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WAS GIBT ES NEUES IN SACHEN
BARBECUE?
Barbecue kennen Sie natürlich. Aber wissen Sie auch, was es wirklich ist? Ich dachte, ich wüsste es. Ich dachte, es handelt sich dabei um kräftig gewürzte Spareribs mit einer glänzenden Sauce, um die zarten Scheiben einer geräucherten Rinderbrust oder um das in kleine Stücke zerpflückte Fleisch einer Schweineschulter, das auf weiche Brötchen gehäuft wird. Diese Gerichte waren für mich der Inbegriff des Barbecue – ein amerikanisches Kulturgut, das seit den frühen Tagen unserer Nation in Ehren und für unveränderlich gehalten wurde. Das glaubte ich zumindest. Vor ein paar Jahren brüskierte ich versehentlich einen meiner Kommilitonen am Culinary Institute of America, den ich an einem Wochenende zum »Barbecue« eingeladen hatte und ihm Hamburger und Würstchen servierte. Er stammte aus North Carolina und war mit dem dort üblichen Lokalpatriotismus reichlich ausgestattet. Entrüstet meinte er: »Das hier ist doch kein Barbecue. Für ein echtes Barbecue braucht man eine Feuergrube, ein Barbecue Pit, der mit Holz befeuert wird. Mit einem Grill geht das überhaupt nicht.« Und dann belehrte er mich über die regionalen Unterschiede des amerikanischen Barbecue. Im Piedmont von North Carolina zum Beispiel bezeichne Barbecue das in einer gemauerten Feuergrube gegarte Schweinefleisch, zu dem man eine tomatenlastige Essigsauce, Kohlsalat und kleine frittierte Maismehlbällchen serviert, die hush puppies genannt werden. Rindfleisch sei absolut verboten. In Texas wiederum sei Barbecue quasi gleichzusetzen mit Rindfleisch, vor allem mit Brisket, also Rinderbrustbraten, und deftigen Rinderrippen, und ein texanischer Pitmaster würde vehement gegen jeden Versuch vorgehen, sein Fleisch mit einer Sauce zu verschandeln oder es mit der Gabel zu essen.
Mein Kommilitone redete immer weiter und kam dabei richtig in Rage, jedenfalls schlug er irgendwann mit der Faust auf den Tisch und meinte, dass Barbecue nun aber auf gar keinen Fall mit einem Gasgrill ginge. Im Gegenteil, man müsse es wie der Pitmaster Sam Jones im Skylight Inn BBQ in Ayden, North Carolina, machen, vor dessen legendärem Lokal ein großes Plakat hänge mit der Aufschrift: »Ohne Holzfeuer ist es kein BBQ.« Mein Studienfreund schien immerhin zu wissen, wovon er redete, wenngleich er inzwischen sehr erregt war. Ich nahm mir seine Belehrungen jedenfalls zu Herzen und vertrat viele Jahre lang mehr oder weniger seinen Standpunkt. Während der Recherchen zu diesem Buch wollte ich die Fakten jedoch noch einmal überprüfen und mich etwas tiefer mit der Materie befassen. Unter anderem wollte ich mehr über die Ursprünge des amerikanischen Barbecue erfahren. Seinen Anfang nahm das amerikanische Barbecue mit dem Begriff barbacoa , der auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Das Taino-Wort bezeichnete ein Holzgerüst, auf dem Fleisch über offenem Feuer zubereitet wurde. So wurde Barbecue in der Region der heutigen Westindischen Inseln und an der Südostküste Nordamerikas, einschließlich Florida, praktiziert. Natürlich grillten diese Indianer keine Baby Back Ribs. Sie räucherten auch kein Brisket, um es später in zarten Scheiben auf Sandwiches zu legen. Nein, nein, nein. Sie grillten Fisch, Schildkröten, Alligatoren und Schlangen – praktisch alles, was sie fangen und erlegen konnten. Wenn Sie also von wirklich authentischem American Barbecue reden möchten, sollten Sie vielleicht die Pulled-Pork-Sandwiches vergessen und stattdessen lieber einen Alligator am Lagerfeuer brutzeln.
WÄHREND BARBECUE FRÜHER VOR ALLEM IN DEN LÄNDLICHEN GEGENDEN DER SÜDSTAATEN GEPFLEGT WURDE, IST ES HEUTE ÜBERALL ZU FINDEN, SELBST IN GROSSEN STÄDTEN. UND GERADE DIE SIND ES AUCH, DIE ES WEITERENTWICKELN.
