Frauen heute
Was sind eigentlich erfolgreiche Frauen? Emanzipierte Frauen? Sollte man meinen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn wenn man es genau nimmt, wird Emanzipation heute ausschließlich am beruflichen Erfolg gemessen. Frauen gelten dann als emanzipiert, wenn sie männliche Domänen erobert haben, also im Beruf oder an den Universitäten Gleichstellung erstritten und dort Karriere gemacht haben. Die erfolgreiche Chefredakteurin, die junge Universitätsprofessorin, die renommierte Herzchirurgin – solche Frauen sind nicht nur beruflich erfolgreich, sondern gelten gleichwohl auch als emanzipiert.
Die junge Mutter, die sich entschieden hat, mit ihrem Mann ein Kind nach dem anderen zu bekommen und zumindest in den ersten Lebensjahren der Sprösslinge um eine klassische Rollenverteilung nicht groß herumkommt, ist in unseren Augen per se altbacken und unemanzipiert. Dabei hat sie sich für eine sehr sinnvolle und höchst verantwortungsvolle Aufgabe entschieden. Aber das nur am Rande.
Bleiben wir bei den Karrierefrauen, also die, die einen »richtigen« Beruf ergriffen haben und nicht etwa Arzthelferin, Erzieherin oder Altenpflegerin geworden sind. Echte Karrierefrauen eben. Auch die werden nicht minder kritisch beäugt. Was aber zu einem rundum positiven Frauenbild oftmals fehlt, ist die Tatsache, dass sie nur deshalb so erfolgreich sein konnten, weil sie gelernt haben, männliche Verhaltensweisen zu imitieren. Viele Karrierefrauen strotzen nur so vor Hemdsärmeligkeit, Ellenbogenmentalität und männlichem Dominanzgehabe. Selten sagt man Frauen in Führungspositionen weiblichen Charme und Raffinesse nach. Karrierefrauen sind also in unserer Vorstellung nicht einfach nur gut in dem, was sie können, sondern ihnen lastet häufig auch das Image an, sie seien allesamt Arbeitstiere, tragen Hosenanzüge und pflegen einen harschen Umgangston.
Die Vorurteile gegenüber erfolgreichen Frauen sind längst auch wissenschaftlich belegt. Forscherinnen aus den USA und Australien legten jungen Männern und Frauen Unterlagen fiktiver Bewerber um eine Führungsposition vor. Die Untersuchungsteilnehmer sollten Sympathieurteile abgeben und erklären, ob sie sich die Bewerber als Chef vorstellen könnten. Das Ergebnis: Durchsetzungsfähigkeit, Effizienz und Leistungsorientierung wurden zwar positiv bewertet – aber nur, wenn es sich dabei um einen männlichen Bewerber handelte. Bei den weiblichen Kandidatinnen wurden dieselben Eigenschaften dagegen als negativ eingestuft. Sie wurden als Führungskräfte abgelehnt, weil man sie als unsympathisch, feindlich, intrigant, hart und nicht vertrauenswürdig einschätzte.
Die Studie offenbart allerdings noch eine weitere Besonderheit: Wurde von den Forscherinnen darauf hingewiesen, dass die jeweilige Bewerberin nicht nur hoch qualifiziert, sondern außerdem auch noch Mutter sei und zeigten sich diese ihren Mitarbeitern gegenüber betont aufmerksam, fürsorglich und einfühlsam, konnte dies die allgemeine Ablehnung kompensieren. Weibliche Führungsposition in der Kombination mit Mutterschaft brachte den Erfolgsfrauen also zumindest ein paar mehr Sympathiepunkte ein. Fazit: Rollenstereotype wirken enorm auf unser Urteilsvermögen. Auch das der Frauen. Denn sowohl Männer als auch Frauen stimmten in dieser Untersuchung gleichermaßen ab.[1]
Erfolgreiche Karrierefrauen scheinen in unserer Vorstellung also einen ganz bestimmten Makel zu haben: Man unterstellt ihnen schnell, dass sie zugunsten der Karriere etwas von ihrer Weiblichkeit eingebüßt hätten. Die schultergepolsterte Durchsetzungsfähigkeit der Frauen wird nicht gern gesehen. Und das nicht nur von Männern. Das ist fatal, wärmt es doch im Grunde den hässlichen, altmodischen Anspruch wieder auf, Frauen müssten es erst mal besser machen als Männer, um mindestens genauso gut zu sein – sprich, nicht nur die nötige Kompetenz und Qualifikation, sondern auch noch ein ganz bestimmtes Aussehen und spezielle Eigenschaften mitbringen. Karriere ja, aber bitte trotzdem noch schön weiblich.
Doch genau das wird den Frauen heute so schwer gemacht. Denn ungerechterweise werden ambitionierte Frauen in unserer Gesellschaft als kalt und berechnend wahrgenommen. Klug, erfolgreich und bezaubernd – das sprengt offenbar unser kollektives Vorstellungsvermögen. Aber nicht nur das: Wir sprechen erfolgreichen Frauen von vornherein jegliche Feminität ab (und rühmen penetrant die wenigen Ausnahmen). Allerdings scheinen traditionell weibliche Eigenschaften, schaut man sich die raren Beispiele der weiblichen Führungskräfte in Politik oder Topmanagement einmal genauer an, auch tatsächlich mitunter auf der Strecke zu bleiben. Das gilt vor allem für »männliche« Karrierefrauen wie Angela Merkel oder Renate Künast, aber auch für viele andere der rund 5,9 Prozent Top-entscheiderinnen in Deutschland.[2] Nicht wenige von ihnen wirken nicht nur sehr maskulin, sondern sie haben der Karriere zuliebe auch auf Kinder verzichtet. Allein im Bankensektor haben 77 Prozent der weiblichen Führungskräfte keine Kinder. Ein weiteres Indiz für die Unvereinbarkeit von weiblichen Führungsqualitäten und femininem Rollenverständnis?
