Fütterung des alten Pferdes
(Foto: Slawik)
Wissenschaftlich ist die Ernährung alter Pferde bisher kaum untersucht. Das wenige, was über ihre speziellen Bedürfnisse an eine bedarfsgerechte Fütterung bekannt ist, basiert meist auf Erfahrungswerten. Wichtig ist eine Basisration, die alle wichtigen Bestandteile für den Erhaltungsbedarf enthält. Gleichzeitig gilt: Das Auge füttert mit. Das heißt, dass der Ernährungszustand des Oldies immer im Auge behalten werden sollte und sich danach die Futtermenge bemisst.
Faktoren wie extreme Wetterlagen, Stress (zum Beispiel durch wechselnde Herdenmitglieder oder Verlust einer ranghohen Position), Übernahme der Opa-/Oma- Rolle für Fohlen, Stallwechsel, Veränderungen im Arbeitspensum oder Krankheit machen eine Anpassung der Ration erforderlich.
Der anspruchsvolle Pferdesenior
Ein gesundes altes Pferd kann in der Regel mit den üblichen Futtermitteln versorgt werden. Gesund heißt, dass die Zähne in Ordnung sind und die Nahrung ausreichend zermahlen werden kann, dass keine Krankheiten vorliegen und sich das alte Pferd in einem optimalen Ernährungszustand (siehe ab Seite 40) befindet. Ist dies nicht der Fall, ist eine spezielle Fütterung notwendig, die später in diesem Kapitel beschrieben wird.
Hochverdauliches, nicht zu spät geschnittenes Heu sollte als Grundversorgung für den Oldie dienen. Getreide sollte prinzipiell gequetscht, gewalzt oder feiner geschrotet werden, damit es auch bei Zahnproblemen noch gut gefressen werden kann. Auch bei der Fütterung von Stroh und sehr hartem Heu ist der Zustand der Zähne im Auge zu behalten. Wird das Raufutter schlecht zerkleinert und in größeren Mengen abgeschluckt, kann es zu Verstopfungen im Darm kommen, die durch die bei alten Pferden oft ohnehin verlangsamten Darmbewegungen noch begünstigt werden.
Heu von guter Qualität in ausreichender Menge genügt – abhängig von der Rasse des Pferdes – oft bereits, um den Energiebedarf eines alten, nicht mehr arbeitenden Pferdes zu decken. Zudem ist die Haltung auf der Weide als ideal anzusehen, wobei je nach Weideaufwuchs Raufutter und Kraftfutter ergänzt werden müssen.
Was bedeutet Erhaltungsstoffwechsel?
Ein Pferd befindet sich im Erhaltungsstoffwechsel, wenn es nicht arbeitet, laktiert oder wächst. Energie aus der Nahrung wird in diesem Fall benötigt für:
- Konstanterhaltung von Körpermasse und Körpertemperatur
- Kreislauf
- Atmung
- Futteraufnahme
- Verdauung
- spontane Bewegungen
Bei allen darüber hinaus entstehenden Belastungen des Organismus ist eine bestimmte zusätzliche Menge an Energiezufuhr nötig, damit der Stoffwechsel weiterhin einwandfrei funktioniert.
Der Bedarf ändert sich
Die meisten Oldies bewegen sich weniger und gemächlicher, wenngleich Ausnahmen die Regel bestätigen: Es gibt durchaus Senioren, die ziemlich flott unterwegs sind und ihrem Besitzer bis zum Schluss graue Haare wachsen lassen, weil sie sich benehmen wie Teenager. Früher ist man davon ausgegangen, dass der Energiebedarf eines alten Pferdes auf etwa 80 Prozent sinkt, da sich der Erhaltungsbedarf verringert. Nach neueren Erkenntnissen liegt der Energiebedarf je nach Rasse aber im Gegenteil sogar um bis zu 20 Prozent höher, da die Verdauung weniger leistungsfähig ist. Geht man davon aus, dass ein mittelgroßes Warmblutpferd (500 Kilogramm) 64 Megajoule (MJ) En - ergie pro Tag im Erhaltungsbedarf benötigt, braucht ein gleich schwerer Senior schon rund 77 MJ (20 Prozent mehr). Folgende Ration würde diesen Energiebedarf gut erfüllen:
Ration für ein altes Pferd (500 kg) im Erhaltungsbedarf (ca. 77 MJ)
Heu oder Heucobs (8 MJ/kg)
Tagesration: ca. 1,5 kg/100 kg Körpergewicht
= 7,5 kg x 8 MJ = 60,0 MJ
Stroh (4,5 MJ/kg)
Tagesration: ca. 0,5 kg/100 kg Körpergewicht
= 2,5 kg x 4,5 MJ = 11,25 MJ
Hafer (11 MJ/kg)
Tagesration: ca. 0,2 kg/100 kg Körpergewicht
= 1,0 kg x 11 MJ = 11,0 MJ
Zugeführte Energie in dieser Ration = 82,25 MJ
Zusätzlich sollte je nach Heu- und Strohqualität Mineralfutter gegeben werden.