Vielleicht sollten wir aber der Frage nach Authentizität nicht allzu viel Gewicht beimessen. Vieles hat sich beim Barbecue im Lauf der Zeit verändert und wird es weiter tun. Heute bildet das Brisket zusammen mit Rinderrippen und Würsten die »heilige Dreifaltigkeit« des traditionellen texanischen BBQ. Historisch gesehen ist das Brisket allerdings eine relativ junge Erscheinung, die möglicherweise bald durch anderes ersetzt wird (siehe Zeittafeln rechts). Während Barbecue früher überwiegend in den ländlichen Gegenden der Südstaaten gepflegt wurde, ist es heute überall zu finden, selbst in großen Städten, und gerade die sind es auch, die es weiterentwickeln. Die unkonventionellen Kreationen, die Pitmaster Bill Durney in Brooklyn, New York, zubereitet, wären in Zentraltexas, wo er gelernt hat, wahrscheinlich kaum gefragt. Auf seiner Speisekarte stehen etwa süße koreanische Ribs, ein Sandwich mit Lammbauch nach vietnamesischer Art und pikante karibische Baby Back Ribs. Warum? Die Menschen in Brooklyn, zu denen auch solche mit koreanischen, vietnamesischen und karibischen Wurzeln zählen, lieben Barbecue mit den Aromen verschiedener Länderküchen.
Durch BBQ-Wettbewerbe und Liveshows im Fernsehen ist Barbecue zu einem Sport geworden, deren Sieger mit Ruhm und Reichtum rechnen können. Lee Ann Whippen betrieb einen kleinen Cateringservice, bevor sie in mehreren großen Wettbewerben Preise abräumte. Sie wurde Chefin des Chicago q, einem edlen BBQ-Restaurant an der schicken »Gold Coast« von Chicago, das eher einem englischen Country Club ähnelt als einem typischen BBQ-Lokal der Südstaaten. Whippen überzeugte ihre Gäste u. a. mit medaillenverdächtigen Ribs und einer Brunchkarte mit Eggs Benedict auf bestem Brisket. Brunch in einem Barbecue-Restaurant? Ja! Warum auch nicht?
Doug Adams wuchs in der Nähe von Texas auf. Für ihn war traditionelles Barbecue eine Selbstverständlichkeit, bis er nach Portland, Oregon, zog, um eine Kochausbildung zu machen. Der Finalist der Kochshow »Top Chef« kocht heute im Imperial, einem Restaurant für gehobene Ansprüche. Adams Küche wendet sich an das hippe, wählerische Publikum der Westcoast-Metropole, doch in seinen Menüs finden sich überall Anklänge seiner texanischen Kindheit. »Ich bin vom Rauch besessen«, sagt er selbst. »Ich probiere wirklich alles, was in meiner Küche landet, zunächst über einem Holzfeuer aus, bevor ich etwas anderes damit anstelle.« Auf dem ersten Blick scheint sein Gericht aus grünen Bohnen mit geräucherter Rothirschzunge, Kimchi und frittiertem Ei überhaupt keine traditionellen Wurzeln zu haben. »Ja, ich weiß«, meint Adams, »aber für mich steckt so viel Texas darin. Im Grunde ist es Grillfleisch mit eingelegtem Gemüse. Und was das Ei angeht: In Texas wird fast alles frittiert. In meinen Gerichten steckt immer jede Menge Barbecue, nur eben ganz anders, als man erwartet.«
Traditionalisten müssen sich über solche Entwicklungen keine Sorgen machen. Nur weil Leute wie Doug Adams oder ich und vielleicht auch Sie neue Wege gehen, stellen wir das traditionelle Barbecue nicht infrage. Wir erweitern es. In unserer ernährungsbesessenen, internetverbundenen Welt ändert sich alles schneller als je zuvor. Es ist also kein Zufall, dass American Barbecue an Beliebtheit weiter zunimmt. Mein Respekt vor klassischem Barbecue ist dabei ungebrochen, deshalb finden Sie in diesem Buch eine ganze Reihe entsprechender Rezepte. Aber ich habe auch solche aufgenommen, die zwar von den Klassikern inspiriert sind, mit spielerischer Kreativität jedoch einen Schritt weitergehen. Ich hoffe, Sie probieren sie aus und verleiben sie sich im besten Sinne selbst ein. Barbecue ist am Ende das, was jeder einzelne von uns daraus macht, und am besten wird es, wenn man dabei für Neues offen bleibt. Willkommen im American Barbecue!
IN UNSERER ERNÄHRUNGSBESESSENEN, INTERNETVERBUNDENEN WELT ÄNDERT SICH ALLES SCHNELLER ALS JE ZUVOR. ES IST ALSO KEIN ZUFALL, DASS AMERICAN BARBECUE AN BELIEBTHEIT WEITER ZUNIMMT.
AMERICAN BARBECUE
IM WANDEL DER ZEIT
17. Jahrhundert
Bereits im 17. Jahrhundert verwendeten die Siedler in der Neuen Welt verschiedene Schreibweisen für die Art der Essenszubereitung, die sie den...