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E-Book

Winterfuchs und Schnepfenstrich

... meine Heimat ist die Jagd!

AutorPhilipp Meran
VerlagLeopold Stocker Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783702016463
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Mit mehr als 20 Büchern ist Philipp Graf Meran der meistgelesene deutschsprachige Jagdschriftsteller der letzten Jahrzehnte. Wie immer verwebt der Autor Jagd, Naturbeobachtung, Familiengeschichte und zeitkritische Betrachtungen in einzigartiger Weise. Die Jagd auf den großen Gütern in Ungarn, die Flucht vor den Kommunisten und der Neuanfang in Österreich, das Leben seines Bruders Feri, der als 'white hunter' Jahrzehnte in Afrika verbrachte, aber auch neue Jagderlebnisse rund um Schnepfe, Bock, Fuchs und Hirsch sind die Themen dieses Erzählbandes.

Philipp Graf Meran ist jedem Jagdbuchleser ein Begriff. Der mit mehreren Literaturauszeichnungen geehrte Autor verbindet in seinen nunmehr 18 Erzählbänden Jagderlebnisse, Zeitgeschichte und Gesellschaftskritik auf höchstem Niveau.

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Leseprobe

UNSERE ABSTAMMUNG UND ÜBER FAMILIENJAGDEN


In allen meinen großformatigen Büchern habe ich Reproduktionen jener Bilder veröffentlicht, die der bedeutende Jagdmaler Franz Lamberg für das Schloss Csákberény geschaffen hatte. Meine aufmerksamen Leser haben sich sicher gefragt, wie Hirschbilder eines Lamberg in mehrere Meran-Bücher kommen. Einfügen möchte ich hier, dass durch meine Veröffentlichungen dieser bescheidene Maler erst wirklich bekannt wurde und in Ungarn jetzt zu den bedeutenden Jagdmalern zählt.

Aber die Antwort ist folgende: Franz Emmerich Graf Lamberg (1832–1901) war der Erbe seines Onkels Rudolf Graf Lamberg (1802–1880), dem jüngeren Bruder des Feldmarschall-Leutnants Franz Philipp Graf Lamberg (1790–1848), der von Rebellen im September 1848 auf der Schiffsbrücke aus dem Wagen gezerrt und bestialisch ermordet wurde.

Rudolf Graf Lamberg war der Erbauer des Schlosses Csákberény (1832–1834). Seine Besitztümer Csákberény, Csóka, Gánt und Kápolna hätte ein Sohn erben sollen. Er hatte drei Söhne, aber alle starben im Kleinkindesalter.

Nun wurde der Sohn seines Neffen (meines Urgroßvaters) Philipp zum Erben bestellt. Dieser starb aber 1879 ebenso wie eine seiner Schwestern an der damals unheilbaren Diphtherie.

Es verblieb nur eine Tochter, Ladislaja Gräfin Lamberg, die dann die Erbin ihres Großonkels wurde und meine Großmutter war. Ladislaja ist vom männlichen Namen Ladislaus, ungarisch László, abgeleitet. Sie heiratete den ältesten Sohn von Franz Meran, Doktor Johann Meran, dessen Vater infolge der morganatischen Ehe seines Vaters, Erzherzog Johann, der „erste“ Meran wurde. Meine Großeltern hatten neun Kinder und 45 Enkel. Von da an „explodierte“ die Großfamilie, heute gibt es mehr als 1.000 Nachkommen Erzherzog Johanns.

Großmutter erbte (neben den ungarischen Lamberg-Gütern) von ihrer Mutter (einer geborenen Wenckheim) große Güter in Ostungarn, Komitat Békés, unter anderem Korösladány.

