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Waterloo 1815

AutorMarian Füssel
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2015
ReiheBeck'sche Reihe 2838
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406676734
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Am 18. Juni 1815 wurde die Schlacht bei Waterloo (oder La Belle-Alliance) geschlagen. Dort beendeten Wellington, Blücher und Gneisenau mit ihren englischen und preußischen Truppen die Herrschaft der Hundert Tage, die Napoleon I., aus dem Exil zurückgekehrt, noch einmal hatte errichten können. Marian Füssel erläutert die historischen Voraussetzungen der Schlacht, beschreibt den Weg Napoleons nach Waterloo, erzählt den Verlauf der Kämpfe, resümiert das Nachleben und erhellt die Entstehung des 'Mythos Waterloo'.

Marian Fussel ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung der Wissenschaftsgeschichte an der Universität Göttingen. Bei C.H.Beck ist von ihm lieferbar: Der Siebenjährige Krieg. Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert (2013).

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Leseprobe

I. Der Flug des Adlers:
Napoleons Rückkehr, die Armeen und Akteure


Mit der Abdankung Napoleons im April 1814 waren 21 Jahre Krieg zu Ende gegangen, die ausgehend von der Französischen Revolution von 1789 ihren Anfang im Jahr 1792 genommen hatten. Europas Monarchen waren in einen Krieg gegen das revolutionäre Frankreich gezogen, der sich zu einem Konflikt globalen Ausmaßes ausgeweitet hatte, ein Krieg, der sowohl Moskau (1812) als auch Washington (1814) in Brand gesetzt hatte und an Schauplätzen in Europa und Südamerika, in Ägypten und Indien ausgefochten wurde. Napoleons Truppen waren im Baltikum ebenso marschiert wie in Westfalen oder Südspanien, und die Brüder und Schwäger des Kaisers der Franzosen hatten Throne in ganz Europa besetzt. Nach Millionen von Toten schien die Gefahr im Frühjahr 1814 endlich gebannt und Bonaparte dauerhaft ausgeschaltet zu sein.

Insofern wurden die Vertreter der europäischen Großmächte, die seit September 1814 in Wien unter Leitung des Fürsten von Metternich über die politische Neuordnung Europas berieten, im März 1815 von der Botschaft der Rückkehr Napoleons mehr als überrascht. Am Morgen des 6. März erhielt Graf Metternich die Nachricht aus Genua, dass Napoleon von Elba verschwunden sei. Kurze Zeit später druckte die Leipziger Zeitung folgende Meldung aus Wien vom 8. März: «Gestern nachmittag um 3 Uhr kam mittels eines englischen und eines toskanischen Kuriers die unerwartete Anzeige hier an, daß Bonaparte am 26. Februar von Elba in seiner eigenen Korvette weggesegelt sei. Anfangs wollte man der Nachricht keinen Glauben beimessen, doch wurde sie bald zur Gewißheit. […] Eine allgemeine Sensation bei allen unseren politischen Parteien läßt sich heute nicht verkennen.» Am 1. März 1815 war Napoleon an Bord der Inconstant im Golf von Juan bei Cannes gelandet und nach Paris marschiert. Zu seinen Soldaten soll er angeblich gesagt haben: «Ich werde in Paris eintreffen, ohne einen Schuss abzufeuern.» Als er in La Mure im Süden Frankreichs auf das ihm entgegengesandte 7. Infanterieregiment unter Führung von Oberst Charles de La Bédoyère traf, das ihn aufhalten sollte, reagierten die Soldaten, statt das Feuer zu eröffnen, mit einer enthusiastischen Begrüßung und schlossen sich ihrem Kaiser bereitwillig an. Sein «Adlerflug» («vol d’aigle»), wie sein nun beginnender Siegeszug gern genannt wurde, brachte Napoleon bereits am 20. März in die französische Hauptstadt. Der neue, von den Alliierten eingesetzte König Ludwig XVIII. hatte keinen Rückhalt in der französischen Armee und floh noch am Tag von Napoleons Ankunft ins belgische Gent. Damit begann die sogenannte «Herrschaft der Hundert Tage».

