(Foto: Neddens-Tierfoto)
Futtermittelallergien bei Hunden
Statistisch gesehen sind ca. ein bis fünf Prozent aller Hauterkrankungen und ungefähr zehn Prozent aller allergischen Hauterkrankungen (ausgenommen hiervon sind Flohallergien) bei Hunden auf Futtermittelallergien zurückzuführen. 20 bis 30 Prozent aller an Futtermittelallergie leidenden Hunde weisen noch weitere, zusätzliche allergische Erkrankungen (Flohallergie, Umweltallergie oder Atopie) auf.
Die Erkrankung betrifft beide Geschlechter gleich häufig. Im Gegensatz zur Atopie, beziehungsweise der nicht durch Futtermittel verursachten Atopischen Dermatitis des Hundes, ist bisher eine eindeutige Rasseprädisposition und somit eine (genetische) Veranlagung für die Futtermittelallergie nicht bestätigt. Einige Autoren vermuten eine entsprechende Prädisposition für den Golden Retriever, andere beschreiben ein gehäuftes Auftreten für die Entwicklung von Futtermittelallergien bei folgenden Rassen:
• Labrador Retriever
• Boxer
• West Highland White Terrier
• Deutscher Schäferhund
• Shar Pei
• Cocker Spaniel und Springer Spaniel
• Irish Setter
• vermutlich auch Französische Bulldogge und Mops
Generell jedoch können Hunde aller Rassen sowie Mischlinge erkranken. Interessant: 80 Prozent der Hunde reagieren allergisch auf ein oder zwei verschiedene Nahrungsbestandteile (Allergene), bei ca. 20 Prozent sind es gar drei bis fünf verschiedene Komponenten.
Während sich die Atopie in der Regel erst in einem Alter ab sechs Monaten und bis zu einem Alter von drei bis fünf Jahren entwickelt beziehungsweise zumindest erstmalig zwischen sechs Monaten und drei Jahren in Erscheinung tritt, kann eine Futtermittelallergie praktisch in jedem Lebensalter auftreten. Tritt eine vermeintlich allergische Erkrankung in einem Alter von unter sechs Monaten auf, so handelt es sich vermutlich eher um ein futterallergisches Geschehen als um eine Umweltallergie (Atopie).
Asaisonalität: In der Regel handelt es sich bei Futtermittelallergien verständlicherweise um ein asaisonales (siehe Glossar) Phänomen, da entsprechende Futtermittel meistens durchgehend verabreicht werden. Dies unterscheidet die Futtermittelallergie zum Beispiel von der saisonalen Atopie (Reaktionen auf zum Beispiel Baumpollen, Gräser) oder der Flohallergie (Flöhe treten zumindest in kälteren Klimaregionen nicht ganzjährig auf). Ausnahmen können zusätzliche (saisonale) Faktoren (siehe auslösende Faktoren, Schwellentheorie) sein, die eine „schlummernde“ Futtermittelallergie durch einen Summationseffekt zum Ausbruch bringen, sowie die Entstehung einer Erkrankung nach sporadischer, saisonaler Verabreichung eines Futtermittels.
Welche Substanzen, oder besser Stoffe, lösen denn nun eigentlich Futtermittelallergien aus? Zu den häufigsten Allergenen gehören Stoffe sowohl tierischer als auch pflanzlicher Herkunft. Es handelt sich um Stoffe einer bestimmten molekularen Größe (dies ist Voraussetzung für die immunologische Sensibilisierung gegen das entsprechende Allergen). Das Molekulargewicht wird üblicherweise mit > 10 000 Dalton (in der Regel 18 bis 36 kDa) angegeben. Meist handelt es sich um Proteine (Eiweiße) oder deren Abbauprodukte sowie Verbindungen zwischen Fetten und Eiweißen oder bestimmte Zucker-Eiweiß-Verbindungen (sogenannte Lipo- und Glykoproteine) aus der Nahrung. Potenziell kann jede Eiweißverbindung eine allergene Wirkung ausüben. Amerikanische Autoren berichten von allergischen Reaktionen unter anderem auf Reis (neun Prozent der Hunde in einer Studie) und selbst auf Kartoffeln. Der US-Veterinärdermatologe Craig Griffin beschreibt in Muller & Kirk’s Small Animal Dermatology einen Hund, der auf praktisch jedes während eines Zeitraums von zwei Jahren gefütterte Eiweiß allergisch reagierte und letztendlich nur unter Penicillinbehandlung überleben konnte. Nur durch gleichzeitige Verabreichung von Kortison konnte eine normale Verdauung der ansonsten allergen wirkenden Futtermittel erzielt werden.
