Einleitung
Anfang April 2004 gingen erschreckende Bilder aus dem Irak um die Welt. Sie zeigten die verkohlten Überreste von vier uniformierten US-Amerikanern, die von Aufständischen in Falludscha in bizarren Posen an einer Brücke aufgehängt worden waren. Die Szene erinnerte an den Vorfall von Mogadischu im Jahre 1993, als Milizen die Leiche eines amerikanischen Helikopterpiloten durch die Straßen der somalischen Hauptstadt schleiften. Der Unterschied bestand darin, dass die vier Toten von Falludscha keine Soldaten waren. Sie waren contractors der Firma Blackwater. Sie waren, wie einige deutsche Zeitungen mit wenig Rücksicht auf definitorische Nuancen, aber dafür mit erkennbarer Überraschung feststellten, »Söldner«.1 Unter Sachkundigen, vor allem Politikwissenschaftlern und Völkerrechtlern, war schon in den 1990er Jahren eine Rückkehr der Söldner ausgerufen worden, nach der Jahrtausendwende wurden zahlreiche akademische Werke zu den so genannten PMCs (private military companies) verfasst. Politikwissenschaftler stritten sich über die Definition solcher Söldnerfirmen und führten eine Vielzahl neuer Akronyme ein, um die unterschiedlichen Firmentypen voneinander abzugrenzen.2 Völkerrechtler diskutierten über ihren rechtlichen Status und Möglichkeiten der Regulierung.3
Das Narrativ, darin waren sich die meisten einig, lautete wie folgt: Der Kalte Krieg war zu Ende, und massive Personalkürzungen der Militärs führten zu einem Überschuss an hochgradig geschultem Militärpersonal auf dem freien Markt. Privatisierung und Outsourcing westlicher Militärs und Sicherheitsapparate schufen in Verbindung mit wachsender Instabilität im Globalen Süden die entsprechende Nachfrage für dieses Angebot.4 So erklärte sich die Rückkehr der Söldner; das neue Söldnertum. Das Narrativ vernachlässigt jedoch einen wesentlichen Punkt: Die Söldner waren weder neu, noch kehrten sie zurück.5 Der Kalte Krieg war keine Periode ohne Söldner, er war vielmehr eine Blütezeit des modernen Söldnertums. Im Wettstreit der Supermächte und im Kontext ihrer Stellvertreterkriege fand der moderne Söldner einen idealen Nährboden. Dieses Buch ist folglich keine Studie über private Sicherheits- und Militärfirmen. Es beschäftigt sich mit ihren wenig organisierten Vorgängern: den unabhängigen, häufig ad hoc rekrutierten und mobilisierten Söldnern des Kalten Krieges. Im Mittelpunkt steht ihre Nutzung durch einen der wichtigsten Auftraggeber von Söldnern im Konflikt zwischen Ost und West: die Supermacht USA.
In diesem Rahmen sind vier Aspekte besonders hervorzuheben. Der erste ist grundlegender Art: Söldner waren fast drei Jahrzehnte lang ein wichtiger Bestandteil amerikanischer Interventionspolitik. Schon 1962 hatte die Kennedy-Administration mit dem National Security Action Memorandum 162 (NSAM 162) die strategische Grundlage für spätere Söldneroperationen formuliert: Durch den verstärkten Einsatz von so genanntem Drittstaatenpersonal beziehungsweise ausländischen Freiwilligen unter amerikanischer Kontrolle sollten die USA »verdeckte und abstreitbare Operationen« in den entlegenen Dschungeln, Hochlanden und Wüsten der globalen Peripherie durchführen können.6 Mit ihrem erfolgreichen Einsatz im Kongo 1964/65 schrieben sich Söldner in Washingtons Instrumentarium für verdeckte Interventionen ein und bekamen einen festen Platz im Handlungsrepertoire der CIA.7 Sobald in der Folge bestimmte Parameter erfüllt waren, setzten fast schon reflexhafte Überlegungen für die erneute Verwendung von Söldnern ein, etwa 1975/76 in Angola. Die verhältnismäßig geringe Anzahl der eingesetzten Söldner – es waren in allen Fallbeispielen nur einige Hundert – sagte in der Praxis wenig über ihre Wirkung aus. Ihre Bedeutung ließ sich nicht durch simple Arithmetik skalieren.8 Sie konnten als so genannte stiffeners und force multipliers9 überproportionalen Einfluss auf den Kriegsverlauf haben. Diese Bedeutung von Söldnern als Werkzeugen amerikanischer Außen- und Interventionspolitik wird beispielsweise in einem Kompendium zur amerikanischen Militärgeschichte mit nur wenigen Sätzen gestreift: Die Söldnerbanden des Kalten Krieges wirken dort wie eine bloße Kuriosität im Vergleich zu der Entstehung der großen PMCs nach 1990.10 Tatsächlich waren Söldneroperationen weit mehr als eine Fußnote des Ost-West-Konfliktes.