In Wien waren nun fast alle maßgeblichen Entscheidungsträger vor Ort, weshalb ein schnelles und entschlossenes Handeln möglich war. Am 13. März hatte der Wiener Kongress eine Resolution veröffentlicht, die Napoleon «als Feind und Zerstörer der Ruhe der Welt» öffentlich ächtete, ihn dem «vindicte publique» unterwarf. Dass die Maßnahme seiner Person galt und man nicht Frankreich den Krieg erklärte, war nur konsequent, denn noch regierte dort offiziell König Ludwig XVIII. Persönliche Briefe, die der ehemalige Kaiser der Franzosen an die europäischen Monarchen schrieb, um ihnen zu erklären, dass er keinerlei Ansprüche auf die von ihm eroberten Territorien mehr hege, blieben wirkungslos. In London öffnete man den entsprechenden Brief erst gar nicht und sandte ihn mit unversehrtem Siegel wieder zurück.

Napoleons Kalkül, die alliierten Mächte würden seine Rückkehr zur Macht politisch akzeptieren, ging nicht auf. Vielmehr planten sie, Frankreich mit vier verschiedenen Heeresgruppen von Osten und Norden gleichzeitig anzugreifen. Eine 200.000 Mann starke österreichische Armee, der später aus ähnlicher Richtung eine russische Armee von weiteren 150.000 Soldaten folgen würde, sollte von Elsass-Lothringen aus marschieren. Im Norden planten die Preußen, in Südbelgien eine Armee von 100.000 Mann zusammenzuziehen, die dann, mit einer bereits in den Niederlanden stationierten britisch-niederländisch-belgischen Armee vereint, Richtung Frankreich aufbrechen sollte, um der napoleonischen Herrschaft so rasch wie möglich wieder ein Ende zu machen. Ohne auf einen alliierten Vormarsch Richtung Frankreich zu warten, ergriff jedoch Napoleon die Initiative, um, wie es seiner bisherigen Strategie entsprach, seine Gegner einzeln der Reihe nach zu treffen und zu besiegen. Ohnehin standen ihm nur zwei strategische Optionen offen – eine Taktik der Verteidigung und allmählichen Frustration der Gegner oder eine rasche zerstörerische Offensive, die den gegnerischen Gesamtplan in Frage stellte. Mit den 200.000 Mann, die Napoleon damals trotz Wiederabschaffung der Wehrpflicht durch die neue Regierung noch zu Gebote standen, schien rein zahlenmäßig eine reelle Chance zum Erfolg zu bestehen, wenn schnell genug gehandelt würde. Napoleon forderte weitere 150.000 Soldaten von der Nationalgarde an, und schon im Frühsommer standen ihm insgesamt bereits wieder rund 360.000 Mann zur Verfügung. Die erfahrensten Einheiten wurden in Gesamtstärke von etwa 125.000 Mann als künftige Armée du Nord im Norden Frankreichs stationiert.

