigen dieser Faktoren werden wir uns im Verlauf des Buches gründlicher befassen, damit Sie bei der Nahrungsauswahl allmählich wieder lernen, Ihren Instinkten und Wünschen zu vertrauen.
Es ist gar nicht so leicht, tatsächlich wahrzunehmen, was der Körper braucht, denn das entspricht – zumindest beim Verzehr stark verarbeiteter Produkte – nicht den Meldungen der Geschmacksknospen. Wer regelmäßig konzentrierten, raffinierten Zucker zu sich nimmt, empfindet Hunger und hat kaum eine Chance, die innere Appetitregulierung als Leitschnur einzusetzen, solange er weiterhin solche Produkte isst.
Bei echten, natürlichen, unverfälschten Lebensmitteln brauchen Sie über die richtige Menge nicht lange nachzudenken. Sie essen einfach die Menge, die in diesem Moment für Sie passt. Dann hören Sie auf. Sie sind nicht unangenehm überfüllt, aber auch nicht mehr hungrig. Der Körper registriert, dass er satt ist und dass es auf elegante Weise genug war. Das Aufhören beruht nicht auf einer bewussten Entscheidung wie »Jetzt sollte ich aber wirklich die Gabel weglegen«, sondern es geht auf ein Gefühl zurück. Und dann isst man einfach nicht weiter.
In manchen Abschnitten in diesem Buch geht es um Selbsterkenntnis. Ganz am Ende fasse ich alles Gesagte zusammen, damit Sie noch einmal konkret sehen, worauf es für vernunftgesteuerte Ernährungsentscheidungen ankommt. Mitunter werden Sie sich fragen, warum ich in diesem Buch bestimmte Vorgaben mache, wo es doch eigentlich darum geht, Sie wieder mit Ihrem Körper und seinen Bedürfnissen in Kontakt zu bringen. Es ist wie gesagt nicht leicht, die wahren Bedürfnisse und Bedarfe des Körpers zu erspüren, weil die Botschaften der Geschmacksknospen auch von Fertigprodukten und Emotionen beeinflusst werden. In solchen Fällen gebe ich eine freundlich gemeinte Richtschnur vor, die durch Informationen und Gedankenanstöße untermauert wird.
Wir werden zudem wiederholt in Frage stellen, ob man tatsächlich abnehmen muss, um gesund zu sein. In Wahrheit geht es nämlich darum, dass Sie gesund sein müssen, um Gewicht zu verlieren. Dieser Perspektivenwechsel kann Ihre Einstellung zum Körper verändern und eröffnet ein besseres Verständnis dafür, was Ihr Körper benötigt, um optimal zu funktionieren.
In diesem Buch geht es nicht ums Abnehmen. Doch wenn Sie zu den Menschen gehören, die wieder und wieder mit viel Aufwand und wenig dauerhaftem Erfolg um einen schlankeren Körper bemüht sind, oder wenn Sie sich schlicht ein gesundes, glückliches Leben wünschen, dann vermittelt dieses Buch die Weisheit, endlich allen Diäten Lebewohl zu sagen. Sie müssen sich nicht kasteien – lassen Sie es sich rundum gut gehen!
Sie brauchen keine klassische Diät. Geben Sie Ihrem Körper, was er braucht, und beobachten Sie, wie er sich verwandelt.
Sofern in diesem Buch von »Diät« die Rede ist, geht es nicht um Einschränkungen, sondern um die persönliche, gewohnte Ernährungsweise.
Ich hoffe, dass das in diesem Buch vermittelte Wissen Ihnen dabei hilft, wieder mit Ihrer inneren Weisheit in Kontakt zu kommen. Damit Sie erkennen, was gegenwärtig für Sie das Richtige ist, anstatt sich auf bestimmte Diätvorgaben oder starre Regeln zu verlassen, die Ihnen einreden, wie Sie essen sollten.
Wir geben die Verantwortung für unsere eigene Ernährung regelmäßig an andere ab und verlassen uns auf deren Wissen oder Überzeugungen. Im Einzelfall kann das hilfreich sein oder uns bei der Umstellung auf eine nahrhaftere Kost unterstützen. Manche Menschen bleiben allerdings darin verhaftet.
Es gibt schlichtweg keine allgemeingültige Ernährungsform, die allen Menschen gerecht wird. Deshalb mache ich in diesem Buch keine generellen Vorschriften, sondern erkläre lediglich die Grundlagen und ermuntere Sie dazu, in sich zu gehen und zu beobachten, was Ihre Essweise mit Ihnen anstellt.
Unzählige Male habe ich schon die Aussage gehört: »Ich weiß nicht, wem ich glauben soll«, wenn es ums Thema Essen geht. Natürlich braucht man ein gewisses grundsätzliches und korrektes Ernährungswissen, das nicht auf einseitigen Modetrends beruht. Doch letztlich geht es um die Frage, wie es Ihnen persönlich mit Ihrer Ernährungsweise geht. Wenn ich jemanden bitte, keine Äpfel mehr zu essen, weil ich vermute, dass seine stechenden Bauchschmerzen von Äpfeln herrühren könnten, höre ich vielfach Aussagen wie »Aber ich dachte, Äpfel sind gut für die Gesundheit«. Das sind sie auch. Doch wenn Sie davon chronische Bauchschmerzen bekommen, sind Äpfel für Sie nicht gesund. Manchmal soll ich auch herausfinden, ob schwierige Verhaltensweisen bei Kindern etwas mit deren Ernährung zu tun haben könnten. Ein solcher Dialog kann so ablaufen: »Wann ist sein Verhalten am schwierigsten?« – »Wenn er nach Hause kommt und eine Kleinigkeit gegessen hat. Dann rennt er wild im Garten herum und hört nicht, wenn ich ihn rufe. Aber um die Zeit gibt es bei uns keinen Zucker und auch keine Kekse oder so.« – »Was isst er denn um diese Zeit?« – »Ein oder zwei Schälchen Kirschtomaten, und die sind doch echt gesund.« Falls tatsächlich bestimmte Inhaltsstoffe von Tomaten dafür verantwortlich sind, dass dieses Kind wie angestochen herumspringt und nicht mehr zuhört, sind Tomaten für dieses Kind vermutlich nicht besonders gut.
Was für den einen gesund und nahrhaft ist, muss es für jemand anderen noch lange nicht sein.
Eine andere Geschichte stammt von einer Gesundheitsberaterin, die ich hier Helen nennen möchte.
Ich: »Wann traten die Bauchschmerzen zum ersten Mal auf?«
Helen: »Da war ich auf einem Gesundheitsworkshop.«
Ich: »Was haben Sie dort gegessen?«
Helen: »Nur Rohkost. Nach meiner Abreise ließen die Schmerzen nach, aber zu Hause wurden sie so schlimm, dass ich ins Krankenhaus musste.«
Ich: »Was haben Sie gegessen, nachdem Sie zu Hause waren?«
Helen: »Also, ich war noch so motiviert von allem, was ich auf dem Workshop...