Marcus Eckstein und Sandra Baier
Studie: Was wissen die Meinungsführer?
Die Validierung des Konstrukts Meinungsfu?hrerschaft im Hinblick auf die Variable Wissen (Trepte und Boecking, 2009)
Inhalt:
Die ursprüngliche Definition der Meinungsführerschaft beinhaltet die Annahme, dass sich Meinungsführer durch Expertenwissen bzw. durch einen Wissensvorsprung gegenüber Nicht-Meinungsführern auszeichnen. Das Forscherteam Trepte und Boecking untersuchte, ob die Variable Wissen zur Validierung des Konstrukts der Meinungsführerschaft geeignet ist.
Durchführung:
Unter anderem wurde in einem Laborversuch der für unsere weitere Forschungsarbeit interessante Zusammenhang zwischen Wissen und Meinungsfu?hrerschaft untersucht. Die Stichprobe bestand aus 215 Studierenden, im Alter von 18 bis 39 Jahren. Mit Hilfe eines Fragebogens wurde der Grad an Meinungsfu?hrerschaft anhand der Childers Skala ermittelt und das Wissen zu einem bestimmten Themenbereich gemessen. Es handelte sich dabei um den Themenkomplex der Bundes- und Europapolitik.
Ergebnisse:
Die Gruppenmitglieder mit der geringsten Ausprägung der Variable Meinungsfu?hrerschaft unterschieden sich hinsichtlich ihres Wissens nicht signifikant von den Gruppenmitgliedern mit der höchsten Ausprägung der Variable Meinungsfu?hrerschaft. „Das Konstrukt der Meinungsfu?hrerschaft ist also hinsichtlich der inhaltlichen Bedeutung des Wissens zu hinterfragen.“ (Trepte, S./Boecking, B. 2009: 444). „Kommunikative Kompetenz“ (Trepte, S./Boecking, B. 2009: 443) und „selbstbewusstes Auftreten“ (Trepte, S./Boecking, B. 2009: 448) scheinen geeignetere Variablen zur Validierung des Konstrukts der Meinungsfu?hrerschaft zu sein. Während des Versuchs bildeten sich verschiedene Gruppen heraus. Zum einem die „stillen Experten“ (Trepte, S./Boecking, B. 2009: 448). Sie erreichen im politischen Bereich des Allgemeinwissens höhere Werte, obwohl sie sich nicht selbst als Meinungsführer bezeichnen. Sie führen weder an, ungefragt Rat zu erteilen, noch nach ihrem Rat gefragt zu werden. Obwohl sie mehr wissen als Meinungsführer, halten sie es nicht für erforderlich, ihr Wissen weiter zu geben (vgl. Trepte, S./Boecking, B. 2009: 448). Des Weiteren kristallisiert sich auch eine Gruppe heraus, die weder einen hohen politischen Wissensstand hat noch sich als Meinungsführer bezeichnet.
Fazit:
Wissen darf nicht als Voraussetzung für Meinungsführerschaft gelten, sondern muss differenziert erfasst werden (vgl. Trepte, S./Boecking, B. 2009: 442). Auch Personen, die sich selbst nicht als Meinungsführer sehen, kennen sich in dem Bereich der Bundes- und Europapolitik ebenso gut aus wie Personen, die sich als Meinungsführer bezeichnen. „Theoretisch werden das Wissen, also die inhaltliche Qualifikation der Meinungsführer, ebenso wie deren kommunikative Kompetenzen als Teil des Konstrukts definiert.“ (Trepte, S./Boecking, B. 2009: 443).
Da wir die in der Studie angesprochene kommunikative Kompetenz als Persönlichkeitseigenschaft betrachten, ergibt sich unsere erste Hypothese:
I. Je stärker
a) die Extraversion,
b) die soziale Verträglichkeit und
c) die Offenheit für neue Erfahrungen ausgeprägt sind,
desto höher ist ihr Grad an Meinungsführerschaft.
Studie: Personality Impressions Based on Facebook-Profiles
(Gosling, Gaddis, Vazire, 2007)
Inhalt:
Das Forscherteam um Samuel D. Gosling untersuchte, inwiefern die persönliche Selbsteinschätzung, die Beurteilung der Persönlichkeitseigenschaften einer Person aufgrund einer Face-to-Face Situation und die Beurteilung der Persönlichkeitseigenschaften einer fremden Person, auf Basis der Betrachtung eines Facebook-Profils, miteinander korrelieren.
Durchführung:
Die Versuchsteilnehmer wurden in Gruppen zu jeweils fünf Personen aufgeteilt, um im Anschluss mit Hilfe von Fragebögen die Persönlichkeitseigenschaften der Gruppenmitglieder anhand des Big Five Models zu ermitteln. Die Versuchspersonen beurteilten dabei sich selbst sowie die anderen vier Teilnehmer. Gemessen wurden die Big Five mit dem Ten Item Personality Inventory (TIPI). Weiterhin wurden die Probanden befragt, wie ihrer Meinung nach ein Fremder ihre Persönlichkeit auf Basis ihres Facebook-Profils einschätzt. Die gespeicherten Facebook-Profile wurden von neun unabhängigen Teilnehmern betrachtet und hinsichtlich der Persönlichkeit der Profilinhaber bewertet.