In den rund fünfzig Jahren zwischen dem Ende des Siebenjährigen Krieges 1763 und der Schlacht von Waterloo 1815 hatten sich mit dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) und der Französischen Revolution (1789–1799) nicht nur zwei epochale politische Umbrüche vollzogen, sondern auch die Praxis der Kriegführung hatte sich signifikant gewandelt. In den beiden ‹atlantischen Revolutionen› hatte sich nicht nur die Idee einer Nation in Waffen verwirklicht, die von einem gemeinen Soldaten nun die gleiche Motivation wie von einem Offizier erwarten ließ. Vor allem hatten sich auch die Praktiken der Rekrutierung und Heeresaufbringung radikal verändert. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten für Strategie, Taktik und Logistik verstand kaum ein Heerführer effizienter zu nutzen als Napoleon Bonaparte. Die französische Armee hatte auf die Schmach des Siebenjährigen Krieges mit umfangreichen Reformen reagiert und konnte dank der erfolgreichen Unterstützung der amerikanischen Unabhängigkeitsbewegung eine gewisse Genugtuung gegenüber dem Dauerrivalen Großbritannien genießen. Was die Infanterietaktik betraf, so diskutierten Vertreter einer tief gestaffelten Kolonnenaufstellung, der ordre profond, mit den Befürwortern einer klassischen Linienaufstellung, der ordre mince. Militärtheoretiker wie der Comte Jacques de Guibert (1743–1790) fanden schließlich einen Kompromiss in der ordre mixte, die beide Formationen in der Schlacht zum Einsatz brachte. Die Frage der jeweiligen Aufstellung war einerseits entscheidend für Feuerkraft und Verwundbarkeit, andererseits für Beweglichkeit und Zusammenhalt der Einheiten. Während die Bewaffnung der Infanterie sich kaum von den Armeen des Ancien Régime unterschied, hatte im Bereich der Artillerie eine wichtige Innovation stattgefunden. Der Ingenieur und General der Artillerie Jean Vacquette de Gribeauval (1715–1789) hatte einen Geschütztyp entwickelt, der 1774 eingeführt und nach ihm benannt worden war. Eine neue Gusstechnik war nicht nur die Voraussetzung für höhere Präzision, sondern vor allem auch für kürzere und leichtere Kanonenrohre, wodurch sich die Mobilität der Feldartillerie signifikant erhöhte. Das ‹System Gribeauval› sorgte auch für eine Standardisierung der Geschosse auf Vier-, Acht- und Zwölfpfünder. Bereits 1802/03 wurden die Vier- und Achtpfünder durch Sechspfünder ersetzt, wobei ältere Kaliber jedoch weitergenutzt wurden. Um ein Geschütz zu bedienen und nach jedem Schuss wegen des Rückstoßes neu auszurichten, bedurfte es eines Personals von acht Kanonieren und sieben Helfern. Die Reichweiten eines Geschosses lagen bei einem Achtpfünder bei 800, bei einem Zwölfpfünder bei ca. 1200 Metern.

Während im Bereich Taktik und Technik neue Wege gegangen wurden, schloss sich das Offizierskorps sozial weiter ab, und zentrale Aufstiegs- und Ausbildungswege wie das Kommissionswesen oder die Kadettenschulen standen seinerzeit allein dem Adel offen. Mit der Revolution löste sich die alte Armee auf, viele Offiziere flohen ins Ausland und eine radikale Umstrukturierung war die Folge. Der Mangel an Soldaten war eklatant und konnte auch durch die Freiwilligenverbände nicht aufgefangen werden. Die Lösung lag in der levée en masse, einer Art Generalmobilmachung der gesamten französischen Bevölkerung, die bis zum Sommer 1794 eine Armee von 750.000 Mann entstehen ließ. Der Drill dieser größtenteils unerfahrenen Männer stellte eine enorme Herausforderung dar, führte aber auch zu einer taktischen Flexibilisierung. Die Schlachtaufstellung bestand aus Kolonnen, Linien und ungeordnet frei davor aufgestellten Schützen, die fortan miteinander kombiniert zum Einsatz kamen. Die Prestigewaffe der alten Armee, die Kavallerie, spielte nunmehr eine geringe Rolle, während die zunehmend mobilere Feldartillerie...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Impressum4
Inhalt5
Einleitung: Zur Kulturgeschichte eines Ereignisses7
I. Der Flug des Adlers: Napoleons Rückkehr, die Armeen und Akteure15
II. Ligny und Quatre-Bras: Zwei Schlachten und keine Entscheidung28
III. Auf dem Weg nach Waterloo: Räume und Strategien40
IV. Das Gesicht der Gewalt: Praktiken des Kampfes48
V. In der Schlacht: Kalkül und Krise56
VI. Aftermath: Nach der Schlacht83
VII. Mythos Waterloo: Erinnerungskultur und Gedenken97
VIII. Epilog: Die berühmteste Schlacht der Welt115
Weiterführende Literatur120
Orts- und Personenregister123
Bild- und Kartennachweis128
Weitere Karten129

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