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Über
Selbstverteidigung
Der Umgang mit Gewalt
Immer mehr Frauen haben Angst vor Gewalt und suchen nach Möglichkeiten, um sich selbst und ihnen nahestehende Menschen zu schützen, nachdem das Ausmaß der Gefährdung im letzten Jahr in Deutschland rapide zugenommen hat. In den sozialen Netzwerken sowie den herkömmlichen Medien wird vielfältig über Gefahren berichtet, sodass sie verstärkt ins Bewusstsein gerückt sind. Es gibt deutlich mehr sexuell motivierte Verbrechen, und zwar nicht nur solche, wie sie in der Silvesternacht in Köln und anderen Großstädten erfolgt sind, sondern sie passieren tagtäglich etwa in Schwimmbädern, Straßenbahnen, Parks und bei Großveranstaltungen. Zudem steigen die Einbruchszahlen, wobei die zumeist organisierten Banden oft sehr dreist vorgehen. Anstatt diesen Vorkommnissen mit vergrößertem und besser geschultem Polizeipersonal entgegenzuwirken, wird hingegen in einigen Regionen sogar an den Ausgaben für die Polizeidienststellen gespart. Polizisten fühlen sich »ohnmächtig« aufgrund der immer größer werdenden Anforderungen.
Wir alle möchten friedlich leben und nicht mit Gewalt konfrontiert werden. Niemand sollte sich jedoch in scheinbarer Sicherheit wiegen und Gewaltverbrechen wie sexuell motivierte Übergriffe, Raubüberfälle und körperliche Machtdemonstrationen verdrängen. Aussagen wie »Mir wird schon nichts passieren« und »Vor einigen Jahren war es auch nicht anders« sind leider immer noch zu hören. Jede Frau kann in eine Ernstfallsituation geraten. Früher wurde oft darauf verwiesen, dass die meisten sexuellen Straftaten von Bekannten durchgeführt werden – die Gefahr dieser Übergriffe besteht weiterhin. Leider ist in jüngster Vergangenheit aber eine große Steigerung von Gewaltverbrechen außerhalb des eigenen Heims wahrzunehmen: tagtäglich über ganz Deutschland verteilt, auch wenn dieser Sachverhalt immer noch von einigen Menschen geleugnet wird. Gewalt kann das zukünftige Leben zerstören, daher ist es unbedingt notwendig, sich mit Selbstbehauptung und Selbstverteidigung auseinanderzusetzen.
Mit diesem Buch beabsichtige ich keineswegs, Panik zu erzeugen. Es geht mir vielmehr darum, dir aufzuzeigen, wie du durch erhöhte Aufmerksamkeit gefährliche Situationen vermeidest und so das Risiko minimierst, in eine Ernstfallsituation zu geraten. Außerdem wird dir verdeutlicht, wie du in einer Konfliktsituation richtig handelst und wie du dich behaupten kannst, falls es trotzdem zu einem Ernstfall kommen sollte. Indem du dich bestmöglich auf die Gefahren vorbereitest, verlierst du die Angst davor, wirst selbstsicherer und gewinnst letztlich mehr Lebensqualität.
In den Medien wird täglich über viele brutale Gewaltverbrechen an Frauen berichtet. Der Umgang mit dieser Gewalt ist ganz unterschiedlich.
Wenn du dich mit den Gefahren auseinandersetzt und sie dir bewusst machst, kannst du dein Leben weiterhin genießen, ohne dich großen Risiken auszusetzen.
Verdrängen ist nicht das Mittel der Wahl
Einige Frauen verdrängen Gewalttaten immer noch. Sie wollen sich erst gar nicht mit solchen Szenarien befassen und führen dazu Argumente an wie »Es war früher doch alles genauso. Es ist alles halb so wild, die Probleme werden in den Medien nur hochgepuscht«, »Ich meide gefährliche Plätze« oder »Ich trage keine Wertgegenstände bei mir«. Ein verdrängendes Verhalten hat zunächst den Vorteil, dass man sein Leben so weiterführen kann wie bisher – bis dann doch irgendwann einmal etwas passiert. Manche Frauen leben auch in einem sehr wohlsituierten Umfeld, in dem sie mit der Problematik beispielsweise nicht integrierter männlicher Immigranten bisher kaum konfrontiert wurden. Verdrängen ist in der heutigen Zeit nicht mehr angemessen, es bestehen mittlerweile zu viele Gefahren. Eine Frau, die heutzutage beispielsweise allein im Wald joggt und sich dabei noch mit lauter Musik ablenkt, handelt verantwortungslos. Es gibt viele Frauengruppen, mit denen du joggen gehen kannst und dies dann ohne Gefahr; oder du trainierst mit Freunden. Falls du trotzdem allein joggen gehst, wähle gut frequentierte Wege, trage ein Pfefferspray bei dir und ein leicht erkennbares Schutzsignal an der Kleidung (Seite 128–130) – und lass die Kopfhörer weg, um wachsam sein zu können.
