Einleitung
Denn sterben müssen alle Leut!
Denkt man an habsburgische Begräbnisstätten, fällt den meisten spontan die Kapuzinergruft in Wien ein, eventuell noch der Stephansdom. Tiroler werden wohl die Innsbrucker Hofkirche erwähnen, die durch das Kenotaph Maximilians überregionale Bekanntheit erlangt hat, sowie den Dom St. Jakob und natürlich Stift Stams. Doch die Habsburger haben im Tod weit mehr Spuren in Österreich hinterlassen, als im allgemeinen Bewusstsein vorhanden ist. In diesem Buch widmen wir uns den 29 wichtigsten Orten, an denen Habsburger begraben sind. Es gibt weit mehr Orte, vor allem private Begräbnisstätten, die jene Habsburger bergen, welche nach 1918, also nach dem Ende der Monarchie, gestorben sind. Um deren privaten Charakter zu wahren, haben wir auf ihre Erwähnung verzichtet.
In sechs Bundesländern befinden sich habsburgische Gräber, mit großen und wichtigen Persönlichkeiten der Dynastie, mit bekannten und ebenso unbekannteren Personen, die kaum mehr im allgemeinen Gedächtnis vorhanden sind. So sind etwa die frühen Habsburger, die ersten vier Generationen nach König Rudolf I., kreuz und quer durch Österreich bestattet, nahezu alle in eigenen Klostergründungen und Klosterstiftungen. Rudolf selbst gründete das erste habsburgische Kloster und damit die erste habsburgische Grablege auf österreichischem Boden (das Dominikanerinnenkloster in Tulln), seine Kinder und Enkel setzten dies fort. Mit der Generation seiner Söhne Albrecht und Rudolf sowie ihrer Geschwister haben sich die Habsburger in Österreich etabliert. Sie haben sich heimisch gefühlt. Dort, wo man seine Toten begräbt, dort will man bleiben.
Klöster waren schon immer bevorzugte Begräbnisorte. Einhergehend mit der Stiftung war der Auftrag an die Konvente, für das Seelenheil der dort Begrabenen zu beten. Teilweise geschieht dies heute noch, wie beispielsweise in Gaming oder in Heiligenkreuz. Die Klöster, besonders gefördert und beschenkt von den habsburgischen (Erz-) Herzogen, wurden zu wichtigen ökonomischen, politischen und kulturellen Zentren des Landes. Insofern bauten die Habsburger die Kulturlandschaft Österreichs mit auf. Nicht immer waren es eigene Gründungen, in denen Habsburger sich begraben ließen, manches Mal knüpfte man aus politischen Überlegungen an alte Traditionen und Kontinuitäten an. Etwa in Heiligenkreuz, das schon knapp eineinhalb Jahrhunderte bestand, bevor die Habsburger ins Land kamen. In der babenbergischen Stiftung war babenbergische Prominenz begraben worden.
Wenn wir die frühen Begräbnisstätten schildern, versuchen wir immer, uns auch dem Leben der dort Begrabenen, die kaum mehr bekannt sind, anzunähern. Viele haben Wichtiges zur Geschichte Österreichs beigetragen, manche spielten nur eine Nebenrolle. Insofern soll dieses Buch eine kleine Wiederentdeckung der Geschichte Österreichs sein. Es waren doch alles individuelle Menschen mit ihren Träumen, Wünschen und politischen Vorstellungen, denen einiges gelang, die aber genauso oft scheiterten.
Tragische und traurige Schicksale gab es darunter, mitunter mehr bei den weiblichen als bei den männlichen Mitgliedern der Dynastie. Haupttodesursache bei Frauen waren bis weit in das 19. Jahrhundert hinein Schwangerschaft und Geburt. So manche Frau starb im Kindbett, die Säuglingssterblichkeit war hoch – davon zeugen die vielen sterblichen Überreste von Babys und Kleinkindern. Nach persönlichem Glück fragte niemand, das war damals keine so wesentliche Kategorie wie heute.
Habsburger waren nicht nur im Leben reisefreudig, sondern genauso im Tod. Davon erzählen die Berichte über die vielen Überführungen und Verlegungen von sterblichen Überresten. Die wohl abenteuerlichste Geschichte ist jene der Stammmutter des Hauses, Gertrud von Hohenberg (1225–1281), deren Leichnam vier Mal den Ort wechselte, bevor er endgültig in St. Paul im Lavanttal ankam. Aber auch dort wurden die Knochen einige Male umgebettet.
In der heutigen Zeit, in der Krankheit und Tod aus der Gesellschaft gedrängt werden, mutet die Auseinandersetzung mit dem Tod, wie sie in den vergangenen Jahrhunderten gegeben war, seltsam an. Doch Leben und Tod lagen in jener Zeit eng beieinander. Man lebte permanent mit dem Tod und war sich der eigenen Sterblichkeit bewusst. Viele Habsburger haben noch zu ihren Lebzeiten ihre genauen Vorstellungen davon, wie sie einmal begraben werden wollten, niedergeschrieben. Das Leben ist flüchtig, der Tod allgegenwärtig. Gut daran tut, wer sich frühzeitig damit befasst. Dies ist vielleicht etwas, was wir von diesen Generationen lernen können. Der wortgewaltige Hofprediger von Kaiser Leopold I., Abraham a Sancta Clara (1644–1709), prägte die Worte:
Mit schönen Titeln und Nomine
Thut euch vorm Todt nicht retten.
