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Wenn Furcht zur Phobie wird

Ein Selbsthilfeprogramm - Spezifische Phobien verstehen und bewältigen

AutorHans Morschitzky
VerlagPatmos Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783843611749
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Ob Angst vor Mäusen, Furcht vor Dunkelheit oder Panik im Aufzug - viele Ängste sind oft völlig unbegründet, können aber nicht mit der Vernunft widerlegt werden. Zu diesen irrationalen Ängsten zählen vor allem die Spezifischen Phobien, die sich jeweils auf eine ganz bestimmte Angstsituation beziehen und die zu den häufigsten Angststörungen zählen. Der erfahrene Verhaltenstherapeut und Angstexperte Hans Morschitzky erklärt, wann normale Furcht zu einer Phobie wird und was den Betroffenen helfen kann, besser mit ihren Ängsten umzugehen. In einem Selbsthilfeprogramm in neun Schritten ermöglicht er den Leserinnen und Lesern, ihre Phobie besser zu verstehen und Strategien zur Angstbewältigung zu erlernen. Es geht vor allem darum, neue Erfahrungen zu machen, so dass es leichter wird, sich gefürchteten Situationen erfolgreich zu stellen. Ein Buch, das hilft, die Angst Schritt für Schritt zu bewältigen. >> 10 % der Deutschen leiden an einer Spezifischen Phobie >> von einem ausgewiesenen Angst-Experten >> inklusive eines bewährten 9-Schritte-Programms zur Bewältigung von Angst

Dr. phil. Hans Morschitzky ist Klinischer Psychologe und Psychotherapeut in freier Praxis. Er arbeitete über drei Jahrzehnte in den Abteilungen Psychiatrie und Psychosomatik an der Landesnervenklinik in Linz, Österreich. Sein Spezialgebiet sind Angst- und psychosomatische Störungen. Bei Patmos hat er viele erfolgreiche Ratgeber veröffentlicht.

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Leseprobe

Spezifische Phobien als psychische Störung


Historische Aspekte


Phobien gelten seit der sechsten Version des internationalen Klassifikationsschemas von Krankheiten (International Classification of Diseases, ICD) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 1948 als eigenständige psychische Störung, neben der damals sogenannten Angstneurose. Eine Unterscheidung zwischen drei Arten von Phobien (Agoraphobie, Soziale Phobie und Einfache Phobien) erfolgte erstmals im amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema DSM-III aus dem Jahr 1980. Wegen der missverständlichen Bezeichnung »Einfache Phobien« wurde diese Kategorie im DSM-IV aus dem Jahr 1994 in »Spezifische Phobien« umbenannt. Diese Phobien sind nicht einfach vom Ausmaß, sondern monosymptomatisch vom Umfang her.

Seit dem ICD-10 aus dem Jahr 1992, das in Deutschland seit dem Jahr 2000 und in Österreich seit dem Jahr 2001 verbindlich ist, werden Phobien auch international in drei Grundformen eingeteilt: Agoraphobie, Soziale Phobie und Spezifische Phobien. Die Spezifischen Phobien werden in fünf Subtypen unterteilt: Tierphobien, Naturgewaltenphobien, Situative Phobien (Klaustrophobie), Blut-Spritzen-Verletzungsphobien und andere Typen.

Die Einteilung der Phobien in drei Grundformen blieb auch in den neuesten Diagnoseschemata bestehen, und zwar sowohl beim amerikanischen DSM-5 aus dem Jahr 2013 als auch beim ICD-11, das in 2019 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschlossen wird. Das ICD-11 wird in den kommenden Jahren in allen Mitgliedsländern der WHO unterschiedlich schnell eingeführt werden. Bei den Spezifischen Phobien bestehen nur geringe Unterschiede zwischen ICD-10 und ICD-11. Die Soziale Phobie wurde in Soziale Angststörung umbenannt, weil es dabei nicht nur um Furcht und Vermeidung, sondern vor allem auch um soziale Kompetenzdefizite geht. Das ICD-11 unterscheidet sieben Angststörungen: Generalisierte Angststörung, Panikstörung, Agoraphobie, Soziale Angststörung, Spezifische Phobien, Trennungsangststörung und Selektiver Mutismus (das ist ein angstbedingtes Verstummen außerhalb der vertrauten sozialen Umwelt bei Kindern und Jugendlichen).

