Der Weiße Schweizer
SCHÄFERHUND
im Porträt
Ein typvoller und sehr ausdrucksstarker Langstockrüde mit perfekter Pigmentierung. (Foto: Anderlohr)
Es ist nicht gerade einfach, den Weißen Schweizer Schäferhund mit all seinen Facetten zu erfassen. Ihn in eine Schublade zu stecken ist nicht möglich. Vielleicht macht gerade diese Tatsache ihn so sympathisch. Aber woran liegt das eigentlich? Um dieser Frage nachzugehen, ist ein Blick auf die Wurzeln und die Geschichte dieser Hunde notwendig.
Weiße Schäferhunde brauchen reichlich Bewegung. (Foto: Keggenhoff)
Familienhund oder Karrieretyp?:
Das „Quo vadis“ des Weißen Schweizer Schäferhundes
Die Rasse hat eine lange Historie aufzuweisen. Doch die verlief sehr unruhig und selten wurde dabei an einem Strang gezogen. Nie gab es eine eindeutige Ausrichtung. Es wurden weiße Schäferhunde gezüchtet, aber nur in seltenen Fällen hatten Vereine und Züchter eine langfristige Zielsetzung. Am 01.01.2003 wurde die Rasse als Weißer Schweizer Schäferhund von der FCI (Fédération Cynologique Internationale) anerkannt. Die FCI – der Weltverband für die Hundezucht – gilt als maßgebliche internationale Organisation. In ihr sind die nationalen „Kennelclubs“ vieler europäischer und Überseeländer zusammengeschlossen. Das gemeinsame Ziel ist, vitale und rassetypische Hunde gemäß der hinterlegten Rassebeschreibungen (Standards) zu züchten.
Mit der vorläufigen Anerkennung als eigenständige Rasse wurde den Verantwortlichen, aber auch immer mehr Anhängern der Rasse klar: Einen wirklichen Platz hat der Weiße Schäferhund bisher nicht gefunden, eine eindeutige Positionierung der faszinierenden Rasse steht noch aus. Doch die Ansichten sind sehr unterschiedlich. Ist der Weiße ein Sport-, möglicherweise gar ein reiner Gebrauchshund oder doch eher ein Familienhund? Zwischen Schmusehund und knallhartem Arbeitshund liegt eine riesige Spannbreite. Können all diese Anforderungen in einer einzigen Hunderasse vereint werden?
Die Wurzeln stammen doch aus denen des Deutschen Schäferhundes, argumentieren die Leistungsfans und fordern eine entsprechende Zielsetzung. Sie vergessen dabei den aktuellen Charakter, der sich wesentlich vom Ursprung wegentwickelt hat. Der Weiße Schäferhund hat nicht die Härte seiner Ahnen. Wer aus ihm einen „richtigen“ Arbeitshund machen möchte, muss einen anderen Hund formen, die Rasse verändern. Ist es tatsächlich gewünscht, die liebenswerten Eigenschaften und Charakterzüge zu opfern, um dem Ursprung nachzueifern?
Die Familien sehen das anders. Für sie ist das sanfte Gemüt von großer Bedeutung. Sie wünschen sich einen Hund, der wenig Aggressivität aufweist, liebevoll mit den Kindern spielt, ihnen auch mal Fehler verzeiht und anhänglich ist. Sie vergessen oft aber die Bedürfnisse des Hundes nach Bewegung und Beschäftigung. Auch ein Weißer Schäferhund darf nicht als Spielzeug dienen, das nach dem Gebrauch in die Ecke gestellt werden kann.
In den Vereinen werden derzeit viele, auch wissenschaftliche, Studien über Charakter, Eigenschaften und genetische Anlagen betrieben, um diese Ausrichtungsfrage zu klären. Bei genauer Betrachtung der derzeitigen Anlagen lassen die Fakten für uns nur einen Schluss zu: Der Weiße Schweizer Schäferhund kann nur in einer Familie mit „Rudelanschluss“ glücklich sein. Eine andere Haltungsform ist bei seiner Anhänglichkeit, seinem Sozialverhalten, seinem ruhigen Wesen nicht möglich. Nur aus diesem starken Sozialverband heraus wird er seine Vorzüge ausspielen können. Mit Familie ist nicht zwangsläufig ein Haushalt mit großer Kinderzahl gemeint. Das kann auch eine Kleinfamilie, ein Paar oder ein Single sein. Einzelpersonen sollten allerdings sehr viel Zeit aufbringen können. In einer Familie kann der Zeitaufwand auf mehrere Schultern verteilt werden. Eines darf aber nicht falsch verstanden werden: Ein Familienhund, der nur Kinder glücklich macht und ansonsten ruhig in der Ecke liegt, ist der Weiße nicht. Er braucht als aktiver und intelligenter Hund reichlich Bewegung und geistige Herausforderungen. Für einen Weißen Schäferhund ist also beides wichtig: Familienanschluss und Beschäftigung. Nur so wird man seinem Charakter gerecht. Er ist weder ein Stubenhocker noch ein Gebrauchshund oder Sportgerät.
