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E-Book

Wie die Dinge sind

Eine zeitgemäße Einführung in die Lehre Buddhas

AutorLama Ole Nydahl
VerlagVerlagsgruppe Droemer Knaur
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783426415023
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Der bekannte Buddhist Lama Ole Nydahl antwortet in seinem Buch 'Wie die Dinge sind' auf u.a. folgende Fragen: - Was ist Buddhismus? - Welche Wege lehrte Buddha, um festgefahrene Vorstellungen zu durchbrechen?Lama Ole Nydahl ist einer der bekanntesten Buddhisten des Westens und wurde 1972 vom Karmapa, dem Oberhaupt der tibetischen Karma-Kagyü-Schule, als buddhistischer Lehrer nach Europa geschickt. Nur wenige Jahre später wurde er zum Lama ernannt. Seitdem bereist er die Welt, um Vorträge zu halten, Meditationskurse zu leiten und Zentren zu gründen - mittlerweile über 600 in Europa, Amerika und Australien; davon über 150 allein im deutschsprachigen Raum.

Lama Ole Nydahl ist einer der bekanntesten Buddhisten des Westens und wurde 1972 vom Karmapa, dem Oberhaupt der tibetischen Karma-Kagyü-Schule, als buddhistischer Lehrer nach Europa geschickt. Nur wenige Jahre später wurde er zum Lama ernannt. Seitdem bereist er die Welt, um Vorträge zu halten, Meditationskurse zu leiten und Zentren zu gründen - mittlerweile über 600 in Europa, Amerika und Australien; davon über 150 allein im deutschsprachigen Raum.

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Leseprobe

Buddhas Lebensgeschichte


Geburt und Jugend am Hof

Ein Blick auf Buddhas Leben bringt uns seine Lehre näher. Er wurde vor etwa 2560 Jahren in eine königliche Familie hineingeboren, und obwohl die meisten Darstellungen von ihm asiatisch geprägt sind, sah er wohl eher europäisch aus. Seine Sippe war wenige Jahrhunderte zuvor während der großen Völkerwanderungen aus der heutigen Ukraine nach Nordindien gezogen. Er gehörte der Kriegerkaste an, und die Texte beschreiben ihn als groß, stark und blauäugig.[1] Das Land seiner Eltern lag am Südrand des heutigen Nepal, um die Stadt Kapilavastu herum. Die Gegend war zu jener Zeit erstaunlich wohlhabend und nicht übervölkert. Ausgrabungen zeigen, dass sie sowohl verbrauchtes Wasser unterirdisch ableiteten als auch ein Heizungssystem hatten. Heutzutage ist das in Nepal meistens nicht der Fall.

Buddha selbst war keine »Jungfrauengeburt«, sondern die letzte Gelegenheit für seine Eltern, noch ein Kind und somit einen Thronfolger zu bekommen. Ansonsten wäre ihr Königreich bald verschwunden.

Ein starker Traum der Mutter kündigte die Schwangerschaft an. Groß war die Freude der Eltern, als sie einen überaus kräftigen und schönen Jungen – übrigens stehend – gebar. Allmählich kamen ihnen jedoch Bedenken, denn um den Sohn herum geschah viel Unerklärliches. Bei seinen ersten Schritten zum Beispiel erschienen Blumen auf der Erde, die er berührt hatte. Das passte viel eher zu einem Dichter, Träumer oder Philosophen als zu dem erwünschten jungen Krieger und General, der das Reich zusammenhalten sollte. Daher luden sie drei weise Männer ein; sie sollten die Zukunft ihres Sohnes, dem sie den Namen Siddhartha Gautama gegeben hatten, voraussagen. Die Einschätzung aller war gleich: »Der Junge ist sehr besonders. Wenn er nicht mit den Leiden der Welt in Berührung kommt, wird er all das verwirklichen, was ihr euch wünscht. Als Krieger und Held wird er alle Nachbarkönige überwinden, und ihr werdet stolz auf ihn sein. Erkennt er aber, dass die Welt an sich bedingt ist und daher kein dauerhaftes Glück bringen kann, wird er alles verlassen. Er wird eine neue, erleuchtende Sichtweise entwickeln und diese in die Welt bringen.«

