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Wenn mein Hund nicht hören will

Praktische Hilfe bei Verhaltensproblemen

AutorAngela Wegmann
VerlagBLV, ein Imprint von GRÄFE UND UNZER Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783835461062
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,49 EUR
Der fundierte Praxisberater in Neuausgabe * Typische Hunde-Verhaltensprobleme beheben * Die Ursachen erkennen und sanfte Erziehungsmaßnahmen erfolgreich einsetzen.

Angela Wegmann studierte Geschichte und Völkerkunde und Buchwissenschaften, danach Tierpsychologie bei dem bekannten Ethnologen und Tierpsychologen Dr. Turner in der Schweiz. ,Viele Jahre leitete sie eine verhaltenstherapeutische Praxis für Hunde und arbeitete 15 Jahre als Filmtiertrainerin und Hundetrainerin. Sie ist Autorin und Journalisten.

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Leseprobe

Beispiele aus der Praxis

Zur besseren Beurteilung, ob man selbst auf dem richtigen Weg zur

Erziehung seines Hundes ist, sind folgende Fallbeispiele eine sinnvolle

Unterstützung, die man gründlich lesen und sich zu Herzen nehmen sollte.

Doch sollte man die rassebedingten Unterschiede beachten.

Aggressives Verhalten


Das Thema Aggression und deren tiergerechte Beurteilung ist mit eine der schwierigsten Fragen der Verhaltensforschung (Ethologie) und Tierpsychologie. Oftmals schon haben sich auch in der Fachwelt die Gemüter erhitzt. Ein gutes Beispiel ist die lebhafte Diskussion, die das berühmte Buch von Altmeister Konrad Lorenz »Das sogenannte Böse« ausgelöst hat.

In der Welpenspielstunde unterwirft sich eine kleine Mischlingshündin einem jüngeren Schäferhund-Welpen.

Letztendlich ist es natürlich eine moralische Frage, wie Aggression zu bewerten ist. Ich denke für den normalen Hundehalter sind diese Überlegungen eher zweitrangig. Für ihn ist der Schaden, den der Hund mit seinem Verhalten anrichtet, maßgebend. Trotzdem sollte man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass viele aggressive Verhaltensweisen in den Augen des Hundes völlig natürlich sind. Der Mensch war nur nicht in der Lage, den Hund richtig zu behandeln und sein Verhalten zu interpretieren. Erfahrungsgemäß werden ca. 80% aller Hundekandidaten dem Tierpsychologen wegen aggressiven Verhaltens vorgestellt. Bevor man den Hund behandeln kann, muss man zunächst einmal feststellen, um welche Art der Aggression es sich bei ihm handelt. Manchmal ist das Erkennen der Ursache relativ leicht, aber manchmal muss man auch genau forschen, um die Wurzel des Übels zu eruieren. Die Tierpsychologie unterscheidet verschiedene Arten von Aggressionen:

Dominanzaggression gegenüber Menschen und anderen Hunden

Aggressionen beim Verteidigen des Territoriums

Geschlechtsrivalitäten und mütterliche Aggressionen bei der Verteidigung der Welpen

Eifersuchtsaggressionen (kompetitive Aggression)

Beuteaggression

Angst- und Schmerzaggression (Angstbeißen)

Dominanz unter Hunden ist eine natürliche Verhaltensweise. Hier versucht eine Golden-Retriever-Hündin ihren Mischlings-Partner zu dominieren.

Dominanz als natürliche Verhaltensweise


Eine Zebra- oder Elefantenherde, ein Wolfsrudel: alle in festen Verbänden lebende Tierarten steuern ihre sozialen Belange durch eine Rangordnung. Oft gibt es so lange Kämpfe, bis sich klare Dominanzverhältnisse ergeben haben. Dann aber hält sich jeder an die feststehenden Regeln, so dass es zu möglichst wenigen Auseinandersetzungen kommt, die im harten Überlebenskampf eine unnütze Energieverschwendung darstellen würden. Der Kampf um die Führung findet daher auch nur bei der Neugründung eines Rudels statt oder wenn der bisherige Führer stirbt oder oft versagt. Die Struktur der Unter- bzw. Überlegenheit benennt die Verhaltensforschung mit dem Begriff »Dominanz«. Hunde gestalten ihre Machtposition entsprechend ihrer individuellen Empfindlichkeit, die auch rassetypisch ist. Es gibt Rassen, deren Vertreter eher zu dominantem Verhalten neigen als andere. Generell spielen Größe, Gewicht, Geschlecht, hormoneller Status, Jugenderfahrungen sowie erlerntes Verhalten eine Rolle bei der Bildung einer Rangordnung. Die Dominanten schützen sich und einen bestimmten Raum oder ein bestimmtes Besitztum, das für ihre persönliche Sicherheit wichtig ist. Dominanz ist nichts Absolutes. Ist zum Beispiel Futter nicht der Gegenstand, den ein sattes dominantes Tier besitzen möchte, lässt es sich durchaus von einem unterlegenen Tier, das frisst, vertreiben. Aber Vorsicht! Dieses Prinzip ist eines der wenigen, das man nicht vom Wolfs- auf das Mensch-Hund-Rudel übertragen darf! Nie darf ein Hund seinen Besitzer oder auch dessen Familie ernsthaft androhen, wenn dieser/ diese ihm etwas wegnehmen wollen! Das Phänomen äußert sich selbst in intakten Beziehungen (von den meisten Haltern unbemerkt) anders: Drängt Ihr Hund nicht auch vor Ihnen durch die Türe? Erlaubt er sich, hin und wieder die Couch oder gar das Bett zu benutzen? Fordert er Sie manchmal penetrant dazu auf, mit ihm zu spielen oder ihn zu streicheln, so lange, bis Sie nachgeben? Das sind alles Dinge, die sich eigentlich nur der Dominante erlauben darf.