Familien- oder Arbeitshund? Auf ein einheitliches Zuchtziel konnten sich die Anhänger der Rasse bisher nicht einigen. (Foto: Keggenhoff)
Weiß wie Schnee, schwarz wie Ebenholz:
das äußere Erscheinungsbild
Ein Weißer Schweizer Schäferhund ist eine imposante Erscheinung und viele „Weiße“ kennen ihre Wirkung auf Menschen ganz genau. Fragt man die Züchter oder Besitzer, was die Besonderheit der Rasse ausmacht, wird man ganz unterschiedliche Antworten bekommen. Sie sind so vielschichtig wie der Weiße Schäferhund selbst.
Eine Beschreibung fällt daher nicht leicht. Darüber hinaus ist jeder Hund ein Individuum und hat seine ganz eigenen, liebenswerten, aber auch anstrengenden Eigenschaften.
Beim ersten Blick ist man etwas irritiert, denn das Bild des farbigen Deutschen Schäferhundes ist noch so vorherrschend, dass die Farbe Weiß ungewöhnlich erscheint. Durch das helle Fell wirkt der „Weiße“ freundlicher und weniger Angst einflößend als ein dunkler oder gar schwarzer Hund. Merkwürdigerweise sind selbst zurückhaltende Menschen oft bereit, auf einen Weißen Schäferhund zuzugehen. Vielleicht ist das leise Zögern des Hundes eine besondere Geste, die gerade ängstliche Menschen anzieht. Obwohl der Weiße Schäferhund eine stattliche Größe zwischen 57 und 66 Zentimetern erreicht, kommen sehr schnell Kontakte zu Fremden zustande, sofern der Besitzer sie zulässt.
Die freundliche Wirkung wird durch die sanften braunen Augen unterstützt. Sie sollten möglichst dunkel sein; eine helle Bernsteinfarbe kommt in seltenen Fällen vor, gilt in der Zucht aber als leichter Fehler. Hunde mit blauen oder gar roten Augen (Albinismus) sind von einer Zucht auf jeden Fall ausgeschlossen.
Weiße Schäferhunde lieben die Kommunikation mit ihrem Besitzer. Es ist eine dankbare Aufgabe, die Blicke des eigenen Hundes nach und nach deuten zu lernen und zu erkennen, dass er umgekehrt das Gleiche tut. Ist ein Vertrauensverhältnis erreicht, genügt oft ein kurzer Blick und der Hund reagiert. Bei manchen Besitzern funktioniert das auch umgekehrt: Der Weiße Schäferhund blickt und der Zweibeiner reagiert! Kurz: Dem Blick kann man nur schwer widerstehen.
Stehohren gehören zu einem Schäferhund, das ist bei einem weißen Exemplar nicht anders. In der Welpenzeit „kippen“ sie noch. Das Aufstellen der Ohren zählt zu den größten Sorgen der Besitzer. Es erfolgt in ganz unterschiedlichen Altersstufen, das ist auch ein bisschen von der Zuchtlinie abhängig. Einige Welpen haben bereits zum Abgabezeitpunkt mit acht Wochen Stehohren, bei anderen hängt noch ein Ohr, oder auch beide. Das ist alles vollkommen normal. Zunächst stellen sich die Ohren bei besonderer Aufmerksamkeit, später dann ganz. Zur Zeit des Zahnwechsels können Ohren, die noch keine Stabilität haben, wieder für eine gewisse Zeit kippen. Ist der Zahnwechsel mit acht oder neun Monaten so gut wie abgeschlossen, stehen bei fast allen Weißen Schäferhunden beide Ohren. Ein Weißer Schäferhund mit einem oder gar zwei Schlappohren ist eine Seltenheit, und die Sorgen der Welpenbesitzer sind normalerweise unbegründet.
Die Ohren sind ein sehr deutliches Stimmungsbarometer des Weißen Schäferhundes. Wenn es etwas zu entdecken gibt, sind sie aufmerksam gespitzt. Legt er sie an, ist das nicht unbedingt ein Zeichen für schlechte Stimmung. Manchmal möchte er einfach nur kuscheln. Denn das tun sie alle gern – darum haben wir diesem Thema auch ein ganzes Kapitel gewidmet.
In der Zucht unterscheidet man zwischen zwei Fellarten: Langstockhaar und Stockhaar. Das Stockhaar bezeichnet ein kurzes Fell, wie man es vom Deutschen Schäferhund kennt. Es hat eine dichte Unterwolle und variiert von sehr kurzem Fell bis hin zum kräftigen Stockhaar, das besonders an der Halspartie sehr füllig wirkt. Ein gut trainierter Stockhaarhund hinterlässt in der Bewegung einen faszinierenden Eindruck, weil jeder Muskel klar erkennbar ist.
Das Langstockhaar ist für viele Besitzer die optisch interessantere Fellart. Das Deckhaar ist länger und sollte glatt anliegen. Auch diese Fellart ist recht unempfindlich und verfilzt trotz der Unterwolle nicht schnell.
Beide Fellarten werden auf Ausstellungen gemeinsam im Ring präsentiert und dürfen miteinander verpaart werden. Während der Anfangszeit der Zucht waren die meisten Weißen Schäferhunde stockhaarig. Aufgrund steigender Beliebtheit setzt sich die Langstockvariante inzwischen mehr und mehr durch. Reine Stockhaarverpaarungen sind selten geworden. Eine Prognose der Fellart eines Wurfes kann nur gemacht werden, wenn der Züchter zwei Langstockhunde verpaart. Der rezessive Erbgang...