2. KAPITEL
Erkenntnisse der Sterbeforschung über das Jenseits
a) Nahtoderfahrungen
Neben den Kernelementen der Nahtoderfahrung, die im vorangegangenen Kapitel beschrieben worden sind, werden in den Todesnäheerlebnissen aller Zeiten und Kulturen genaue Beschreibungen der Topografie des Jenseits und seiner Bewohner vermittelt. Je mehr sich das Bewusstsein erweitert, umso tiefer dringt ein Erlebender in den Bereich jenseits von Raum und Zeit ein. Daraus resultieren übersinnliche Wahrnehmungen, die ich im Folgenden systematisch darstellen möchte.
Es gibt zahlreiche konkrete visuelle Beschreibungen der Gegebenheiten und Örtlichkeiten des anderen Daseinsbereiches. Sie sind ein Aspekt der Nahtoderfahrungen, deren Bedeutung bisher wenig Aufmerksamkeit zuteilwurde. Begegnungen mit Verstorbenen werden ebenso erlebt, wie Engel oder andere Geistwesen gesehen werden. Weniger bekannt dürfte die Tatsache der Verschmelzung mit allem Wissen oder einer mystischen Vereinigung mit Gott sein. In jedem Fall lässt sich die Aussage treffen, dass die bildlichen Darstellungen des Jenseits, die in den Nahtoderfahrungen erlebt werden, in den Überlieferungen in der Weltliteratur stets ähnlich geschildert worden sind.
Jede Form veränderter Bewusstseinszustände führt in diese andere Dimension des Seins. In seinem tiefsten Inneren verfügt jeder Mensch über das Wissen von der jenseitigen Welt. Die Suche nach dem Sinn und Grund unseres Daseins bewirkt, dass Menschen durch Meditation oder Gebet Gott in der eigenen Innenwelt erfahren wollen. Besonders in schwierigen Situationen unseres Lebens werden wir durch tiefe seelische Erschütterungen daran erinnert, dass wir alle in einen höheren Sinnzusammenhang eingebettet sind. Der Mensch ist von seinem Wesen her geistiger Natur und mehr als reine Biochemie. Das Bewusstsein existiert unabhängig vom Körper, und die Beschreibungen der jenseitigen Welt haben nicht das Geringste mit Wunschvorstellungen oder Halluzinationen zu tun. Viele Nahtoderfahrungen vermitteln Fragmente von wiederkehrenden Orten oder Landschaften, die wir nach unserem Tod vorfinden werden.
Eine Nahtoderfahrung dauert in der Regel maximal fünf Minuten, da sonst nicht mehr reanimiert werden kann. Je länger ein Mensch klinisch tot ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Hirnschäden davonträgt. Es gibt aber Menschen, die über längere Zeit tot gewesen und dennoch zurückgekehrt sind. Das sind die Berichte in der Forschung, die als ultimative Nahtoderfahrung bezeichnet werden. Diese beinhaltet eine Reise der Seele durch die Galaxien, die Verbundenheit mit allem Wissen und die Verschmelzung mit Gott. Die Forschung hat festgestellt: Je andauernder eine Nahtoderfahrung erlebt wird, umso mehr öffnet sich der Zugang zu den höheren Ebenen der Jenseitswelt. Dabei können die Betroffenen im außerkörperlichen Bewusstseinszustand die Entfaltung ihres Erlebens beeinflussen. Wenn keine Ängste vorhanden sind und die Erlebenden die Dinge, denen sie begegnen, wirklich verstehen wollen, können sie den Verlauf interaktiv gestalten. Kenneth Ring war der erste Forscher, der diese Zusammenhänge erkannte.
Mellen Thomas Benedict reagierte nicht nur passiv, als er während der Lichterfahrung mit seinem bisherigen Leben konfrontiert wurde: »Und ich begann, vergangene Dinge zu sehen, Erinnerungen, so eine Art Lebensrückschau. Und ich sah Dinge, die mich unglücklich machten, und wie schlecht es mir gegangen war und Ähnliches, deshalb sagte ich an diesem Punkt ›Stopp!‹, und alles hielt einfach an! Ich war total überrascht. Und plötzlich merkte ich, dass das eine interaktive Erfahrung sein musste, weil ich mit ihr sprechen konnte.«22
Da Mellen Thomas von einem enormen Wissendrang erfüllt war, offenbarte ihm das Licht ein Mysterium der Schöpfung: Alle Menschen sind mit ihrem Ursprung, dem Schöpfer aller Welten, verbunden. Das Höhere Selbst (die ewige Seelenidentität oder Über-Seele) verbindet alle Menschen miteinander und ist gleichzeitig ein Aspekt der Gottheit. Indem er die Bedeutung des Lichts wirklich erfassen will, wird ihm dieses Wissen mitgeteilt: »Und mir wurde sehr klar, dass alle höheren Selbste als ein Wesen verbunden sind; alle Menschen sind als ein Wesen verbunden, wir sind tatsächlich ein und dasselbe Wesen, verschiedene Aspekte ein und desselben Wesens. Und ich sah dieses Mandala aus menschlichen Seelen. Es war das Schönste, was ich je gesehen habe, ich (Stimme zittert), ich ging einfach hinein und (spricht stockend), es war einfach überwältigend (hält die Tränen zurück), es war wie alle Liebe, die man sich je gewünscht hat, und es war die Art von Liebe, die heilt und genesen lässt und regeneriert.«23