Da sie einen Herrscher und keinen Künstler oder Aussteiger wünschten, handelten die Eltern schnell. Sie umgaben den heranwachsenden Prinzen mit allem, was ein gesunder, junger Mann mag: 500 auserlesene Frauen, Möglichkeiten für Sport, Kampfkunst und Spannung und die besten Bedingungen für eine geistige Ausbildung. Schnell beherrschte er alles, und was er auch wünschte, er brauchte nur darauf zu zeigen und erhielt es. Weil sein Speicherbewusstsein nichts Störendes aus früheren Leben enthielt, gab es auch keine unangenehmen Eindrücke, die von innen heranreifen konnten. Und so erlebte er 29 Jahre lang nur wechselnde Ebenen der Freude. Doch dann stand seine Welt plötzlich kopf.

Enttäuschung und Sinnsuche

Jahrelang hielt man alles Störende von dem jungen Prinzen Siddhartha Gautama fern, bis er mit 29 Jahren zum ersten Mal das Schloss verließ. Deshalb begegnete er den Unannehmlichkeiten des Lebens erst sehr spät, dann jedoch in ihrem vollen Umfang. An drei aufeinander folgenden Tagen sah er erst einen schmerzerfüllten, leidenden Kranken, dann einen völlig gebrechlichen Alten und schließlich einen Toten. Die Einsicht, dass diese Leiden zum Leben der Wesen dazugehören, ließ ihm keine Ruhe. Als er wieder in sein Schloss zurückgekehrt war, erwartete ihn eine schlechte Nacht: Wie er es auch betrachtete, er konnte nichts finden, was er seinen Nächsten als Zuflucht anbieten konnte. Er sah nichts, worauf wirklich Verlass war. Ruhm, Sippe, Freunde und Besitz – alles würde vergehen. Außen wie innen gab es nur Vergängliches. Nichts war wirklich und dauerhaft vorhanden.

Am nächsten Morgen kam der Prinz an einem Mann vorbei, der in tiefer Versenkung dasaß. Als ihre Augen sich begegneten, traf es den zukünftigen Buddha wie ein Schlag. Er wusste plötzlich, dass er dem auf der Spur war, wonach er suchte. Dieser Mann widerspiegelte ihm etwas Zeitloses. Durch ihn kam er dem leuchtenden Spiegel hinter den Bildern, dem Meer unterhalb der Wellen näher. Es musste einen Erleber geben, der die Dinge wahrnimmt. Nur der Geist konnte fähig sein, die Gedanken und Gefühle sowie die Umstände und Welten zu umfassen. Der künftige Buddha verstand plötzlich, dass es etwas zwischen und hinter den Vorstellungen und Eindrücken geben musste.

Er hatte jetzt eine Fährte und ahnte, dass man nur auf den Erleber vertrauen konnte, aber nicht auf dessen Erlebnisse; auf das Stete, nicht auf das Veränderliche, was erfahren wird, auf den Spiegel und nicht auf die Bilder darin. Der Anblick des Meditierenden ließ Buddha verstehen, dass der wahrnehmende Geist unzerstörbar ist, alles ermöglicht und weiß, dass seine strahlende Klarheit frei spielend alles geschehen lässt und dass die unbegrenzte Liebe alles zusammenhält. Das war es also! Augenblicklich begriff der Prinz, dass die nichtbedingte Wahrheit, die er gesucht hatte, nichts anderes als der eigene Geist selbst war. Doch das reine Wissen über den Erleber reichte natürlich nicht. Buddha kannte jetzt das Ziel, nun musste er noch den Weg dahin finden.

Zu seiner Zeit gab es keine geistige »Überholspur«, die alle Umstände des Lebens – Lieben, Schlafen, Lernen, Fahren und so weiter – in den Weg einbettet. Diese wirksamsten Mittel konnte Buddha erst nach seiner Erleuchtung der Welt schenken. Diese Belehrungen, die heute alle Lebenslagen als Spiegel für den Geist nutzen, heißen das »Große Siegel« oder im Sanskrit Mahamudra und sind das Herzstück des Diamantweges. Da es also nicht so wie heute möglich war, ein spannendes Leben weiterzuführen und gleichzeitig den Tiger der unmittelbaren Erfahrung bis zur Erkenntnis zu reiten, hatte der Prinz keine Wahl. Er musste den viel langsameren Weg der Entsagung gehen. Es war jetzt sinnvoll, die Menge der Eindrücke zu begrenzen, die seinen Geist erreichten: Jäh beendete er sein reiches gesellschaftliches Leben und floh nachts aus dem Palast in die Wälder und Hügel Nordindiens. Jetzt hatte er das große Ziel, das zeitlose Wesen des Geistes zu verwirklichen.