Diagnostik Spezifischer Phobien nach dem ICD-10


Eine Spezifische Phobie (Code F40.2) nach den klinisch-diagnostischen Leitlinien des ICD-10 ist eine eng umschriebene Angst vor bestimmten, objektiv relativ ungefährlichen Orten und Situationen ohne gleichzeitige Agoraphobie oder Soziale Phobie. Das Ausmaß der Beeinträchtigung im Leben hängt davon ab, wie leicht die Betroffenen die phobische Situation vermeiden können. Die Krankheitswertigkeit erfordert keine bestimmte Zeitdauer (im ICD-11 werden einige Monate angeführt).

Die Forschungskriterien des ICD-10, die die Symptomatik genauer erfassen, definieren eine Spezifische Phobie durch vier zentrale Merkmale:1

  1. Es besteht eine deutliche Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation (außerhalb einer Agoraphobie oder einer Sozialen Phobie) oder eine deutliche Vermeidung derartiger Objekte und Situationen. Als häufige phobische Objekte und Situationen gelten Tiere, Höhen, Dunkelheit, Gewitter mit Donner und Blitz, Fliegen mit dem Flugzeug, kleine geschlossene Räume, der Anblick von Blut oder Verletzungen, Injektionen, Zahnarzt- und Krankenhausbesuche.
  2. Angesichts des gefürchteten Objekts bzw. in den gefürchteten Situationen traten seit Beginn der Störung mindestens einmal einige der typischen Angstsymptome auf, die im Folgenden näher dargestellt werden.
  3. Es besteht einerseits eine deutliche emotionale Belastung durch die Symptome oder das Vermeidungsverhalten und andererseits die Einsicht, dass diese übertrieben und unvernünftig sind.
  4. Die Symptome sind auf die gefürchtete Situation oder auf die Gedanken an diese beschränkt.

Spezifische Phobien werden durch zahlreiche externe Reize (Reize außerhalb des eigenen Körpers) ausgelöst. Das ICD-10 unterscheidet fünf Gruppen von Spezifischen Phobien:

  • Tier-Typ: z. B. Insekten, Hunde.
  • Naturgewalten-Typ: z. B. Sturm, Wasser.
  • Blut-Injektions-Verletzungs-Typ: z. B. Blutabnahme, Impfung.
  • Situativer Typ: z. B. Aufzug, Tunnel.
  • Andere Typen: z. B. Angst, zu erbrechen oder zu ersticken.

Die Symptome einer Spezifischen Phobie sind von der Zahl und der Art her nicht verbindlich definiert, bestehen jedoch aus einigen anhaltend oder attackenartig auftretenden Symptomen aus der Gruppe jener 14 Angstsymptome, die auch für eine Panikattacke oder eine Agoraphobie typisch sind:2

  1. Vegetative Symptome:

  2. Herzstolpern, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz,
  3. Schweißausbrüche,
  4. fein- oder grobmotorisches Zittern,
  5. Mundtrockenheit.

    Symptome im Brust- und Bauchbereich:

  6. Atembeschwerden,
  7. Beklemmungsgefühl,
  8. Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust,
  9. Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchbereich (z. B. Unruhe­gefühl im Magen).

    Psychische Symptome:

  10. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit,
  11. Gefühl, dass die Umwelt unwirklich ist (Derealisation) oder man selbst weit entfernt oder »nicht wirklich hier« ist (Depersonalisation),
  12. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder »auszuflippen«,
  13. Angst zu sterben.