Die Signale für Dominanz

Hunde haben ein unglaublich feines Signalsystem entwickelt, das ihre dominante Stellung oder Unterlegenheit widerspiegelt (siehe auch die Grafik).

Typische Körperhaltung bei Dominanz: direkter, langer Augenkontakt; Ohren aufrecht und nach vorne gestellt; Lippen nach unten gezogen; Kopf hoch erhoben; steif gestreckte Beine; Schwanz horizontal oder aufgestellt

Verhaltenssignale der Dominanz: den Kopf oder die Pfote(n) auf den Nacken oder Rücken des Unterlegenen legen; »Stehen über« einem Unterlegenen; mit dem Körper stoßen; die Schnauze oder den Nacken des Unterlegenen packen; Aufreiten (wenn nicht sexuell motiviert)

Signale der Unterlegenheit: Vermeidung von Augenkontakt; horizontal zurückgezogene Lippen; tief gehaltener Kopf und Schwanz; Ohren flach angelegt; gedrückte Körperhaltung; »auf den Rücken legen«, manchmal begleitet von unterwürfigem (submissivem) Harnen

Solange es im Grundprinzip stimmt und der Hund Ihnen ein folgsamer und angenehmer Kamerad ist, liegt es an Ihnen, inwieweit Sie dem Hund solche Kleinigkeiten gewähren lassen. Wir werden aber noch sehen, dass dies auch Punkte sind, die man bei Dominanzproblemen beachten muss. Es ist durchaus möglich, dass sich Hunde nur in Teilbereichen ihrem Halter gegenüber dominant verhalten und auf anderen Gebieten unterordnungsbereite Gefährten sind. Es gibt zum Beispiel viele ansonsten sich völlig normal benehmende Hunde, die vehement ihr Futter verteidigen. Manche Rüden wiederum fühlen sich so als Herr im Haus, dass sie sich dazu verleiten lassen, auch im Haus zu markieren, vor allem, wenn Besuch kommt. Die Denkweise des Hundes: Das ist alles meines und das will ich auch demonstrieren.

Der unterwürfige Hund leckt die Lefzen des dominanten Tieres. Vor allem junge Hunde zeigen solch ein Verhalten gegenüber älteren. (Schäferhund und junger Mischling)

Der nächste Schritt ist, dass der Rüde, sobald er in ein fremdes Territorium kommt (also zum-Beispiel zu einem Besuch mitgenommen wird), dort Besitzansprüche stellt und markiert. Das ist äußerst energisch zu unterbinden.

Beispiel: Falsche Einschätzung und ihre Folgen


Wie ernst man diese Signale nehmen muss, zeigt folgendes Beispiel. Vor 30 Jahren war ich auf dem Gebiet offener Aggression in der Praxis noch vollkommen unerfahren - und machte prompt einen folgenschweren Fehler. Ich überlegte mir, einen zweiten Hund zuzulegen. Da erfuhr ich von einem fünfjährigen Langhaarschäfer-Rüden, der durch einen Todesfall verwaist war. Ein Nachbar hatte den Hund zunächst in seiner Zwingeranlage untergebracht. Ich besuchte den Hund zwei-, dreimal und ging mit ihm spazieren. Es war ein selbstsicherer, imposanter Rüde, der mir sehr gut gefiel. Sein Benehmen war unauffällig. Von seiner Vorgeschichte wusste ich nichts. Dann nahm ich ihn versuchsweise mit nach Hause. Folgende Situation ergab sich: Ich befand mich in der Küche. Der Hund verhielt sich vollkommen neutral und erkundete ruhig schnüffelnd den Raum. Ich wendete mich dem Tisch zu, um etwas abzulegen. Der Rüde kam zu mir her und stellte dicht neben mir beide Pfoten auf den Tisch. Er knurrte nicht. Wenn ich nicht so unerfahren gewesen wäre, hätte ich aus seiner Körperhaltung heraus erkennen können, dass er mich herausfordern wollte. Ich tat nun aber das Falscheste, was man nur hätte tun können. In der Meinung, der Hund suche den Körperkontakt, um Zuwendung zu erhalten, legte ich einen Arm auf seine Schulter. (Genauso schlimm wäre es gewesen, wenn ich ihm als menschliches Zeichen der Freundschaft tief in die Augen geschaut hätte.) Dann ging alles blitzschnell. Ohne einen Laut von sich zu geben, griff mich der Rüde an und warf mich zu Boden. Im Falschen tat ich jetzt instinktiv das Richtige und blieb ruhig liegen. Damit war für den Hund die Sache geklärt: Er hatte mich herausgefordert, ich hatte ihn herausgefordert, er hatte mich unterworfen. Ein gewaltiger Schock und etliche tiefe Bisswunden an den Armen waren zunächst einmal das Resultat dieses Anschauungsunterrichts über Dominanzverhalten.

Die so genannte T-Stellung. Der Drahthaar-Rüde Olex dominiert über den Schäferhund-Rüden Donar.

Wie ist der Vorfall zu bewerten: Der Fehler lag eindeutig bei mir. Der sehr dominant veran-

lagte und durch seine Situation auch verunsicherte Hund hatte instinktsicher gehandelt und auch sofort abgelassen, als er mich unterworfen hatte. Ich bin jetzt noch der Überzeugung, dass dieser Hund, wenn die Rudelführerfrage auf andere Weise geklärt worden wäre, ein hervorragender Gebrauchshund geworden wäre. So hatte ich freilich verspielt. Der nächste Angriff wäre vorprogrammiert gewesen. Schweren...

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