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E-Book

Woza Sisi

Die mutigen Frauen Afrikas

AutorMargit Maximilian
VerlagVerlag Kremayr & Scheriau
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783218010337
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Mo Abudu ist die 'Oprah Winfrey' Nigerias. Mit ihrem pan-afrikanischen TV-Sender ist sie eine der erfolgreichsten Frauen Afrikas. Winnie Akinyi ist Künstlerin und Streetworkerin im größten Slum Kenias. Aminata Traoré, frühere Kulturministerin in Mali, ist Publizistin und eine Ikone der Globalisierungskritiker. Ken Bugul ist eine berühmte senegalesische Schriftstellerin. Zehn Frauen aus zehn unterschiedlichen Ländern Sub-Sahara-Afrikas porträtiert Margit Maximilian in ihrem neuen Buch. Ihre Lebenssituationen, ihr Alter und ihre Erfahrungen sind grundverschieden. Doch eines eint sie: Sie alle verfügen über besondere Tatkraft. Sie legen den Finger in die Wunden, die Globalisierung und Tyrannei in Afrika gerissen haben, gleichzeitig aber wehren sie sich erfolgreich gegen das Klischeebild vom 'verlorenen Kontinent'.

Margit Maximilian ist seit 1995 ORF-Redakteurin im Außenpolitikressort der Zeit im Bild. Als Afrika-Spezialistin berichtet sie aus vielen Kriegs- und Krisengebieten. Sie ist Gründungsmitglied von Reporter ohne Grenzen Österreich. Für 'Woza Sisi' war Margit Maximilian ein halbes Jahr lang alleine in Afrika unterwegs.

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Leseprobe

Zehn Länder, zehn Frauen


Angefangen hatte es gar nicht gut. Die nigerianische Botschaft in Wien weigerte sich standhaft, das längst versprochene Visum auszustellen. Der bevölkerungsreiche Staat im Westen Afrikas hielt äußerst heikle Wahlen ab und ganz offensichtlich wollten die Machthaber keine Journalisten im Land, denn auch langjährige Korrespondentinnen wie die Chefin von AP und Kollegen von AFP hatten Probleme, ihre Nigeria-Visa für die Zeit der Wahlen zu verlängern. Er könne da gar nichts machen, sagte der Botschaftsmitarbeiter in Wien. »Ihr Antrag wurde nach Abuja geschickt.« Dort werde alles Weitere entschieden. Ich dränge, lobe sein Land, schmiere ihm Honig ums Maul, versuche ihn zu bezirzen – doch nichts scheint zu nutzen. Auch nicht die wiederholte Beteuerung, ohnehin keine politischen Berichte für den ORF zu planen, sondern lediglich für ein privates Buchprojekt nach Nigeria reisen zu wollen. »Ich möchte nach Nigeria, um eine Geschichte über eine Frau zu schreiben«, erzähle ich ihm. »Was für eine Geschichte?«, fragt er. »Und welche Frau?«

Egal welche Frau, erkläre ich ihm, bloß eine, die für etwas einsteht, die für etwas brennt, die eine Vision hat und die bereit ist, mir ihre Lebensgeschichte zu erzählen. »Und wer, bitte, soll das sein?«, fragt er ungläubig. »Nigeria hat einhundertsiebzig Millionen Einwohner. Macht in etwa fünfundachtzig Millionen Frauen.« »Ja genau«, gebe ich zurück, »und davon brauche ich nur eine.« Eine der kräftigen, dicken Marktfrauen zum Beispiel  – oder Mo Abudu. »Kennen Sie die? Das ist ein Medien-Star. Sie hat den ersten panafrikanischen Fernsehsender gegründet.« Voller Begeisterung zücke ich ein Foto einer außergewöhnlich schönen Frau mit riesigen, schwarzen Augen, das ich aus einem Magazin herausgerissen habe. Es enthielt eine Auflistung der hundert einflussreichsten Menschen des Kontinents – aus Wirtschaft, Politik, Kunst und Kultur. Mo Abudu rangierte ganz vorne. Das Magazin Forbes wählte sie in seiner Jahresbilanz gar zur most successful woman Afrikas.