Der Eintritt in das Jenseits
Im Nahen des Todes werden die Sinnesorgane abgeschaltet, und der Betroffene erlebt ein körperloses Bewusstsein, wenn sich die Seele vom Körper getrennt hat. Die Gesetzmäßigkeiten der irdischen Existenz sind aufgehoben, und die Seele als Träger des Ich-Bewusstseins beginnt ihre Reise in eine Dimension, in der Raum und Zeit nicht länger von Bedeutung sind. Alle Abläufe beschleunigen sich, und alles wird gleichzeitig wahrgenommen. So heißt es dazu in dem Bericht eines Mannes: »Dann geht es immer schneller und schneller … Man hat das Gefühl, sich mindestens mit Lichtgeschwindigkeit fortzubewegen. Vielleicht ist es ja sogar Lichtgeschwindigkeit oder noch schneller als Lichtgeschwindigkeit. Man merkt, wie schnell man vorankommt und in Hundertstelsekunden riesige Entfernungen zurücklegt.«24
Das Bewusstsein etabliert sich nun unabhängig vom irdischen Körper. Die Betroffenen berichten davon, sich in einem feinstofflichen Körper zu befinden. Dazu erzählte eine Frau ihr Erlebnis in einem Seminar: »Ich erlebte Momente der Zeitlosigkeit, der Klarheit und des Glücks. Ich hatte keinen stofflichen Körper mehr, besaß aber eine Form, die durchschimmernd war, als wäre ich mein eigenes Abbild, aber ohne die Schwere des irdischen Körpers. Das Erstaunliche war, dass mein Ich unangetastet war und über genauere Wahrnehmungen verfügte, als ich das je für möglich gehalten habe.«
Während des Übergangs in das Jenseits werden himmlische Musik oder Geräusche wahrgenommen. Manche hören Summtöne, Klick- oder Klopfgeräusche, andere hören eine winzige, zarte Andeutung wunderschöner Sphärenmusik.
Corinna berichtet: »Die Erfahrung war atemberaubend – die Stille wundervoll. In leiser Entfernung war eine winzige Andeutung von wunderbarer Musik – Musik jenseits all dessen, was ich auf Erden gehört habe. Für einen kurzen Augenblick richtete ich meinen Blick auf ein schwaches Licht in der Ferne.«
In den zeitgenössischen Nahtoderfahrungen wird die überwältigende Erfahrung des Übergangs in die andere Dimension des Seins durch das Hören von Musik eingeleitet. Das kann symbolisch als Ausdruck der Bewegung und Beschleunigung aller Abläufe interpretiert werden. Gleichzeitig wird dadurch die Angst abgebaut. Im nächsten Beispiel empfindet ein Mann die Musik als außerordentlich kraftvoll, schnell und gewaltig, aber auch als Ausdruck der Aufhebung aller Trennungen.
»Ich schien durchs Weltall zu schwirren! Dort war auch ein ungeheurer Lärm. Es war, als ob all die großen Orchester der Welt auf einmal spielen würden; keine spezielle Melodie, und sehr laut, kraftvoll, aber irgendwie beruhigend. Es war eine schnelle, bewegte Musik, anders als all jenes, an das ich mich erinnern kann, und doch vertraut, wie aus der Ecke meiner Erinnerungen.«25
Die akustische Wahrnehmung von Musik aus der anderen Welt wird auch von Sterbenden berichtet. Das Hören musikalischer Schwingungen aus dem Jenseits ist Bestandteil der Sterbebettvisionen, die kurz vor dem Tod auftreten. Da sich die Seele jetzt vom Körper gelockert hat, erlebt der Sterbende einen erweiterten Bewusstseinszustand. Deswegen vernimmt er die sphärische Musik. Eine Sterbebegleiterin berichtete mir: »Frau Meyer schien tief und fest zu schlafen, als ich ihr Zimmer betrat. Doch plötzlich öffnete sie die Augen und summte eine Melodie. In ihren Augen war ein Ausdruck von absoluter Seligkeit und ein inneres Leuchten. Unerwartet sprach sie mich an und sagte: ›Sie werden es mir nicht glauben, aber ich vernehme eine Musik, wie ich sie noch nie in meinem Leben gehört habe. Diese Harmonien lassen mich alle Ängste vergessen.‹ Kurz darauf starb Frau Meyer in meinen Armen.«
Die Sphärenmusik bereitet die Erlebenden auf die Schönheit der Jenseitswelt vor. Im Sterbeprozess führt ein solches Erlebnis dazu, dass die Sterbenden ihren Frieden finden und loslassen können. Sie sind dann bereit für den Übergang und verlieren alle ihre Ängste.
Visuelle Wahrnehmungen der geistigen Welt
Wenn der Mensch sich außerhalb seines Körpers befindet und durch den Tunnel ins Jenseits gelangt ist, erblickt er die unbeschreibliche Schönheit der transzendentalen Welt. Die Farben und das alles durchdringende Licht sind harmonisch ineinander verwoben. Die inneren Strukturen dieser Welt lassen Landschaften oder Gebäude in einer vorher nicht gekannten Pracht erscheinen. Obwohl die Erlebenden körperlos sind, haben sie einen feinstofflichen Ätherleib. Alles ist in Bewegung und Schwingung. Diese andere Form der Wirklichkeit ist nur durch vergleichende Metaphern beschreibbar. In unserer Sprache fehlen die Worte und Begriffe, um die Herrlichkeit wiederzugeben. Das löst bei den Betroffenen Gefühle der...