Einleitung
▶ Interviewer: »Sie haben ja drei Jungen gut durch die Schule gebracht.«
Mutter: »Ich hab sie durch die Schule gebracht.« (Lacht.)
Interviewer: »Das ›gut‹ sollen wir streichen?«
Mutter: »Ja.« (Lacht.)
Mutter von drei Söhnen; der jüngste ist im Abitur
Jungen und Schule – das ist in jeder Familie ein zentrales Thema, im Guten wie im Schwierigen. Viele Eltern beschäftigt die Frage: »Ist es überhaupt möglich, dass Jungen die Schule schaffen?« An vielen Stellen klemmt es, Probleme gibt es zuhauf. Sind Jungen also in der Schule zum Scheitern verurteilt? Nein!
Neben der Familie und den gleichaltrigen Freunden ist die Schule die wichtigste Lebenswelt im Jungenleben. Gerade deswegen kommt es immer wieder zu Konflikten. Schulthemen wie Hausaufgaben oder Leistungstests dominieren oft das Familienleben: Mütter und Väter erinnern an schulische Aufgaben, lernen mit ihren Söhnen für Klausuren, fragen Vokabeln ab, versuchen zu motivieren, helfen Referate vorzubereiten und büffeln Chemieformeln; sie investieren Zeit, Nerven und Geld. Neben den Jungen selbst und den Lehrkräften sind Eltern die Hauptbetroffenen, wenn der Stresspegel steigt. In vielen Familien spielen sich über lange Zeit regelrechte Dramen ab, weil es nur noch um die Schule geht.
Das muss aber nicht sein. Es gibt auch Eltern von Jungen, die Schulgeschichten ohne Katastrophenbeigeschmack erzählen: Sie schildern mit Freude, wie ihr Sohn Schwierigkeiten bewältigen musste und daran gewachsen ist. Die Schulzeit wird von ihnen als Entwicklungsabschnitt erlebt, in der alle Beteiligten dazulernen. Manche bedauern es sogar, wenn die Schulzeit zu Ende geht. Sicher gibt es Probleme und kritische Momente, aber diese sind kein Grund, von vornherein ängstlich zu sein: In der Regel bewältigen Jungen die Schule, weshalb bei allen Schwierigkeiten eine gute Portion Zuversicht angemessen ist.
Wie stark Eltern die Probleme von Jungen in der Schule umtreiben, habe ich in den letzten Jahren in vielen Gesprächen, Beratungen und in zahllosen Fragen nach Vorträgen erfahren. Eltern tragen es oder leiden mit, wenn es schwierig wird, viele fühlen sich hilflos, wenn die Leistungen des Sohnes einbrechen. Ich kann dies gut nachfühlen – nicht zuletzt aus eigener Erfahrung als Vater eines Sohnes. Gleichzeitig sind sich viele Eltern ihrer Bedeutung für eine glückende Schulkarriere ihres Sohnes gar nicht bewusst.
Vermutlich haben Sie zu diesem Buch gegriffen, weil Sie als Eltern eines Sohnes mit Schwierigkeiten in der Schule konfrontiert sind – oder weil Sie genau dies vermeiden und ihn gut unterstützen wollen. Mit beiden Beweggründen sind Sie mit Sicherheit nicht allein!
Jungen durch die Schule zu bringen ist ein gemeinsamer Weg, eine Entwicklung aller Beteiligten, für die Eltern ebenso wie für die Söhne. Eine Haltung zur Schule zu entwickeln ist ein Prozess, der für beide Seiten die ganze Schulzeit hindurch andauert: Für Eltern geht es darum, die eigene Haltung zu verändern beziehungsweise so weiterzuentwickeln, dass sie zum Jungen und zu seiner jeweiligen Entwicklungsphase passt. Deshalb bedarf dieser Prozess eines stetigen Interesses, eines Informierens und Bewertens, eines konstruktiven Umgangs mit Schwierigkeiten und Gelingendem, eines ständiges Revidierens und Nachjustierens. Die Erfahrung zeigt, dass auf diese Weise die Begleitung des Jungen durch die Schulzeit gut gelingen kann, dass diese Begleitung sogar eine gewisse Leichtigkeit gewinnt.
Alles Problemjungen? Das muss nicht sein!
Seit zwanzig Jahren geistert durch Medien- und Bildungslandschaften das Bild des Problemjungen, vorgetragen im Tonfall tiefer Besorgnis oder hoher Empörung. Der Stempel des Bildungsverlierers wird Jungen aufgedrückt, sobald es Schwierigkeiten gibt. Viele Eltern machen sich deshalb Sorgen um die Zukunft ihrer Söhne. Das ist verständlich, schlägt aber auf die Stimmung und drückt die Zuversicht, was wiederum auf die Jungen zurückwirkt. Irgendwann sitzen alle ohne Perspektive im Jammertal.
