Bereits vor 6.000 Jahren begannen chinesische Gelehrte die Bewegungen der Himmelskörper mit bloßem Auge zu beobachten und aufzuzeichnen. Sie erkannten immer wiederkehrende Abläufe der Planetenbewegungen und leiteten daraus Gesetzmäßigkeiten ab.
Sie stellten fest, dass sich diese auch auf der Erde, in der Natur und im Alltagsleben, wiederfinden ließen.
Durch die Übertragung der Abläufe des Makrokosmos auf den Mikrokosmos, also vom Großen aufs Kleine, festigte sich die Überzeugung, dass sich alles, was sich im Großen darstellt, auch im Kleinen abbildet. So gelang es ihnen bereits damals Entwicklungen und Ereignisse vorauszusagen.
Außerdem stellten die chinesischen Gelehrten fest, dass nichts statisch ist. Alles wandelt sich. Im Ablauf der Wandlungen erkannten sie feste Zyklen, die sich unablässig wiederholen. Eine weitere wichtige Gesetzmäßigkeit glaubten sie außerdem darin zu erkennen, dass Gegensätze (Yin und Yang) durch ihre Polarität die Dinge, das „Ganze“, zusammenhielten.
Aus diesen Überzeugungen, bildete sich im Laufe der Jahrtausende der Taoismus, als ein Modell, nachdem alles kosmische und irdische Sein funktionieren kann.
Er bietet die Struktur, auf der sich die Fragen und die Antworten, was letztendlich den Lauf der Geschicke bestimmt, darstellen.
Der Taoismus ist die Grundlage unseres Verständnisses der Wandlungsphasen. Auch der Mensch ist den allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten der Wandlungsphasen unterworfen.
Sie lassen sich im Lauf eines Menschenlebens, eines Jahres oder eines Tages wiederentdecken.
Das Tao selbst ist nicht zu beschreiben. Es zeigt sich aber in allen kosmischen und irdischen Phänomenen und Abläufen.
Es ist absolut. Alle kosmischen und irdischen Ereignisse und Abläufe sind „Tao“. Nichts entzieht sich dem Tao. Es war immer schon da und wird auch immer da sein. Es vereint in sich alle Gegensätze.
Zwei Symbole bilden das Schriftzeichen für Tao. Sie bedeuten: „Gehen“ und „Kopf“. Übersetzt wird es oft einfach mit „Pfad“ oder „Weg“.
Eine Interpretationsmöglichkeit ist, den Kopf zu gebrauchen, um den eigenen Weg, im Tao, erkennen und beschreiten zu können. Das Tao ist Ursache, Streben und Ziel jeglichen Seins. Seine Existenz ist das Gesetz, dem alles unterworfen ist, denn nichts existiert außerhalb des Tao. Es bildet den Hintergrund, auf dem sich alles abspielt.
Der Mensch, ist wie jedes andere Geschöpf, wie je Pflanze oder jeder Gedanke Teil des Tao und diesem gleichzeitig unterworfen. Er kann es nicht ändern oder anhalten. Widerstand ist zwecklos und raubt nur wertvolle Energie. Also handelt er weise, sich dem, was ist, anzupassen, indem er die Abläufe, denen er folgen soll, erkennt und sich so harmonisch wie möglich darin einfügt.
Seine Bestimmung erkennen und seinen Platz annehmen können, lautet die Devise. Nichts ist statisch und Leben ist nur möglich in stetiger Anpassung an die Gegebenheiten. Das lässt sich auch auf die Gesundheit, also die Harmonie in unserem Körper und die Harmonie, die wir im Austausch mit der Umwelt erleben können, übertragen. Gesund ist, wessen Organismus in der Lage ist, sich den Ungleichgewichten, den Einflüssen und Strömungen, denen er ausgesetzt ist, anzupassen.
Als anzustrebender Urzustand der „Ganzheit“, der Auflösung und Einheit aller Gegensätze, ist das Erreichen des Tao für den Menschen der Sinn und das Ziel seines Lebens. Unsterblichkeit oder Tod sind im westlichen Sprachgebrauch Begriffe, die diesen Zustand für uns einigermaßen verständlich ausdrücken.
Auf vielen Wegen versuchen die Menschen, das Tao zu ergründen. Es ist und bleibt aber letztendlich das, was der Mensch lediglich zwischen den Zeilen des Lebens selbst zu lesen lernen kann.
Qi ist die Kraft, mit der sich die Abläufe im Tao erklären lassen. Das Schriftzeichen für Qi stellt dampfende Reisbündel dar. Ihr heißer Dampf steigt nach oben.
Die Reisbündel symbolisieren den Ying-Anteil: Sie sind materiell, statisch und „unten“. Das Yang bekommt im aufsteigenden Dampf seine Entsprechung, denn der ist immaterieller, bewegt und steigt nach oben.
Dualität, Dynamik, aber auch die Abhängigkeit, die das Verhältnis von Yin und Yang prägen, präsentieren sich in dem Bild, das dieses Schriftzeichen malt.