Im Spiegel-Online-Nachruf auf die 2009 verstorbene Schauspielerin Barbara Rudnik wird diese als »elegant, schweigsam und abgründig« beschrieben. Welche Vorstandsvorsitzende oder Physikprofessorin hätte nicht auch gerne etwas von deren Anziehungskraft und Attraktivität? Stattdessen schlüpfen Frauen, um Karriere zu machen, auch optisch in die Rolle der toughen Businesslady, die an Hartnäckigkeit und Durchsetzungsvermögen den Männern in nichts nachsteht. Eine Frau mit Haaren auf den Zähnen heißt es dann schnell – und wenig schmeichelhaft.
Die Situation wird nicht viel besser, wenn Frauen auch noch versuchen, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen. Berufstätige Frauen und Mütter sind in der Regel vor allem eines: echte Kämpferinnen – im Beruf ambitioniert und ehrgeizig, als Mutter aufopfernd, selbstlos und schier unbegrenzt belastbar, nicht wenige allein erziehend und doch voll berufstätig. Um im Alltag zu bestehen, haben sie Durchsetzungsvermögen und Ellenbogenmentalität verinnerlicht. Sie wirken gehetzt, dauergestresst und verbissen. Dabei würden sich auch diese Frauen viel lieber von ihrer weiblichen Seite zeigen, stark, glamourös und selbstbestimmt sein, vielleicht sogar charmant und bezaubernd. Doch genau das scheint in unserem kollektiven Bildrepertoire nicht vorgesehen. Da gibt es nur Karrierepowerfrauen oder Supermütter. Sonst nichts.
Und meist sehen deutsche Mütter auch anders aus: Nicht wenige Frauen tendieren nach der Geburt des ersten Kindes zu praktischer Kurzhaarfrisur, Fleecepulli und festem Schuhwerk. Von weiblicher Anmut und Raffinesse keine Spur. Vielleicht nicht gerade in Münchens Glockenbachviertel oder rund um den Prenzlauer Berg in Berlin, aber sonst eigentlich überall in dieser Republik. Besonders auf den Spielplätzen. Da steht dann das aufopfernde Muttertier, bepackt mit Wickelrucksack und in wetterfesten Outdoor-Klamotten, bei eisiger Kälte geduldig hinter der Schaukel und schubst ausdauernd den Sprössling an, der zwar leider noch keinen Schwung holen kann, dafür aber eine studierte und hochqualifizierte Mutter hat, die beruflich zurücksteckt und sich nun als Antrieb verdient macht.
Die hippen Szenemütter in den Großstädten sind allerdings nicht viel besser dran. Die sind zwar top gestylt, auch ihr Nachwuchs trägt die Kindermodelinie namhafter Designer, und so flanieren sie an schicken Boutiquen und Coffeeshops vorbei, schlürfen Latte macchiato aus Pappbechern, die sie zwischendurch im Dosenhalter ihrer Kinderwagen abstellen, und versuchen sich an einer Neudefinition der Mutterrolle: die Frau von heute, freiberuflich, flexibel, mit Kind – und alles immer ganz locker und entspannt. Aber auch auf den Szenemüttern vom Prenzlauer Berg lastet der Druck, immer alles richtig machen zu müssen. Auch sie haben Angst, bestimmten Ansprüchen nicht zu genügen, wenn sie ihr Kind nicht ausschließlich biologisch ernähren oder alle Möglichkeiten der Frühförderung ausschöpfen. Ehrgeizig werden die Kleinen in Englischkurse und zur musikalischen Früherziehung geschickt. Und das am besten schon mit zwei Jahren. Aber auch das natürlich ganz entspannt und ohne Druck.
Mittlerweile gibt es in Fragen der Kindererziehung so etwas wie einen Zwang zur Zwanglosigkeit. Auch so ein Perfektionismus.
Wenn schon keine musikalische Früherziehung, dann zumindest der Zwang, modisch mithalten zu können. Das Kind als schickes Lifestyle-Accessoire braucht natürlich den dazugehörigen Bugaboo – der Mercedes unter den Kinderwagen und hierzulande nicht zuletzt deswegen so begehrt, weil schon Miranda aus Sex and the City damit durchs urbane Großstadtleben surfte. Das Perfektionsstreben der Mütter hat auch der holländische Kinderwagenbauer erkannt und seinen Bugaboo so auf dem Markt etabliert, dass sich trendbewusste Eltern inzwischen minderwertig fühlen, wenn sie ihn nicht besitzen. Nicht nur beim »Early English«-Kurs für die Allerkleinsten, auch beim Kinderwagen zeigt sich offenbar, wer eine gute Mutter ist und wer nicht.
Doch ganz gleich, ob hippe Szenemutter oder Wickelrucksackfraktion: Das weibliche Selbstverständnis bröckelt. Und zwar ausgerechnet das der modernen und emanzipierten Frauen. Statt sich mit Gelassenheit, Zuversicht und Souveränität den Herausforderungen einer berufstätigen Frau und/oder Mutter zu stellen, herrscht nichts als ehrgeiziges Perfektionsstreben, wohin man sieht. Frauen heute sind zwar emanzipiert und erfolgreich, sie...