Kämpfe nur dann, wenn es nicht mehr möglich ist, die Gefahr abzuwenden. Attackiere dann kompromisslos und ununterbrochen, bis die Gefahr vorüber ist.
Sich zurückzuziehen, kann es schlimmer machen
Manche Frauen reagieren verängstigt und meiden weitestgehend das öffentliche Leben. Sie ziehen sich zurück und verschließen sich aus Angst davor, zu einem Gewaltopfer zu werden; sie bleiben so oft wie möglich in den eigenen vier Wänden. Einige Frauen erzählten mir, dass sie, sobald es dunkel wird, nicht mehr allein die Wohnung verlassen, sondern nur noch, wenn sie der Ehemann begleitet oder ein Freund sie abholt – eine sehr erschreckende Entwicklung. Sind diese Frauen unterwegs, werden gerade sie häufig Opfer von Gewalttaten. Denn Verbrecher und Aggressoren merken ihnen ihre Angst und Unsicherheit an und erwarten deshalb wenig Gegenwehr – ein gewünschtes Kriterium, um die Frau als Opfer auszuwählen.
Wenn Gewalt verharmlost wird
Einige wenige Frauen verharmlosen Gewalt, insbesondere wenn es sich um das Kämpfen und die damit verbundene Körperverletzung handelt. Bei Männern ist dieser Aspekt deutlich häufiger anzutreffen, wie die Fußball-Hooligans und Kneipenschläger zeigen, die Gewalt als akzeptables Mittel ansehen, um Aggressionen abzubauen. Bei Frauen zeigt sich diese Gewaltbereitschaft zwar selten, aber sie existiert, wie etwa das ansteigende Vorkommen von gewaltbereiten Mädchengangs beweist. Wer sich in eine Kampfsituation begibt, sollte bedenken, dass ein Kampf niemals planbar ist. Schwere gesundheitliche Folgen wie Verstümmelungen oder Koma können daraus resultieren. Zudem kann ein Kampf tödlich enden. Auch rechtliche Folgen wie lange Gefängnisstrafen sind möglich. Aus diesen Gründen ist ein Kampf nur in Notwehr akzeptabel. Aggressionen können im Kampfsporttraining abgebaut werden.
Das richtige Verhalten
Setze dich mit Ernstfallsituationen auseinander. Überlege, wann du in eine solche Situation geraten könntest und wie sich diese vermeiden lässt oder wie du dich dann verbal behaupten kannst. Übe auch, dich in einer Konfliktsituation körperlich durchzusetzen. Das Wissen, sich verteidigen zu können, vergrößert dein Selbstvertrauen und wird dich selbstsicherer erscheinen lassen. Das führt dazu, dass potenzielle Täter dich eher nicht als Ziel wählen, da sie weder verbale noch körperliche Gegenwehr wünschen. Indem du dich mit Ernstfallszenarien befasst sowie dein Verhalten und Kampftechniken trainierst, kannst du das Risiko minimieren, in Notwehrsituationen zu geraten. Außerdem erhöhst du dadurch deutlich die Chancen, dich zu schützen, falls es doch zu einer solchen Situation kommen sollte.
So sieht die Rechtslage aus
Im Strafgesetzbuch (StGB) wird in Paragraf 32 geregelt, wann eine körperliche Verteidigung erlaubt ist. Paragraf 33 StGB erläutert, was passiert, wenn du das angemessene Maß überschreitest.
Den Einsatz von Waffen regelt das Waffengesetz (WaffG), das du im Internet nachlesen kannst. Welche Waffen du zur Verteidigung unter welchen Voraussetzungen einsetzen kannst, erfährst du auf den Seiten 125 bis 131.
§ 32 StGB Notwehr
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren.
§ 33 StGB Überschreiten der Notwehr
Überschreitet der Täter die Grenze aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.
Die Erklärungen zu den Gesetzen
Das Notwehrrecht steht jedem Menschen zu: Wenn du angegriffen wirst, dann hast du das Recht, dich zu verteidigen. Dazu folgende Definition: Notwehr ist diejenige Verteidigung, die erforderlich ist, um einen rechtswidrigen Angriff auf sich selbst oder auf einen oder mehrere andere Menschen abzuwenden. Das Recht zur Notwehr setzt voraus, dass der Angriff gegenwärtig ist – er muss also gerade stattfinden oder unmittelbar bevorstehen.
Was ist Selbstverteidigung?
Selbstverteidigung bedeutet, Übergriffe auf sich und auf andere Menschen zu verhindern. Das Vorgehen umfasst ein Konzept aus drei Schritten: Im ersten Schritt gilt es, Ernstfallsituationen durch Aufmerksamkeit zu umgehen. Der zweite Schritt ist die Selbstbehauptung in einer verbalen Konfrontation oder mit leichtem Körperkontakt, vorausgesetzt, es ist noch keine Ernstfallsituation gegeben....