1
Bedeutung der Logistik
In diesem Kapitel
- Historische Entwicklung der Logistik
- Begriffliche Abgrenzung
- Bedeutung der Logistik im 21. Jahrhundert
- Entwicklungstendenzen in der Logistik
Warum ist Logistik in den letzten Jahren so wichtig geworden – und warum wird sie immer wichtiger? Wieso ist eine Welt ohne Logistik undenkbar? Und: Was konkret ist gemeint, wenn man über Logistik spricht?
Es ist wahr: Logistik ist für die Wirtschaft zu einem erheblichen Faktor geworden. Sie werden beim Begriff „Logistik“ einige Assoziationen haben: Möglicherweise fallen Ihnen dabei ein Containerhafen, ein Lagerhaus oder ein Lkw auf der Autobahn ein. Wobei – bei letzterem Bild denkt man wohl nicht nur an einen, sondern an viele Lkw …
In diesem Kapitel möchte ich klären, was Logistik ist. Ebenso sollen Sie erfassen, welche Rolle Logistik in unserer heutigen Welt spielt. Und: Wir werfen einen Blick darauf, welche Entwicklungstendenzen für die Logistik eine Rolle spielen und wie sich die Logistik verändern wird. Sie werden sehen: Logistik ist hochaktuell!
Aber: Obwohl der Logistikbegriff relativ neu ist, lohnt es sich, auch einen Blick in die Geschichtsbücher zu werfen. Bereits in grauer Vorzeit war Logistik ein erheblicher Wettbewerbsfaktor. Ich beginne daher dieses Kapitel mit einem kurzen Abriss der geschichtlichen Entwicklung der Logistik.
Historische Entwicklung der Logistik
Logistik hieß nicht immer Logistik. Und dennoch lassen sich die Anfänge der Logistik mehr als fünftausend Jahre zurückverfolgen. Jeden Meilenstein der historischen Entwicklung darzustellen, hieße allerdings, ein Buch zur Logistikgeschichte zu verfassen – das möchte ich nicht. Konzentrieren wir uns auf einige wesentliche Entwicklungssprünge der Logistik im Rahmen der Historie. Diese sind
- die Nutzung der Seidenstraße
- die Versorgung bei militärischen Auseinandersetzungen
- der Seehandel der Hanse
- die Entwicklung eines länderübergreifenden Postsystems
Die Seidenstraße: Ein früher Beitrag zur Globalisierung
Beginnen wir mit der Seidenstraße: Sie verband ab ca. 400 vor Christus den Osten Chinas mit Europa – und ist damit ein sehr früher Vorläufer der 2013 etablierten Eisenbahnverbindung zwischen China und Deutschland. Die Seidenstraße diente vornehmlich dem Transport und damit dem Austausch von Handelsgütern wie Seide, Gewürzen, Gold, Elfenbein, Edelsteinen, Glas, Pelzen, Keramik, Jade, Bronze, Lacken und Eisen. Gleichzeitig unterstützte die Seidenstraße diplomatische Beziehungen zwischen Ländern und Völkern und ermöglichte einen Know‐how‐Transfer, zum Beispiel für die Erzeugung von Papier und Schwarzpulver. Die Seidenstraße bereitete den Weg in eine globalisierte Welt. Neben den positiven Aspekten der Internationalisierung waren allerdings auch negative Auswirkungen zu konstatieren: So verbreiteten sich ungewollt Krankheiten über lange Distanzen.
Welche logistischen Aspekte kennzeichneten die Seidenstraße? Zunächst ist die erhebliche Entfernung festzuhalten, über die Waren gehandelt wurden. Die Seidenstraße verknüpfte Orte über eine Distanz von insgesamt rund 8.000 Kilometern. Etwa alle 30 bis 40 Kilometer – und damit im Abstand einer Tagesreise – fanden sich Karawansereien als Zwischenstationen.
Neben der Verbreitung von Krankheiten gab es weitere Herausforderungen. Die Seidenstraße war ein unsicheres Terrain: Räuber und Piraten versuchten, an die wertvollen Waren zu gelangen. Schutz boten Begleitsoldaten oder die oben angesprochenen Karawansereien. Damit wird deutlich: Sicherheitsprobleme in Transportketten durch Räuber und Piraten sind nicht nur ein aktuelles Problem; sie gab es bereits vor Hunderten von Jahren.
Wetter und Gelände stellten hohe Anforderungen an Händler, Reisende und Transportmittel. Pässe auf bis zu 5.000 Metern über dem Meeresspiegel waren zu überwinden. Und die Temperaturen konnten – je nach Gegend – zwischen –20 Grad und +40 Grad betragen. Wesentlich für den Erfolg der Logistik waren daher Transportmittel, die diesen Herausforderungen gewachsen waren. Mit dem baktrischen Kamel gab es ein derartiges Vehikel – denn diese Kamelart war auf der einen Seite hitzeresistent und auf der anderen Seite durch ein Winterfell gut gegen Kälte geschützt.
Trotz der skizzierten Gefahren und Herausforderungen entwickelte sich die Seidenstraße zu einem wesentlichen globalen Handelsweg – und damit zu einem Paradebeispiel für internationale Logistikketten.