Denn sterben müssen alle Leuth,
das ist ein alte Metten.
Das war mitten im Barock. Und im Barock entstand die berühmteste und beeindruckendste habsburgische Grablege in Österreich: die Kapuzinergruft. Einst für ein kleines Begräbnis von Kaiserin Anna für sich selbst und ihren Mann, Kaiser Matthias, geplant, wurde sie im Lauf der Jahrhunderte immer weiter ausgebaut. Sie birgt heute 148 Personen, davon zwölf Kaiser, 17 Kaiserinnen und zwei Herzurnen von Kaiserinnen. 400 Jahre österreichische und europäische Geschichte sind in der Gruft präsent und 400 Jahre kaiserliche Bestattungskultur.
Der Tod wurde zelebriert, gehörte er doch für die katholischen Habsburger zum Leben dazu. »Das Einzige, was wir im Leben mit Gewissheit wissen, ist, dass wir einmal sterben müssen«, sagte Otto von Habsburg. Er selbst wollte nicht unbedingt in die Kapuzinergruft. Sie sei ihm zu wenig ein Ort des Gebets. Angesichts der vielen Touristen kann man diesen Gedanken nachvollziehen. Die Gratwanderung zwischen einem Museum, einem einmaligen europäischen Kulturerbe und einem Friedhof ist nicht immer leicht.
Betritt man die Gruft, so öffnet sich der lange Mittelgang, exakt unter der Kapuzinerkirche gelegen, und gibt die Perspektive frei bis zum großen Doppelsarkophag Maria Theresias und Franz Stephans, dem Höhepunkt des barocken herrscherlichen Begräbnisses. Schritt für Schritt werden die Särge prunkvoller und schöner, selbst die Kindersärge. Der französische Schriftsteller Honoré de Balzac schrieb über den Barock: »… nach Art dieses Jahrhunderts, wo nichts gemacht werden konnte, ohne schön zu sein …«1. Sogar der Tod, die eigene Vergänglichkeit, wurde noch in Schönheit eingekleidet und zelebriert. Dabei spielte das herrscherliche Selbstverständnis eine Rolle: Die »repraesentatio maiestatis«, die Repräsentation der Majestät, ging über das Leben hinaus. Die herausragende Rolle des Hauses Habsburg, von Gottes Gnaden auserwählt und bestimmt, die Geschicke Österreichs und seiner vielen Völker zu lenken, spiegelt sich selbst im Tod.
Das Zeitalter des Barocks ist gerade erst einmal 250 Jahre her, aber was damals selbst für nichtadelige Menschen normal und selbstverständlich war, damit können wir heute nichts mehr anfangen. Die Zeit der Aufklärung und der Revolutionen hat zu große geistige Zäsuren hinterlassen. Am sichtbarsten wird dies in der Kapuzinergruft am Kontrast zwischen dem barocken Sarg Maria Theresias und dem einfachen Kupfersarg von Kaiser Joseph II., ihrem Sohn, der keine Verzierung aufweist. Als »kaiserlicher Revolutionär« noch charmant bezeichnet, schüttete er mit seiner Reformwut manches Kind mit dem Bade aus. Die Wiener mit ihrer Liebe zur »schönen Leich« stieß er mit scharfen Restriktionen vor den Kopf. Bekanntestes Beispiel ist der von ihm eingeführte Sparsarg, der mit einer Klappenvorrichtung am Boden eine mehrfache Benutzung erlaubte. Aber Joseph scheiterte mit seinen Begräbnisreformen und musste sie schließlich zurücknehmen: »Da die Menschen in diesem Lande eine so große Sorgfalt für ihre Leiber auch nach ihrem Tod äußerten, ohne zu bedenken, dass sie alsdann nichts weiter als stinkende Kadaver wären, so ist mir weiter nichts daran gelegen, auf welche Art sie künftig begraben sein wollen.«2
Weitaus verheerender war seine Klosterreform. Sein intoleranter Rationalismus zeigte kein Verständnis für ein rein kontemplatives und betendes Leben. Über 900 Klöster ließ er auflösen, darunter solche, in denen Habsburger begraben lagen. In manchen Fällen wurde nicht einmal Sorge dafür getragen, die sterblichen Überreste der Habsburger ordnungsgemäß an einem anderen Ort zu bestatten.
Anders seine Mutter und sein Großvater. Kaiser Karl VI. und Kaiserin Maria Theresia verdanken wir die großzügige Förderung des Werkes von Pater Marquard Herrgott, einem Benediktinermönch aus St. Blasien, der als Diplomat am Wiener Hof akkreditiert war. Er schuf die mehrbändige »Monumenta Augustae Domus Austriacae«, deren vierter Teil, die »Taphographia Principum Austriae«, eine ausführliche Darstellung der...