Dass ich diese Frau nach langem E-Mail-Verkehr schließlich tatsächlich persönlich kennenlernen durfte, verdanke ich wohl einer Kombination aus Zufall und Erfahrung, aus Glück und zähem, langjährigem Networking, aus kindlicher Träumerei und sturer Hartnäckigkeit. Ich hatte das Vorhaben längst aufgegeben, als mich im Nachbarland Benin ihre Nachricht aus New York erreichte, dass sie Ende April definitiv in Nigeria sein würde und sich freue, mich zu sehen. Grund genug, um alle anderen Pläne kurzfristig über Bord zu werfen und nach der Story über Martine de Souza in Benin, der Nachfahrin eines der berühmtesten Sklavenhändler der Westküste Afrikas, nochmals nach Nigeria zurückzufliegen. Schließlich ist es nur ein Katzensprung von Cotonou nach Lagos, von der Hauptstadt Benins in die Hafenmetropole Nigerias. Ein kurzer, zwanzigminütiger Flug, auf den ich mich aufrichtig freute, denn der Hinweg mit dem nigerianischen Fahrer bis zur Grenze und dann zu Fuß durch sämtliche nigerianisch-beninischen Kontrollen war alles andere als gemütlich gewesen. Mit all dem Durcheinander eines der geschäftigsten afrikanischen Grenzübergänge, die ich je gesehen hatte, mit seinen Menschenmassen und unzähligen jungen Männern, die der allein reisenden Weißen bei den Formalitäten helfen wollten. Selbst das glückliche Gefühl, die Grenze geschafft zu haben und endlich in einem sicheren Taxi zu sitzen, erwies sich als trügerisch. Zwei weitere Checkpoints mussten passiert werden, an denen gelangweilte Männer in Uniform die Kalaschnikows hochhielten und ein paar Dollar verlangten. Warum, bleibt unklar, war aber letztlich auch egal. Doch nun ließ auch der Flughafen in Cotonou Böses ahnen. Es war immerhin der erste internationale Flughafen meines Lebens, in dem ständig der Strom ausfiel. Die nigerianische Fluggesellschaft Arik Air vertröstete das Grüppchen von Passagieren: In ein paar Stunden würde das Flugzeug bereitstehen, hieß es freundlich. Dann hatten wir es plötzlich sehr eilig, es ging los. Allerdings müsse die Maschine erst nach Douala in Kamerun fliegen und von dort gehe es – nach der Aufnahme weiterer Passagiere – dann direkt nach Lagos. »See, no problem!«, sagte der nette Herr von der Fluglinie. Also: Gute eineinhalb Stunden zusätzlich in die eine Richtung, eine Stunde Aufenthalt in Douala und noch einmal eineinhalb Stunden zurück bis zum Ziel. Eine Fleißaufgabe von bescheidenen zweitausend Kilometern. Auch das ist gelebte Realität in Afrika.

Doch gottlob waren nicht alle zehn Frauenporträts so schwierig zu organisieren wie das von Mo Abudu. Alle anderen Flüge funktionierten übrigens weitgehend problemlos. Und es waren gar nicht so wenige. Die Stationen: Wien, Frankfurt, Johannesburg, Dakar, Bamako, Dakar, Lagos, Cotonou, Douala, Lagos, Addis Abeba, Nairobi, Kampala, Kigali, Juba, Kigali, Kampala, Nairobi, Mombasa, Nairobi, Addis Abeba, Harare, Addis Abeba, Wien. Dazu kamen Busfahrten von Südafrika nach Mosambik und durch Simbabwe. Auf all diesen Routen, in all den Ländern und Städten, in die mich die Reise für dieses Buch geführt hat, waren die Menschen stets ausgesucht freundlich zu der fremden Frau aus Vienna. Wie sehr man sich angesichts dessen für ein Europa schämt, das im selben Jahr deutlich abweisender und kälter geworden ist, lässt sich nur schwer in Worte fassen.