Die Logistik als strategische „Waffe“
In der heutigen Struktur der Bundeswehr finden wir das sogenannte Logistikkommando, das unter anderem für die „Planung und Steuerung der logistischen Unterstützung der Bundeswehr im Einsatz“ und für die „Sicherstellung der Folgeversorgung aus Deutschland bis in die Einsatzräume“ verantwortlich ist (Logistikkommando der Bundeswehr 2014).
Diese Aufgaben stellten sich allerdings auch schon vor mehreren Tausend Jahren. So ist die Logistik, die Alexander der Große bei seinen Feldzügen umsetzte, als wegweisend anzusehen. Sein Heer umfasste nicht nur die kämpfenden Einheiten, sondern auch einen Tross, der die logistische Versorgung übernahm. Dies beinhaltete auf der einen Seite Material für den Bau von Belagerungsgeräten, auf der anderen Seite Nahrungsmittel, um die Mahlzeiten für die Truppe zubereiten zu können. Weiterhin ließ Alexander Waffenschmiede mitführen, um Waffen instand setzen zu lassen. Ebenso gab es Kartografen sowie Heiler zur Versorgung der Verwundeten in Alexanders Tross.
Die ständige Versorgungsbereitschaft machte die Armee Alexanders besonders beweglich. Damit konnte sie – wie zum Beispiel in der Schlacht gegen den Perserkönig Darius III. – auch gegen zahlenmäßig überlegene Heere schlagkräftig und überlegen sein. Die Logistik brachte also – neben Strategie und Taktik der Kriegsführung – einen „Wettbewerbsvorteil“ ein.
Die Bedeutung technischer Entwicklungen für die Logistik: das Beispiel der Hanse
Die Infrastruktur von Seeverbindungen lässt sich im Wesentlichen nur im Hafen ändern – zumindest wenn wir von Jahrhundertprojekten wie dem Suezkanal, dem Panamakanal oder dem derzeit geplanten Kanal durch Nicaragua absehen. Dennoch lassen sich auch im Schiffstransport logistische Sprünge ausmachen. Einer davon zeigte sich bei der Entwicklung der Hanse.
Die Entwicklung neuer Transportmittel einerseits und der Abschluss langfristiger Handelsverträge andererseits stärkten die Zusammenschlüsse niederdeutscher Kaufleute, die zwischen Mitte des 12. und Mitte des 17. Jahrhunderts existierten – zwei Aspekte, die heute noch in der Logistik von Bedeutung sind.
Bei den neuartigen Transportmitteln handelte es sich um die Hansekoggen. Sie hatten mit einem Fassungsvermögen von rund 200 Tonnen eine deutlich höhere Nutzlast als die bis dahin genutzten Schiffstypen. Wir sehen anhand der aktuellen Entwicklung, dass der Trend zu immer größeren Schiffen anhält: So kann der größte Containerschiffstyp der Welt, die „MSC Ocsar“, ein Schiff der ULCS‐Baureihe, mehr als 19.000 Standard‐Container aufnehmen. (Mehr dazu später in Kapitel 4.) Die große Kapazität der Handelskoggen machte sie zu hervorragenden Transportmitteln für Massengüter wie Getreide und Holz, aber auch für Fisch.
Parallel dazu deckte die Hanse einen großen Handelsraum ab, der von Spanien über Belgien, England und Skandinavien bis nach Russland reichte und das gesamte Gebiet der Ostsee umfasste. Zudem ergab sich für die rund 70 Kernstädte, die der Hanse beigetreten waren, sowie etwa weitere 130 angeschlossene Städte Planungssicherheit durch den Abschluss langfristiger Verträge.
Der Beginn des europäischen Postsystems
Einen weiteren Entwicklungssprung erfuhr die Logistik durch die Entwicklung des europäischen Postsystems. Auch wenn wir heute noch schnellere und noch flexiblere Logistikketten gestalten, um Kundenwünsche zu erfüllen (dies insbesondere im Online‐Versandhandel), so war die Gründung der europäischen Post im 15. Jahrhundert ein bedeutender Schritt zu einer Beschleunigung von Transportprozessen.
Als Beginn wird die Postverbindung angesehen, die Franz von Taxis zwischen den Residenzen Kaiser Maximilians I. in Innsbruck und dem belgischen Mechelen etablierte. Wie auch bei der Seidenstraße gab es im Abstand einer Tagesreise Poststationen entlang der Strecke, an denen Transportmittel, sprich: Pferde, getauscht werden konnten.
Nach und nach wurde das Postsystem ausgebaut. Die Informationsverteilung war hochgradig effektiv: So brauchte ein Brief von Memmingen nach Rom nur fünf Tage. Heutzutage beträgt die Brieflaufzeit für dieselbe Strecke nach Angaben der Deutschen Post zwei bis vier Tage.
Viele weitere Beispiele für die Entwicklung der Logistik in der Geschichte ließen sich nennen: die Logistik bei Napoleons Feldzügen, die Bedeutung der industriellen Revolution für die Logistik, technologische Entwicklungen im Transportmittelsektor. Für uns jedoch reichen die skizzierten Beispiele, um zu erkennen, dass Logistik – wenn auch nicht unter diesem Begriff – bereits in der Antike von hoher Bedeutung war, und zwar sowohl für zivile wie auch militärische Aktivitäten.
Was jedoch versteckt sich nach heutigem Verständnis konkret hinter dem Begriff „Logistik“? Diese Frage werde ich im nächsten Abschnitt...