Mit dem Energiebedarf steigt bei alten Pferden der Bedarf an essenziellen Aminosäuren sowie an vielen Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen.
Aminosäuren sind Bausteine des Eiweißes (Protein). Proteine sind sehr wichtige Nahrungsbestandteile, die zur Regeneration fast aller Körperzellen benötigt werden. Zu den essenziellen (= lebensnotwendigen) Aminosäuren gehören unter anderem Lysin, Methionin und Tryptophan. Diese kann der Organismus nicht selbst herstellen, sie müssen über das Futter zum Beispiel mit Sojaextraktionsschrot zugeführt werden. Die Mineralien unterscheidet man in Mengenelemente (Kalzium, Phosphor, Magnesium, Natrium, Kalium und Chlor) und in Spurenelemente (Eisen, Kupfer, Kobalt, Zink, Mangan, Jod, Selen).
Mit viel Weidegras, ergänzt um Mineral- und Raufutter, sind die meisten Pferde in den Sommermonaten bereits bestens versorgt. (Foto: Slawik)
Bei den Vitaminen findet eine Unterteilung statt in fettlösliche (Vitamin A und seine Vorstufe, das Betacarotin; Vitamine D, E und K) und in wasserlösliche (Vitamine B1, B2, B6, B12, Biotin, Vitamin C). B-Vitamine können durch die Fütterung von Hefe (Höchstmenge Trockenhefe bei alten Pferden bis 50 g/100 kg Körpergewicht) zugeführt werden. Bei alten Pferden ist zusätzlich die Gabe von Vitamin C angezeigt.
Folgende Mineralien und Vitamine sind speziell für alte Pferde wichtig:
Zink ist für den Eiweißstoffwechsel unentbehrlich und zuständig für die Nachbildung von Haut- und Schleimhäuten. Ein Mangel an Zink zeigt sich mit Hautstörungen (Ekzeme, Haarausfall) und erhöhter Neigung zu Infekten.
Selen ist lebenswichtig für den Erhalt des normalen Muskelgewebes und ist eng verbunden mit Vitamin E als Stabilisator der Zellmembranen. Selenmangel kann zu Skelett- und Herzmuskelveränderungen führen. Symptome sind Steifheit der Lendenmuskulatur, unsauberer Gang und auch Lahm - heiten. Ein Mangel an Vitamin E kann zu Muskeldegeneration, Leberschäden und Be-wegungsstörungen führen.
Vitamin A ist für den Aufbau der Knochensubstanz wichtig und wirkt in den äußeren Zellschichten von Haut und Schleimhäuten. Ein Mangel lässt das Hufhorn brüchig werden.
Vitamin C steigert die Abwehrkräfte, bei einem Mangel kommt es zu einer erhöhten Infektanfälligkeit.
Mangan ist bedeutend für die Knochenbildung und Bestandteil vieler Enzyme.
Kalzium ist wichtig für den Knochenaufbau, die Zähne, die Muskelkontraktion, die Blutgerinnung und die Nervenreizleitung. Ein Mangel führt zu brüchigen Knochen und Stoffwechselstörungen. Eine Überversorgung (mehr als das Dreifache des Bedarfs) kann jedoch insbesondere bei älteren Pferden die Bildung von Harnsteinen begünstigen.
Magnesium ist ebenfalls für den Knochenaufbau und die Zähne wichtig sowie für die Reizleitung von Nerven und Muskulatur. Ein Mangel kann sich durch Muskelkrämpfe, Nervosität und Appetitlosigkeit zeigen.
Zwischen vielen Mineralien und Vitaminen bestehen Wechselwirkungen, sodass Überund Unterversorgungen in einem einzigen Bereich durchaus weitreichende Auswirkungen auf den gesamten Stoffwechsel haben können.
Rezept für „rüstige Rentner“
Tagesration (mindestens zwei Mahlzeiten) für ein Warmblutpferd (500 kg) im optimalen Ernährungszustand, 25 Jahre alt, das täglich circa eine Stunde geritten wird (davon 35 Minuten Schritt, 10 Minuten leichter Trab, 10 Minuten mittlerer Trab, 5 Minuten Galopp)
Heu, früher Schnitt: 8 kg
Quetschhafer: 1 kg
Maisflocken: 1 kg
Möhren, Äpfel: 1 kg
Pflanzenöl: 50 ml
Mineralfutter: 100 g
Bei der Fütterung von Müsli oder Pellets wird die Mineralfuttergabe reduziert.
Spezielle Rationsberechnungsprogramme helfen, die passende Futtermenge und -zusam - menstellung unter Berücksichtigung von Alter, körperlicher Beanspruchung und anderer Faktoren auszurechnen. Außerdem haben sich einige Tierärzte und Fachleute auf die Berechnung und Bewertung von Rationen spezialisiert. Informationen hierzu findet man zum Beispiel unter www.pferdeteam.de. Die Kosten für eine derartige Analyse hat man oft schnell wieder eingespart, wenn sich herausstellt, dass man bisher unnötig viel und unter Umständen für das alte Pferd gar nicht verwertbares Futter gefüttert hat.
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