 

Da der künftige Buddha zum Besten aller das vollständige Erkennen des Geistes so brennend wünschte, war er sich für keine Übung zu fein und lernte ohne Stolz überall. Die folgenden sechs Jahre waren hart, gaben ihm aber Reife. Zum Beispiel geriet er einmal in die übersteigerte Sichtweise, dass der Körper schlecht sei. Also fastete er so lange, bis er beinahe nur noch ein Gerippe war. Das Abschwächen der Sinneseindrücke sollte die Klarheit seines Geistes verstärken. Stattdessen entdeckte er aber, dass er aus einer schwachen Lage heraus weder anderen noch sich selbst nützlich sein konnte. Also begann er wieder zu essen, und sein Körper fand schnell seine ursprüngliche Kraft wieder.

Bereits zu dieser Zeit, wie auch während der fast zeitgleichen geistigen Blüte in Griechenland, waren schon alle heute bekannten Denkrichtungen in Nordindien vorhanden. Siddhartha lernte nicht nur bei den bedeutendsten Lehrern, er wurde auch schnell besser als sie. Doch die vorhandenen zweiheitlichen (dualistischen) Erklärungen brachten ihn nicht ans Ziel. In allen Kulturkreisen stellen sich sogar die begabtesten Lehrer unzählige nicht beweisbare Ursachen für die Welt und deren Geschehnisse vor. Doch nur Buddha, so wie sein Zeitgenosse Heraklit in Europa, tastete sich an die einzig überzeugende Sichtweise heran, dass der Raum an sich freudvoll spielt und dass ihm alle Möglichkeiten innewohnen. Wenn deutlich wurde, dass die Lehrer nichts vom zeitlosen Wesen des Erlebers wussten und auf nichts Beständiges und Vertrauenswürdiges zeigen konnten, dankte er ihnen und ging weiter zum nächsten berühmten Einsiedler im Wald.

Die Bedingungen in Nordindien vor 2600 Jahren

Das damalige Indien war von einer ungewöhnlichen geistigen Offenheit geprägt, ähnlich dem alten Griechenland, der Renaissance Italiens und den 60er-Jahren bei uns im Westen. Obwohl bei dieser letzten großen Welle der Sinnsuche viele der besten Leute den Drogen zum Opfer fielen, war der breite Sturmlauf gegen Behörden, Verbote und Materialismus von größter Bedeutung und wirkt noch heute in der gesellschaftlichen Entwicklung nach. Die Stimmung in den 60er-Jahren war offen, und viele strebten, obwohl oft wenig weitsichtig, nach dem Glück für alle Wesen. Man hatte hohe Ziele, vertraute dem grundlegend Guten im Menschen und war selten materialistisch oder snobistisch.

Im Vergleich zur heutigen Zeit der modernen Verhütungsmittel war Buddhas Umfeld bestimmt prüder, aber was die Tiefe und Klarheit der Lebensanschauungen betrifft, waren viele Zuhörer bewusster und weit weniger zerstreut. Die gängigen Sichtweisen des Materialismus und Nihilismus waren ebenso verbreitet wie alle heute bekannten Anschauungen, die die Geschehnisse in der Welt durch äußere Ursachen wie Götter erklären wollen. Vor allem jedoch erwarteten die Inder, dass ihre geistige Einstellung ihr tägliches Leben vorteilhaft beeinflussen sollte.

Die Vorstellung, dass eine Weltanschauung das Leben bis ins Kleinste durchdringen könnte, liegt der westlichen Kulturgeschichte seit der Unterdrückung durch die Inquisition und die kaum beschreibbaren Leiden dieser Zeit fern. Stattdessen entstanden geistige Disziplinen wie Logik und Ethik, die mehr intellektuell befriedigten, als dass sie den Alltag der Menschen verbesserten. Dieser Ansatz gipfelte in der Trennung von Körper und Geist durch Descartes, der bis heute weite Teile der westlichen Kultur beeinflusst. Die ständige...

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