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Weißt du, wie viel Sterne stehen?

Wie das Licht in die Welt kommt

AutorHarald Lesch, Jörn Müller
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783641025342
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Der Star der Sterne
Seit Menschen die Augen gen Himmel richten, haben vor allem die Sterne sie fasziniert. Mythen, Legenden und bizarre Theorien verbinden sich mit den geheimnisvollen hellen Punkten am nächtlichen Himmel. Die Frage des Kinderliedes »Weißt du, wie viel Sternlein stehen« können zwar auch die Physiker Harald Lesch und Jörn Müller nicht endgültig beantworten. Aber sie erzählen, woraus ein Stern besteht, warum er leuchtet, wie er geboren wird und wie er stirbt. Von Roten Riesen, Weißen Zwergen, Supernovae und Pulsaren ist die Rede, was Doppelsterne so alles erleben und wie die ersten Sterne im Universum entstanden sind. Anschaulich erzählt, doch immer auf Augenhöhe mit den neuesten Erkenntnissen der Astrophysik.

Harald Lesch ist Professor für Theoretische Astrophysik am Institut für Astronomie und Astrophysik der Ludwig-Maximilians-Universität München und einer der bekanntesten Naturwissenschaftler in Deutschland. Seit vielen Jahren vermittelt er einer breiten Öffentlichkeit spannendes populärwissenschaftliches Wissen. Durch die Sendereihe »alpha-Centauri« bekannt geworden, moderiert er heute u. a. »Leschs Kosmos« im ZDF. Er hat, allein oder mit Co-Autoren, eine Vielzahl erfolgreicher Bücher veröffentlicht, zuletzt »Was hat das Universum mit mir zu tun?«, »Wenn nicht jetzt, wann dann?« und »Denkt mit!«.