Wahrscheinlich waren Eltern in dieser Hinsicht noch nie so besorgt wie heute. Doch Verunsicherung tut Jungen nicht gut, sie brauchen zuversichtliche Eltern, die sie ermutigen. Die Frage lautet deshalb nicht ob, sondern wie Jungen gut durch die Schulzeiten kommen können? Wie werden sie erfolgreich? Was brauchen sie dafür? Auf diese Fragen gibt es nicht die eine allgemeingültige Antwort. Aber es finden sich zahlreiche Hinweise, Wegzeichen und Erfahrungen des Gelingens. Sie zu kennen und umzusetzen hilft Ihnen, die Schulzeit mit Ihren Söhnen gelassen zu überstehen und die Zuversicht auszustrahlen, die Ihrem Jungen auch in schwierigen Lagen hilft.
Schule ist eine vielschichtige Angelegenheit, sie ist ein System unterschiedlicher Einflussgrößen und Wirkfaktoren. Deshalb lässt sich nicht ein einzelner Aspekt herausgreifen, um eine Lösung abzuleiten, die dann auch noch für alle Jungen stimmt und passt. Wenn Sie auf den einen effektvollen Veränderungsvorschlag, den einen Handlungstipp oder die eine fruchtbare Methode hoffen, mit der Jungen schnell zum Schulerfolg geführt werden können, muss ich Sie enttäuschen: Dass Jungen die Schule gut schaffen, ist keine einzelne große Veränderung. Es gibt nicht den einen Schalter, den Eltern einfach umlegen, und danach wird das Schulleben des Jungen entspannt und erfolgreich. Das wäre schön, aber so funktioniert es leider nicht. Stattdessen führen viele kleine Einflüsse zum Erfolg.
▶ »Also, ich war überhaupt nicht vorbereitet – Jungs und Schule! Das sehe ich jetzt als Thema, das man aktiv angehen muss.«
Mutter, zwei Söhne
Drei Hauptakteure bestimmen das System Schule: Schüler, Lehrkräfte und Eltern. Eigentlich wollen alle drei dasselbe: gut durch die Schule kommen. Insofern sitzen alle im selben Boot – ein treffendes Bild, aber mit offenen Fragen: Wer rudert? Wer steuert? Wer will mit wem in welche Richtung? Oder drehen sich alle gemeinsam im Kreis? Eltern und Lehrkräfte sind über die Kinder aufeinander angewiesen und aufgefordert, die Aufgabe Schule gemeinsam zu lösen. Deshalb ist eines der Ziele dieses Buches, Ihnen als Eltern zu helfen, im Kontakt mit der Schule fundiert mitreden und sich als Fachleute für Ihre Söhne behaupten zu können – um auf diese Weise den Dialog zwischen allen Seiten zu fördern.
Chance und Herausforderung, Möglichkeiten und Grenzen
Eltern sind entscheidend mit daran beteiligt, dass ihre Söhne gut durch die Schule kommen. Darin liegt eine Herausforderung und zugleich eine Chance: Sie können sich über Jahre hinweg bewähren und sich weiterentwickeln. Was für ein Geschenk, so lange Zeit gefordert und gefragt zu sein! Für viele Eltern ist das zwar phasenweise ziemlich anstrengend, aber der Einsatz zahlt sich in vielen kleinen und größeren Erfolgen und Ereignissen aus: Wie schön ist es, wenn der Junge vor Stolz strahlt, weil er sich gerade noch rechtzeitig reingehängt hat und doch noch versetzt wurde. Oder wenn das Referatthema, das anfangs als »ätzend langweilig« empfunden wurde, sich als »total spannend« entpuppt.
In jedem Fall setzen Eltern das Fundament, damit Jungen in der Schule lernen und sich allmählich ihr eigenes Bildungsgebäude aufbauen. Anders als im Familienleben, das Eltern ja ganz wesentlich gestalten, sind sie in der Schule Mitakteure, deren Rolle sich im Laufe der Jahre verändert. Je älter der Junge wird, desto mehr geht die Verantwortung an ihn über. Der Anteil der Eltern verändert sich dementsprechend. Und dennoch braucht der Sohn auch dann bisweilen noch einen Anstoß, einen Hinweis, ein Unterstützungsangebot oder einfach einen ermunternden Satz: »Das wirst du schon schaffen, bisher hast du es ja auch immer gemeistert.«
Was ist es nun konkret, das Jungen speziell von ihren Eltern benötigen, um die Schule gut zu schaffen? Was müssen Eltern können und wissen, um Jungen gut durch die Schule zu bringen? Diese Fragen sind zwar nicht mit ein paar Tipps zu beantworten, aber auch keine unlösbare Aufgabe. Vielfältige, unterschiedliche, mitunter auch widersprüchliche Kompetenzen, Qualitäten und Stärken sind dabei gefragt. Eltern helfen Jungen, die persönlichen Grundlagen zu bilden, sie schaffen Rahmenbedingungen, sind Orientierungsgeber, Unterstützer und wichtige...