    Allgemeine Symptome:

  14. Hitzewallungen oder Kälteschauer,
  15. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle.

Die Betroffenen erkennen zwar, dass ihre Angst bzw. Furcht unangemessen, übertrieben und unvernünftig (»irrational«) ist, können sie aber dennoch nicht kontrollieren. Wenn sich bestimmte Objekte und Situationen nicht vermeiden lassen, können sie diese unter großer Furcht und Belastung ertragen. Spezifische Phobien treten oft gemeinsam mit situationsbezogenen Panikattacken auf.

Die zahlreichen, völlig unterschiedlichen Spezifischen Phobien haben inhaltlich nur eines gemeinsam: Es besteht eine subjektive Bedrohung durch einen externen Reiz (ein Objekt oder eine Situation), durch den im schlimmsten Fall Leib und Leben und im günstigsten Fall das Wohlbefinden der Betroffenen bedroht sein könnten.

Diagnostik Spezifischer Phobien nach dem DSM-5


Das amerikanische psychiatrische Diagnoseschema DSM-5 definiert eine Spezifische Phobie noch etwas präziser (allerdings ohne eine Liste typischer Symptome):3

  • Es besteht eine ausgeprägte Furcht oder Angst vor einem spezifischen Objekt oder einer spezifischen Situation (z. B. Fliegen mit dem Flugzeug, Höhen, bestimmte Tiere, Verabreichung einer Injektion, Anblick von Blut).
  • Die phobischen Objekte oder Situationen rufen fast immer eine unmittelbare Furcht oder Angstreaktion hervor.
  • Die phobischen Objekte oder Situationen werden aktiv gemieden bzw. nur unter starker Furcht oder Angst ertragen.
  • Die Furcht oder Angst geht über das Ausmaß der tatsächlichen Gefahr durch die spezifischen Objekte oder Situationen hinaus und ist im soziokulturellen Kontext unverhältnismäßig.
  • Die Furcht, Angst oder Vermeidung ist anhaltend, typischerweise länger als sechs Monate.
  • Die Furcht, Angst oder Vermeidung verursacht in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.
  • Das Störungsbild kann nicht besser durch die Symptome einer anderen psychischen Störung erklärt werden.

Wie im ICD-10 werden fünf Subtypen unterschieden:

  • Tier-Typ: z. B. Spinnen, Insekten, Hunde.
  • Umwelt-Typ: z. B. Höhen, Stürme, Wasser.
  • Blut-Spritzen-Verletzungs-Typ: z. B. Injektionsnadeln, invasive medizinische Verfahren.
  • Situativer Typ: z. B. Flugzeuge, Aufzüge, enge, geschlossene Räume.
  • Anderer Typ: z. B. Situationen, die zu Ersticken oder Erbrechen führen könnten.

Viele Betroffene weisen mehrere Spezifische Phobien auf. Eine Person mit Spezifischer Phobie fürchtet im Durchschnitt drei Objekte bzw. ­Situationen. Rund 75 Prozent der Betroffenen fürchten mehr als eine Situation.

Abgrenzungen gegenüber anderen Angststörungen


Bei guter Kenntnis der Diagnosekriterien gelingt die Abgrenzung der Spezifischen Phobien zu anderen Angststörungen relativ leicht. Die folgenden Ausführungen sollen konkrete Hilfestellungen dazu bieten.

Von einer Panikstörung lässt sich eine Spezifische Phobie durch das Kriterium abgrenzen, dass Panikattacken bei einer Panikstörung spontan und unerwartet auftreten, das heißt ohne äußere Auslöser, wie »aus heiterem Himmel«, während sie bei einer Spezifischen Phobie ausschließlich in Zusammenhang mit den gefürchteten Objekten, Orten und Situationen auftreten und oft auch schon vorher erwartet und gefürchtet werden.

Eine...

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