Meinen Vater, der schon die zweite Staatsprüfung in Jus mit Auszeichnung abgelegt hatte, beorderte man – wenig verständlich – ausgerechnet 1919 nach Csákberény, wo zu jener Zeit das blutbefleckte Béla-Kun-Regime herrschte. Man verhaftete ihn auch sofort und die kommunistische ungarische Geheimpolizei, die „Lenin-Gardisten“, steckte ihn in Mór ins Gefängnis. Er war für die Hinrichtung vorgesehen, man wartete nur auf den berüchtigten „Todeszug“ des Massenmörders Szamueli. Doch ein Wunder geschah. Der Csákberényer Parteisekretär der KP, namens Rácz, befreite ihn und den Pfarrer. Mit den Töchtern dieses Mannes habe ich noch heute Kontakt. Mein Vater blieb dann unbehelligt, bis das kurzlebige Regime durch Admiral Horthy hinweggefegt wurde. Dann wurde er Güterdirektor mit allen Vollmachten des künftigen Erben. Das Gut erhielt er dann am 1. Januar 1938 durch Schenkung. 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus.

Zu erwähnen ist noch, dass die Brüder Lamberg, Franz Philipp und Rudolf, die zwei Töchter des Johann Ernst Graf Hoyos heirateten. Die Frau von Franz hieß Caroline und Rudolfs Frau Therese. Die dritte Tochter heiratete den Chef des (freiherrlichen) Hauses Gudenus in Thannhausen. Von hier stammt mütterlicherseits meine Großmutter Christine (1870–1958). So haben wir, die Nachkommen, von zwei Seiten Hoyos-Blut, sind sozusagen mehr Hoyos als die Hoyos selbst.

Mein Vater war als Güterdirektor und kommender Erbe Leiter der Waldreviere und Felder Csákberény, Csókako, Gánt und Kápolna. Er leitete auch die der Großmutter verbliebenen Güter Zámoly, Borbála, Forrás und Ikrény, Letztere im Komitat Gyor. Sogar um einen Eltz’schen Weingarten in Sankt Peter bei Marburg an der Drau kümmerte er sich und weil der Weingarten Pickern des Erzherzogs Johann auch nicht weit war, gelegentlich auch um diesen.

Das alles hatte im Jahre 1939 ein jähes Ende. Das nationalsozialistische Regime registrierte nämlich eine Reise des Vaters zu Erzherzog Otto und Kaiserin Zita, die über Deutschland nach Belgien nach Zeenogerzell führte. Er bekam bis 1945 das strikte Verbot ins Deutsche Reich zu reisen, zu dem auch unser Österreich, damals Ostmark genannt, sieben Jahre lang gehörte. Denn mein Vater war glühender Monarchist und in West-Ungarn auch stellvertretender Vorsitzender der „Legitimisten“. Dadurch entfielen für ihn in dieser Zeit die seit seiner Kindheit geliebten Gamstreibjagden in Brandhof, die alljährlich im September zwei Wochen dauerten. Später organisierte mein Vater sowohl die Zámolyer Fasanenjagd als auch den großen Streif von Csákberény nach Zámoly über die Bauernfelder, aber vor allem die zwei Wochen dauernden Winterjagden im gesamten Csákberényer Revier. Der Sonntag war immer frei mit Rücksicht auf die Treiber und wegen des Gottesdienstes. Das war in Brandhof nicht anders.

Bei diesen Jagden waren immer die Söhne und Schwiegersöhne eingeladen, aber auch drei bis vier Altersgenossen von Großvater, zum Beispiel Moritz Vetter von der Lilie und Paul Blankenstein.

Vater konnte erst nach Übernahme der Güter in den Jahren 1938 bis 1943 seine Freunde einladen, zum Beispiel Laci Esterházy, die Nachbarn Miki Szécsen, János Zichy und seinen besonderen Freund Moritz Esterházy, mit dessen Familie wir eifrig voisinierten. Es kamen unter Vater auch jüngere Generationen dazu: Die Brüder Stubenberg, Josef und Erni, die drei Söhne von Moritz Esterházy, Mathias, Marcel und Menyhért, sowie die zwei Zichys, Anti und Gyuri.