„Der große Beweger“ wird das Qi genannt. Übersetzungen sprechen von „Energie“, auch „Dampf“, „dem, was aufsteigt“, „Atem“, „Odem“, „Hauch“. In diesen Begriffen findet sich immer ein Anteil, der auf Bewegung hindeutet. Tatsächlich ist es das, was uns bewegt. Spricht man von Qi allgemein, bedeutet es in unserem Kulturraum „Lebensenergie“.
Bis heute lässt es sich mit wissenschaftlichen Methoden nicht eindeutig nachweisen, aber immer mehr Wissenschaftler glauben an seine Existenz. Qi ist erfahrbar, aber (noch) nicht (sicher) messbar
Qi wird in der chinesischen Medizin als das beschrieben, „was das Herz schlagen lässt“. Der Stand der Wissenschaft kennt zwar den Sinusknoten als den Hauptauslöser der autonomen Impulsgebung für die Kontraktionen der Herzkammern, er kann den Weg des Impulses und seine Verstärkung von dort über den AV-Knoten, die His-Bündel, die Purkinje-Fasern bis zur Auslösung der Kontraktion der gesamten Ventrikelmuskulatur verfolgen, was aber die Entstehung des Impulses letztendlich veranlasst, ist bis heute ungeklärt. Das Herz schlägt, weil es sich den Impuls dazu gibt.
Da das Qi nicht statisch ist, bewegt, verbindet und verändert es sich und seine Umgebung.
Es nimmt verschiedene Formen an, kann sich verdichten oder verfeinern. Verdichtet sich Wasser zu Eis, wird es materieller, statischer und fester. Hier hat sich eine Veränderung in Richtung Yin-Ausprägung vollzogen.
Bei der Transformation von Wasser zu Wasserdampf, der feinstofflicher, bewegter und leichter ist als der Ausgangsstoff, überwiegen die Yang-Anteile.
Alles Lebendige und alle Abläufe in unserem Kosmos werden von Qi durchflossen und von ihm belebt. Auf diese Weise steht auch der Mensch in ständigem Austausch mit seiner Umwelt, mit dem Himmel und der Erde.
Isolation von der Umwelt, die Verweigerung, Qi durch Nahrung oder Atemluft aufzunehmen beispielsweise, also die Abschottung gegen den äußeren Qi-Fluss, bedeutet den Tod. Wir Lebewesen können nur im stetigen Austausch mit unserer Umwelt, der Natur, anderen Lebewesen, Bakterien, der Luft und dem Kosmos existieren.
Qi in der traditionellen chinesischen Medizin
In der traditionellen chinesischen Medizin bekommt das Qi, speziellere Funktionen und Bezeichnungen. Es wird durch die inneren Organe unseres Körpers umgewandelt, bzw. verfeinert, um so den Bedürfnissen, die es dann an den verschiedenen Orten des Körpers befriedigen soll, gerecht werden zu kann.
Das Wei-Qi oder Abwehr-Qi, das sich in gröberer Qi-Form in den äußeren Körperschichten, zwischen Haut und Muskeln befindet, ist anders verarbeitet worden und beschaffen, als das Nähr-Qi, das aus dem feineren Teil der Nahrung gebildet wird und in den Blutgefäßen und Leitbahnen an seinen Ort der Bestimmung gelangt.
Jedes Organ verfügt über ein eigenes Qi, also eine eigene Qi-Qualität, um seine Funktion ausführen zu können. Hier bekommt das Qi den Namen des Organs, in dessen Auftrag es arbeitet. So kennen wir Leber-Qi, Gallenblasen-Qi, Dickdarm-Qi und so weiter. Name und Funktion stehen hier in engem Zusammenhang.
Im Körper hat das Qi die Aufgaben umzuwandeln, festzuhalten, anzuheben, zu schützen, zu wärmen und zu transportieren.
Fließt das Qi harmonisch und ausreichend im menschlichen Körper, kann es seine Aufgaben angemessen erfüllen. Dann sind Yin und Yang im Gleichgewicht und der Organismus funktioniert so, wie er soll. Der gesunde Austausch mit der Umwelt ist sicher gestellt.
Störungen im Qi-Fluss bewirken Disharmonien im Organismus, die sich in Symptomen äußern und zu Krankheiten führen können.
Alles, was die TCM aufbietet, um einen kranken Organismus zu behandeln, wirkt letztendlich auf die Harmonisierung des Qi-Flusses in unserem Organismus.
Neben den Atem- und Körperübungen, der richtigen Ernährung, Diäten, Akupunktur, Massagen, Moxibustation, Meditation und medizinisch wirksamer Substanzen, werden auch Feng Shui und Kampfkünste eingesetzt, um dem Qi im menschlichen Organismus wieder zum harmonischen Fluss zu verhelfen.
Qi ist die Grundsubstanz, die sowohl auf körperlicher als auch auf spiritueller Ebene Einfluss nehmen kann. Immaterieller, als Säfte und Blut, aber stofflicher als das Shen...