Woza Sisi heißt »komm Schwester« auf Zulu. Die Straßenfriseurinnen in Downtown Johannesburg locken mit dem Ruf Woza Sisi ihre Kundinnen an. Auch sie sind oft fremd im Land. Johannesburg ist ein Schmelztiegel. Hier finden sich Zuwanderer aus allen Ländern Afrikas – von Äthiopien über Nigeria bis Simbabwe. Sie suchen Jobs, ein wenig Wohlstand, oft auch eine Chance, ein neues Leben aufzubauen und – im Fall von Simbabwe – auch Schutz vor politischer Verfolgung. Geschätzte drei Millionen Simbabwer leben in Südafrika. Sie gelten als besonders tüchtig. Neid und Überforderung vieler Südafrikaner, die in heruntergekommenen Townships selbst kaum genug zum Leben finden, haben schon mehrfach zu gewalttätigen, ausländerfeindlichen Ausschreitungen geführt. Dahlia Maubane, die 29-jährige Fotografin, von der auch das Titelbild dieses Buches stammt, kann mit Xenophobie dagegen rein gar nichts anfangen. Sie ist ein typisches Mittelklasse-Kind. Neid ist ihr fremd, Zuwanderung sieht sie als Chance. Die Rassentrennung hat Südafrika hinter sich, das bunte, multikulturelle Joburg ist für Dahlias Generation Normalität. Die Friseurinnen und illegalen Händler sind Dahlias fotografisches Arbeitsgebiet geworden.

Es sind Menschen am Rande der Gesellschaft, die von der Stadtverwaltung immer wieder vertrieben werden. Doch mit Politik haben Dahlia und ihre Freundinnen nicht viel am Hut. Dahlia hilft einfach und unkompliziert selbst: Mit Visitenkarten und T-Shirts, die sie allein finanziert. Darauf steht: Woza Sisi, »komm, Schwester«.

Die Abkürzung Woza spielt auch in einem weiteren Frauenporträt eine besondere Rolle. In Simbabwe nennt sich die Menschenrechtsorganisation um Jenni Williams Woman of Zimbabwe Arise, »Frauen Simbabwes, steht auf!« Gleichzeitig bedeutet Woza auch »vorwärtskommen« in Ndebele, einer der wichtigsten Sprache Simbabwes. Woza wurde 2003 von Jenni Williams gegründet und hat heute an die 90.000 Mitglieder, die überwiegende Mehrzahl davon Frauen. In der Tradition Gandhis kämpfen sie gewaltlos gegen das Regime des greisen Machthabers Robert Mugabe. Unzählige Male wurde die Frontfrau dafür verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. 2008 erhielt Jenni Williams den Amnesty International Menschenrechtspreis. Ein Jahr später wurden sie und ihre wichtigste Mitstreiterin, Magodonga Mahlungu, von US-Präsident Barack Obama persönlich im Weißen Haus empfangen und mit dem Robert F. Kennedy Human Rights Award geehrt, einer der höchsten Auszeichnungen im Kampf für die Menschenrechte.

Eine der großartigsten Frauen Afrikas, keine Frage. Dennoch war Jenni Williams zunächst nicht auf meinem Radar. Die Idee zu ihrer Geschichte kam erst in Nigeria. Meine Gastgeberin, Michelle Faul, Nigeria-Chefin der Nachrichtenagentur AP, erklärte einer Runde von Bekannten, die sie zum Abendessen eingeladen hatte, meine Idee, Frauenporträts in verschiedenen Ländern zu machen, mit dem Ziel, ein anderes, ein vielfältiges Bild von Sub-Sahara-Afrika zu zeichnen. Ein Gegenbild zu dem in Europa immer noch vorherrschenden altmodischen Negativ-Klischee vom Krisenkontinent und der ewig unterdrückten, ewig schwangeren Frau. Ich sei also auf der Suche nach »courageous women«, erzählte sie und hatte plötzlich einen Gedankenblitz: »Hey Margit,« rief sie, »why donʼt you write the story about Jenni Williams?« Ich war sofort begeistert, zumal ich Jenni Williams bereits vor Jahren in Wien einmal interviewt hatte. Doch lebt sie überhaupt noch in Simbabwe? Ist es möglich, sie zu treffen, ohne sie zu gefährden? Michelle, selbst gebürtige Simbabwerin, versprach, sich zu erkundigen, und tatsächlich war ich schon wenige Tage später in E-Mail-Kontakt mit Jenni Williams. Sie sah kein Problem darin, mich im Juni zu treffen, vorausgesetzt, ich käme in ihre Heimatstadt Bulawayo. Allerdings lag Simbabwe ursprünglich nicht auf meiner Route, der Flug dorthin war teuer, das Land schwierig und kaputt. Doch schließlich gelang es, alte Freunde in Harare auszuforschen, die gerne bereit waren, mich erneut für ein paar Tage bei sich aufzunehmen. Auch Heinrich von Pezold, ein adeliger Großgrundbesitzer mit Österreichisch-Deutsch-Schweizer Staatsbürgerschaft, einer der letzten noch nicht...

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