Die Jagden fanden immer Anfang Januar, aber erst nach dem Dreikönigstag, statt. Für uns, die wir sofort nach Weihnachten wieder ins Pensionat nach Pécs mussten, gab es einige von Vater rührend organisierte Weihnachtsjagden. Aber auch an den Fasanenjagden konnten wir nur als Kinder und daher nur als Zuschauer vor der Pécser Zeit teilnehmen.

Meine Mutter, die 1900 geboren wurde, hatte die Organisation im Haus inne. Und es war ihr und den jungen Frauen von Vaters Brüdern unter den alten, für sie „greisenhaften“ Männern (die damals alle viel jünger waren als ihr Berichterstatter) öfter so langweilig, dass sie dann und wann einen harmlosen, aber nicht gerne gesehenen Ulk versuchten. So wurden die Köchinnen Frau Öhlmann und die Zsófi néni dazu gebracht, einen am Vortag erlegten Fuchs als Hasen auf den herrschaftlichen Tisch zu zaubern. Er war so gekonnt hergerichtet und gewürzt, dass die älteren Herrschaften zunächst nichts merkten. Nur das Naserümpfen der servierenden Diener fiel auf und dann gestanden die jungen Damen die „Untat“, noch bevor die alten Stammgäste gekostet hatten. Damals ahnte noch niemand, dass zehn Jahre später in unserer Gegend, wo die Front drei Monate Halt machte, solch ein Fuchsbraten eine Delikatesse gewesen wäre. Wildschweine gab es weit weniger als heutzutage, dafür aber sehr viele Hasen und zwar im ganzen Wald, der in seiner größten Ausdehnung 4.000 Hektar ausmachte und in dem tiefe Gräben und steile Leiten den Treibern viel Schweiß abverlangten. Bei den Waldjagden wurde der ganze Bestand in zwölf Tagen bejagt und Strecken von 100 Hasen am Tag waren keine Seltenheit. Andere Zeiten eben. Da man unbedingt sowohl eine Kugelbüchse als auch eine Schrotflinte mithaben musste, wurde jedem Schützen ein Lader mitgegeben. Das waren immer dieselben und wurden im Laufe der Jahre wahre Freunde, die der Schütze kannte und die „ihren Herrn“ kannten.

Es ist kein Wunder, dass diese „Posten“ eifersüchtig verteidigt wurden und nicht nur einer der bewährten Lader wurde im Laufe der Jahre altersbedingt langsamer, was dann beim Schießen auf Füchse oft ein Problem war. Auf 50 bis 60 Meter konnte man sie eventuell noch mit den groben Schroten erreichen, wenn sie weiter weg waren, musste das Kugelgewehr dem Schützen in die Hand gedrückt werden, was immer sehr schnell gehen musste, weil Füchse jede Bewegung sofort sehen.

Dazu eine Bemerkung: Heute traue ich mich als alter Jagdfotograf kaum mehr zu fotografieren, weil die grell leuchtenden roten Jacken oder Hutbänder so absolut unpassend in der Natur sind. Ich gebe zu, dass bei den vielen neureichen, spät berufenen, durch Kurse im Eilgang zu Jägern gemachten Jägern dies vielleicht heute notwendig ist. Bei den Treibern ist es aber absolut Pflicht. Trotzdem wage ich die ketzerische Behauptung, dass bei uns, wo 80 bis 100 Treiber waren und acht bis höchstens zehn Schützen, niemals etwas geschah. Waren doch alle Teilnehmer von Kindheit an bestens geschult. Das stark kupierte Gelände bot reichlich Kugelfang und mehr als zehn bis zwölf Sauen und etwas mehr Kahlwild schoss man selten am Tag. Im Krieg hat Onkel Hansi aus Korösladány einmal neun Sauen auf einem Stand geschossen. Aber so etwas...

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