Ergebnisse:
Es fanden sich weitestgehend Übereinstimmungen zwischen dem Eindruck, der in einer Face-to-Face Situation entstand und den Bewertungen anhand des Betrachtens der Facebook-Profile, besonders in der Persönlichkeitsdimension Extraversion: „The data presented here suggest that the online social networking websites are, in fact, a relevant and valid means of communicating personality“ (Gosling et al. 2007).
Die in der Beispielstudie ermittelten Ergebnisse sind für unsere Forschungsarbeit dahingehend interessant, dass wir untersuchen, ob Meinungsführer sich auch online genauso verhalten wie offline und in beiden Situationen denselben Eindruck auf Mitmenschen und Social Network User hinterlassen. Daraufhin ergeben sich für uns folgende Hypothesen:
II. Je höher der Grad an Meinungsführerschaft ausgeprägt ist, desto initiativer (Statusupdatefrequenz) ist das Nutzungsverhalten auf Facebook.
Statusupdatefrequenz (SUF): steht für die Anzahl der Statusupdates, die ein Nutzer auf seiner eigenen Profilseite pro Woche veröffentlicht und zählt somit als initiatives Verhalten.
Initiativ: Fähigkeit einer Person aus eigenem Antrieb zu handeln. Im Bereich der Social Networks äußert sich dies durch Statusupdates.
III. Je höher der Grad an Meinungsführerschaft ausgeprägt ist, desto reaktiver ist das Nutzungsverhalten auf Facebook.
Reaktiv: Handlung, einer Person die aus einer vorhergehenden Handlung oder einem Reiz folgt. Im Bereich der Social Networks äußert sich dies durch comments, shares und likes.
IV. Je höher der Grad an Meinungsführerschaft ausgeprägt ist, desto mehr Feedback (comments, likes) erhält der Nutzer.
Studie: Dimension of Leadership and Social Influence in Online-Communities
(Huffaker, 2010)
Inhalt:
Als Online-Meinungsfu?hrer werden diejenigen definiert, die in der Lage sind, Rückkopplungen auszulösen, Konversationen innerhalb der Community anzuregen und unter Umständen die Art und Weise bestimmen, in der die Mitglieder der Gruppe über ein bestimmtes Thema denken und diskutieren. (vgl. Huffaker 2010: 594). Huffaker untersuchte, welche persönlichen Merkmale, Ausdrucksformen und Verhaltensweisen den Meinungsfu?hrer in Online Umgebungen ausmachen und definieren.
Durchführung:
Die Untersuchung wurde mit Hilfe quantitativer Auszählung und Beobachtung der Nachrichten aus 16 Google Groups durchgeführt. Insgesamt bestand die Stichprobe aus 33.540 Mitgliedern, welche 632.622 Nachrichten über einen Zeitraum von 20 Monaten teilten. (vgl. Huffaker 2010: 596). Für die Auswertung wurde die automatisierte Textanalyse, die soziale Netzwerkanalyse und die hierarchische lineare Modellierung genutzt, um die Sprache und das Sozialverhalten von Online?Führern zu analysieren (vgl. Huffaker 2010: 596). Untersucht wurden unzählige Indikatoren, u.a. die Anzahl der Posts, welche ein einzelnes Mitglied der Community teilte, wie viele Rückmeldungen erfolgten, die verbrachte Zeit in der Community usw.
Ergebnisse:
Die Auswertung der Daten ergab, dass Meinungsfu?hrer mehr Nachrichten teilen, öfter auf die Nachrichten anderer Mitglieder antworten und sich in den meisten Fällen durch eine längere zeitliche Aktivität innerhalb der Community auszeichnen. Je höher die Anzahl der Personen ist, denen ein Meinungsfu?hrer während einer Konversation antwortet, desto höher ist die Anzahl der Rückkopplungen, die generiert werden. Reziprozität der Unterhaltungen und die Fähigkeit, Diskussionen anzuregen, korrelieren positiv mit dem Konstrukt der Meinungsführerschaft. Weiterhin konnten eine hohe sprachliche Diversität und hohe Glaubwürdigkeit als positive Indikatoren extrahiert werden.
Diese Studienergebnisse bestätigen uns in der Aufstellung der Hypothesen II und III. Weiterhin leiten wir aus dieser Studie unsere fünfte und letzte Hypothese ab:
V. Je ausgeprägter der Grad an Persönlichkeitsstärke, desto höher ist die Summe aus initiativem Verhalten und dem Feedback von anderen im Netzwerk.
Studie: Meinungsführer in Online Social Networks
(I-Cod Institut, Unger/Kolo, 2009)
Inhalt:
Die Studie beschreibt die Entwicklung von Web 2.0-Communities und zeigt auf, wie und warum Meinungsführer Online Social Networks benutzen. Da Meinungsführer nicht nur im realen Leben, sondern auch online eine hohe Aktivität aufweisen, stehen ihre Nutzungsmotive und Nutzungsformen in sozialen Online Netzwerken im Fokus der Studie.
Durchführung:
Als Methode zur Datenerhebung wählte das Forscherteam eine Online-Befragung, die sie per Email und anderen Nachrichtensystemen sozialer Netzwerke durchführten. Sie erstreckte sich über den Zeitraum eines Monats und umfasste eine Stichprobengröße von 525...