Zweitens steckte hinter Washingtons Söldnerinterventionen11 ein System. Ihnen lagen bestimmte außenpolitische, innenpolitische und geostrategische Überlegungen und Interessen zugrunde. Bestimmte militärische Bedingungen mussten in einem Konflikt eintreten, damit der Einsatz von Söldnern nicht nur als sinnvoll, sondern sogar als notwendig gesehen wurde. Drei Fallbeispiele aus drei aufeinander folgenden Jahrzehnten zeigen die Gemeinsamkeiten der Söldnerinterventionen als ein spezifisches Phänomen des Kalten Krieges. Diese Konflikte wurden nicht nur auf Basis ihrer zeitgenössischen Prominenz als Söldnerkriege ausgewählt, sondern auch aufgrund ihrer problemlosen Einordnung in den Referenzrahmen des Kalten Krieges. Dies sind:
– die gemeinsame Aufstellung und Unterstützung einer Söldnerstreitmacht durch die USA und Belgien zur Unterstützung der Zentralregierung des ehemals belgischen Kongo während der Simba-Rebellion von 1964/65;
– zwei miteinander in Verbindung stehende Konflikte im südlichen Afrika: das letzte Aufgebot der CIA im Angolanischen Bürgerkrieg 1975/76 und die von der Regierung geduldete Privatintervention im Rhodesischen Buschkrieg, ca. 1975 bis 1978;
– die gezielte Mobilisierung von Söldnern zur Unterstützung der nicaraguanischen Contras in den Jahren 1984 bis 1987.
Söldner waren in keinem dieser Kriege eine eigenständige Konfliktpartei, sondern erlaubten als Platzhalter für die USA die Unterstützung antisowjetischer Regierungen oder Rebellengruppen. Diese waren für sich genommen bereits Stellvertreter der Vereinigten Staaten.12 Vor diesem Hintergrund fügten sich solche doppelt gesicherten Stellvertreterkriege nahtlos in übergeordnete Überlegungen zum Wesen des Kalten Krieges ein: Stabiler Frieden oder gar Entspannungspolitik zwischen den Metropolen wurden um den Preis des immerwährenden Gemetzels an der Peripherie erkauft. Dort wiederum lagen die größten Gefahren für die Supermächte im Verlust von Ansehen und Glaubwürdigkeit durch das Scheitern direkten militärischen Engagements.13 Diese Gefahr galt selbst für verhältnismäßig subtile Militärberatermissionen – eine Konstellation, die Söldnerinterventionen zu einer Art Joker im Kartenspiel des Kalten Krieges machte.
An die politisch-strategische Systematik der Söldnerintervention knüpft der dritte Schwerpunkt der Darstellung an: die Frage nach dem Modus Operandi. Söldner mussten mobilisiert, rekrutiert und organisiert werden. Sie auf verdecktem Wege logistisch zu versorgen, auszurüsten, zu koordinieren, zu transportieren, zu finanzieren und, ganz allgemein, zu managen war mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Die Problematik dieser notwendigen Berührungspunkte zwischen politischen, militärischen und geheimdienstlichen Institutionen und den Söldnern fällt in jedem der untersuchten Konflikte ins Auge. Häufig waren Söldnerinterventionen Joint Ventures mit wechselnder Beteiligung verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Akteure. Zur langen Liste der involvierten Organe der US-Administrationen14 gehörten die CIA, der Nationale Sicherheitsrat (NSC), das Außenministerium, der militärische Nachrichtendienst (DIA), die Behörde für Entwicklungshilfe (USAID), das Pentagon, geheime Kontrollausschüsse wie die Sondergruppe für Counterinsurgency (Special Group CI) und das 40 Committee sowie gemischte, behördenübergreifende Arbeitsgruppen (interagency working groups). Direkte Verbindungen zwischen US-Akteuren und Söldnern wurden minimiert und sind häufig nur durch detektivische Quellenforschung sichtbar zu machen. Hierin liegt eine Beweislast, die in der Sekundärliteratur oft nur fragmentarisch erbracht wurde: Es ist zum Teil überraschend, mit welcher Selbstverständlichkeit einige Autoren auf Basis weniger Zeitungsartikel pauschal festhielten, dass »Washington« Söldner rekrutierte, finanzierte, ausrüstete oder gar kommandierte.15 Die Verbindungen waren in Wirklichkeit deutlich komplexer und subtiler, nutzten indirekte Kanäle und sind schwierig zu rekonstruieren. Eine bis in die Mikroebene nachvollziehbare Geschichte der Koordination solcher Söldneroperationen blieb deshalb unerzählt.
Viertens waren Söldner im Diskurs von Medien und Propaganda während des Kalten Krieges von enormer innen- und außenpolitischer Brisanz. Die Aura des Unmoralischen, die dem Söldner anhaftete, verlieh ihm eine doppelte Bedeutung: Er...