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Leseprobe
Kapitel 1

Von der Astronomie zur Astrophysik


Der Himmel ist unser Guckloch auf die Bühne des Kosmos. Dort wird ganz großes Theater gespielt. Stücke von grenzenloser Erhabenheit, Wucht und Dramatik. Kant, der »Alte aus Königsberg«, hat einmal gesagt: »Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht: der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.«
Versuchen wir zu verstehen, was den Philosophen Kant zu dieser Aussage bewegt hat. Das moralische Gesetz kann als eine objektive, rationale Regel begriffen werden, nach der sich der freie menschliche Wille vernünftigerweise zu richten bereit ist. Dabei verleiht der Begriff »Moral« dieser Regel erst ihren hohen Stellenwert. Salopp gesprochen ist Moral eine Art Gleitmittel zum Abbau sozialer Reibungen zwischen den Individuen. Sozialwissenschaftler würden es vermutlich anders ausdrücken. Vielleicht würden sie sagen: Moral ist ein Wertekanon, der in einer Gruppe von Individuen ein einvernehmliches Mit- und Nebeneinander möglich macht. In diesem Sinne setzt Moral ein Bewusstsein für »Gut« und »Böse« voraus. Man könnte daher sagen: Das moralische Gesetz ist das gefühlte innere Gewissen, das uns ermahnt: »Du sollst!« beziehungsweise »Du sollst nicht!«
Natürlich ist das moralische Empfinden individuell ausgeprägt. Die Bandbreite der Charakterzüge reicht vom Heiligen bis hin zum Verbrecher. Demnach bemisst sich der moralische Rang des Individuums daran, in welchem Umfang es sich seiner inneren Stimme verpflichtet fühlt. Ein isoliertes, nur sich selbst verantwortliches Wesen würde vermutlich auch ohne Moral kaum in einen Gewissenskonflikt geraten, da sich Moral wohl erst in der Haltung gegenüber anderen zeigen kann. Doch innerhalb einer Gruppe, einer Population, ist ein gewisses Maß an Moral unverzichtbar. Dort bedarf es einer Leitlinie, einer Richtschnur, an der sich das individuelle Handeln wie auch das Verhalten gegenüber anderen orientieren kann. Damit Konfliktbewältigung funktioniert, muss der moralische Verhaltenskodex, das moralische Gesetz, nicht nur von allen Individuen akzeptiert sein, vielmehr müssen auch alle Individuen imstande sein, ihm Folge zu leisten. In dem ebenfalls von Kant formulierten Satz: »Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns jederzeit als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne«, kommt das klar zum Ausdruck. Auf Erden ist der Mensch vermutlich das einzige Geschöpf, das eine gewisse innere Verpflichtung gegenüber seiner Umwelt verinnerlicht hat. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Erst gelebte Moral macht den Homo sapiens zum Menschen.
Im Gegensatz zur Spezies Mensch kennt die Natur keine Moral. Manche sagen: »Die Natur ist grausam.« Aus der Perspektive eines vom Schicksal gebeutelten Individuums mag man dieser Ansicht zustimmen. Objektiv betrachtet erweist sich diese Meinung jedoch als falsch. In der Natur gelten andere Gesetze, keine moralischen, sondern eben Naturgesetze. An die Stelle der freien Entscheidung zwischen einem »Du sollst nicht!« und einem »Ich mache es trotzdem!« setzt die Natur ein kompromissloses »Du kannst nicht!« Jeder Versuch, sich dagegenzustemmen, muss scheitern. Die Natur kennt da keinen Spaß, aber – wiederum tröstlich – sie kennt auch keine Bosheit.
Verhaltensforscher haben mittlerweile auch im Tierreich, insbesondere bei den Primaten, Verhaltensweisen entdeckt, die man als eine Form von Moral deuten kann. Affen helfen sich manchmal gegenseitig. Doch ist das von ähnlicher Intensität wie beim Menschen? Handelt es sich dabei nicht lediglich um eine Art Instinkt, nach dem Motto: »Was dir hilft, hilft auch mir«? Bewusst gelebte Moral verlangt ein gewisses Maß an Selbstlosigkeit und setzt Selbstreflexion und insbesondere einen freien Willen voraus, sich so oder so zu entscheiden. Kann man das einem Schimpansen, dem uns am nächsten stehenden Primaten, zubilligen? Wir stellen das nicht in Abrede. Aber wir sehen doch einen deutlichen Unterschied. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass wir eben keine Affen und nicht in der Lage sind, die »Moral« dieser Gattung zu verstehen oder richtig zu deuten. Oder weil wir gar nicht bereit sind, anderen Lebewesen einen so hohen Entwicklungsstand zuzubilligen, der eine wie auch immer geartete Form von Moral einschließt. Man kann uns Menschen in dieser Hinsicht ja einen ausgeprägten Chauvinismus nicht absprechen. Wohin das führen kann, ist insbesondere am Umgang des Menschen mit seiner Umwelt zu beobachten. Wie auch immer: Gewisse Formen »animalischer« Moral sind nicht völlig auszuschließen.
Kann man sich ein moralisches Gesetz bei höher entwickelten Tieren noch vorstellen, so ginge es wohl zu weit, wollte man von ihnen auch eine gewisse Ehrfurcht beim Anblick des nächtlichen Sternenhimmels erwarten. Uns ist jedenfalls kein Fall bekannt, wo Primaten den Sternen gesteigerte Aufmerksamkeit entgegengebracht hätten beziehungsweise ihr Verhalten Anzeichen von Bewunderung erkennen ließ. Ganz anders beim Menschen. Was ihn auszeichnet, ist die Fähigkeit zu staunen. Auslöser dieser Befindlichkeit ist zumeist die Konfrontation mit etwas Unerwartetem, etwas Großartigem oder auch Verwunderlichem. Aber auch die Begegnung mit dem Unerklärlichen, dem Unverstandenen lässt Menschen ins Staunen geraten. Staunen heißt, sich des Besonderen bewusst zu werden. Der Romancier Theodor Fontane meint: »Staunen ist auch eine Kunst. Es gehört etwas dazu, Großes auch als groß zu begreifen.« Fast immer ist das Staunen mit intensiven Emotionen verknüpft: beispielsweise einem Gefühl der Bewunderung, des Respekts, der Verehrung. Oft ruft es aber auch Befremden oder Irritation hervor. Und nicht zuletzt folgt auf Staunen oft Neugierde. Das Unbekannte und Unbegreifliche soll zu Vertrautem und Erklärbarem werden. Schon Thomas von Aquin hat gesagt: »Das Staunen ist eine Sehnsucht nach Wissen.« So gesehen sind Wissen und Erkenntnis das Ergebnis ursprünglichen Staunens und der daraus resultierenden Neugierde. Auf einen Nenner gebracht heißt das: Staunen ist die Triebfeder aller Wissenschaft. Niemand weiß, wann in der Geschichte erstmals einer unserer Vorfahren erstaunt den Blick zum Himmel gerichtet und sich Fragen gestellt hat wie: Was hat das da draußen zu bedeuten? Woher kommt das alles? Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Der Blick »nach oben« und die Faszination, die davon ausgeht, haben nahezu alle Kulturen der Weltgeschichte in ihren Bann gezogen und bis heute nicht mehr losgelassen. Überspitzt ausgedrückt war diese erste gedankliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen Himmel die Geburtsstunde der Astronomie.