Umstritten und nicht eindeutig belegt, aber vermutet und auch von einigen Autoren beschrieben (Scott et al., 1995) werden allergische Reaktionen auf Zusatzstoffe, zu denen unter anderem Konservierungsstoffe zählen, auch wenn derartige Reaktionen relativ selten vorzukommen scheinen. Dennoch gibt es immer wieder Hunde, die auf so gut wie jedes kommerzielle (einschließlich der sogenannten hypoallergenen) Futtermittel allergisch bedingte Reaktionen zeigen, hingegen selbst zubereitete Diäten auf der Basis der gleichen Zutaten des zuvor nicht vertragenen Fertigfuttermittels einwandfrei verdauen und vertragen. Es wird vermutet, dass einige Zusatzstoffe, deren Molekulargröße an und für sich zu klein für eine allergenisierende Wirkung ist, als sogenannte Haptene fungieren. Haptene sind kleinere Moleküle, die sich an große (Eiweiß-)Moleküle binden und dadurch zur Entstehung von allergenen Verbindungen führen.
Interessant ist, dass tatsächlich ungefähr 20 Prozent aller von einer Futtermittelallergie betroffenen Hunde keine Nahrung auf der Basis kommerzieller Fertigfutter vertragen. Die hauptsächlichen Auslöser von Futtermittelallergien bei Hunden sind:
• Fleisch – vor allem Rind, Schwein, Geflügel (besonders Huhn), Lamm
• Milchprodukte
• Soja
• Weizen
• Mais
• Reis
• (Hühner-)Eier
• Fisch (seltener)
Es sei jedoch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass potenziell jedes tierische oder pflanzliche Nahrungsmittel Allergien verursachen kann.
Einige Autoren geben an, dass 40 bis zu 80 Prozent der Futtermittelallergien des Hundes auf Rindfleisch und Milchprodukte zurückzuführen seien. Sicher gehören sie zu den häufigsten Verursachern.
Eines der häufigsten Futtermittelallergene bei Hunden ist Rindfleisch. (Foto: Bucksch)
Kreuzreaktionen (siehe Glossar) sind möglich zwischen Rindfleisch und Milchprodukten sowie Rindfleisch und Lamm oder Wild. Bei diesen kommt es zur Entwicklung allergischer Reaktionen auch gegen die „kreuzreagierenden“ Allergene. Ein Beispiel: Ein auf Rindfleisch allergisch reagierender Hund kann im Fall einer Kreuzreaktion ähnliche Krankheitszeichen nach der Verfütterung von Lammfleisch zeigen. Der Grund für derartige Kreuzreaktionen liegt in der strukturellen „Ähnlichkeit“ bestimmter, in diesem Fall in den beiden Fleischtypen vorkommender Allergene.
Nicht bestätigt, aber auch nicht auszuschließen sind Kreuzallergien zwischen zum Beispiel Getreide (als Futterkomponente) und Pollen (Umweltallergene). Derartige Kreuzallergien sind für den Menschen beschrieben. Obwohl bislang der Beweis fehlt, dass sie bei Hunden existieren, scheint dies doch zumindest möglich. In diesem Fall könnte die entsprechende Pollensaison (die Pollen selbst) zu einer Reaktion bei einem an einer Getreide-(Futtermittel-)Allergie leidenden Hund führen.
Pelletiertes Trockenfutter. (Foto: Bucksch)
Die auf die Häufigkeit auslösender Allergene bezogenen Statistiken variieren in Abhängigkeit von regionalen Faktoren. So treten beispielsweise Allergien gegen Soja(-Proteine) in den USA häufiger auf, da dort Soja in der Herstellung von Futtermitteln für Hunde vermehrt verwendet wird. In Großbritannien leiden Hunde häufiger unter Allergien gegen Hammel- und Lammfleisch, da dies häufig, auch in der Hundeernährung, Verwendung findet. Nicht anders verhält es sich bei Menschen. So lassen sich aus offensichtlichen Gründen in den USA vermehrt Allergien gegen Erdnüsse beobachten, die in Schweden praktisch inexistent sind. In Japan reagieren entsprechend viele Menschen allergisch auf Reis.
Die zur Entstehung allergischer Reaktionen führende notwendige Sensibilisierungsphase kann ein bis mehrere Jahre umfassen. Interessanterweise kann offensichtlich die Verarbeitung (Processing) von Zutaten zur Herstellung eines Futtermittels eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Futtermittelallergien spielen, denn Tatsache ist, dass es Hunde gibt, die bestimmte Futter vertragen, wenn diese selbst zubereitet werden, auf ein identische Zutaten enthaltendes, kommerzielles Dosen- oder Trockenfutter jedoch allergisch reagieren. Dies kann zum einen, wie bereits erwähnt, an enthaltenen Zusatzstoffen liegen. Auf der anderen Seite wird angenommen, dass die Zubereitung, unter anderem Erhitzen (Kochen, Autoklavieren) in der Herstellung von Feuchtfuttermitteln, möglicherweise das Extrudieren und Pelletieren (siehe Glossar) in der Produktion von Trockenfuttermitteln, dazu führt, dass bestimmte Verbindungen (Glykoproteine) erst ihre allergene Wirkung bekommen oder gar neue Allergene entstehen. Bei der sogenannten Maillard-Reaktion verbinden sich Aminosäuren (die Bausteine von Eiweißmolekülen) und „reduzierte Zucker“. Dieser Prozess kann die Allergenität von Eiweißverbindungen erhöhen...