Einst …


Wie archäologische Funde zeigen, dürften sich bereits die Menschen der Steinzeit an den Strukturen des Himmels orientiert haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass ihre Gräber bevorzugt nach bestimmten Himmelsrichtungen, vornehmlich nach Westen, ausgerichtet waren? Wandmalereien in der Höhle von Lascaux, in der Forscher heute die Plejaden und den Tierkreis zu erkennen glauben, deuten ebenfalls auf eine Beschäftigung mit den Sternen hin. Ab etwa 4000 v. Chr. waren es dann insbesondere die Ägypter und Babylonier im Orient, die Inder und Chinesen in Asien, die Mayas und Azteken in Südamerika sowie die Griechen in Europa, die sich sehr intensiv mit Astronomie befasst haben. So konnten die Babylonier die Positionen verschiedener Himmelskörper berechnen und deren Erscheinen vorhersagen. Sie waren auch die Ersten, die erkannten, dass der Morgen- und der Abendstern ein und dasselbe Objekt ist: die Venus. Bemerkenswert auch die schon um 2000 v. Chr. erstellten sehr genauen Mayakalender und die Tatsache, dass den Gelehrten dieser Kultur die Umlaufzeiten der Planeten bis auf eine Abweichung von nur wenigen Minuten genau bekannt waren.
Auch im frühen China war die Astronomie eine Wissenschaft von hohem Ansehen. Aus der Zeit um 3000 v. Chr. sind Aufzeichnungen und Beschreibungen von Kometen und Finsternissen überliefert. So waren die chinesischen Astronomen schon in der Lage, Sonnenfinsternisse vorauszuberechnen. Ihnen war bewusst, dass ein solches Ereignis immer nur bei Neumond stattfinden kann und dass die Mondbahn gegen die Umlaufbahn der Erde um die Sonne leicht geneigt ist. Derartige Berechnungen wurden mit besonderer Sorgfalt durchgeführt, denn die Hofastronomen mussten mit ihrem Leben bezahlen, wenn der Herrscher und sein Volk von einem derartigen Schauspiel überrascht wurden. Auch seltene, spektakuläre Himmelserscheinungen wie eine Supernova wurden als Besonderheit erkannt und als Besuch eines sogenannten »Gaststerns« in den Annalen vermerkt.
Bei den Ägyptern deutet die Ausrichtung der Pyramiden nach den Sternen auf ein intensives astronomisches Studium des Himmels hin. So unterteilte ihr Kalender das Jahr bereits in 365 Tage. Eine besondere Rolle spielte dabei der Stern Sirius. Der erste Tag, an dem dieser Himmelskörper kurz vor Sonnenaufgang am östlichen Horizont erschien, war für die Ägypter das Zeichen, dass nun die alljährliche Nilflut begann.
Auch im nördlichen Europa findet man Anzeichen einer Beschäftigung mit den Sternen. Das...
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