1. Woche Aus der Mitte heraus
»Alles Yoga beginnt am Nabelpunkt«
So steht es schon in den alten yogischen Schriften, den Shastras. Und ein sehr altes indisches Gleichnis verdeutlicht diesen Aspekt des Yoga besonders gut:
Auf der Suche nach der Wahrheit fragte ein junger Yogi einst einen erfahrenen Guru, wie weit er noch reisen müsse, bis er den Pfad zur Erleuchtung durchmessen habe. Da der weise Lehrer ein Mann weniger Worte war, machte er eine Faust, spreizte Daumen und kleinen Finger ab und meinte: »Größer ist die Strecke nie gewesen.« Nachdem er seinem Schüler genügend Zeit gegeben hatte, sich zu wundern, legte der Meister die gespreizte Hand auf seinen Bauch, verband mit Daumen und kleinem Finger die Strecke zwischen Herz und Nabel und sprach: »Wenn die Liebe des Herzens aus der Kraft der Mitte schöpft, ist dir jeder Weg frei!«
Der Nabelpunkt
Gemäß der yogischen Philosophie liegt in unserer Körpermitte der Nabelpunkt, ein Kraftzentrum, von dem Energiebahnen ausgehen, ähnlich den Meridianen der Traditionellen Chinesischen Medizin. Dieser Punkt ist nicht mit dem Nabel zu verwechseln, wird aber nur wenige Zentimeter unter ihm im Bauchraum verortet. Da vom Nabelpunkt alle feinstofflichen Kanäle ausgehen, kommt ihm im Yoga eine große Bedeutung zu.
Die Körpermitte ist der Ort, von dem aus wir uns nach oben und unten verankern. Von hier her holen wir die Kraft, um die Yogaübungen gut und sicher auszuführen. Damit du deine Energie im wahrsten Sinne des Wortes aus der Mitte heraus schöpfen kannst, ist es erforderlich, dass du deine Bauchmuskulatur trainierst und lernst, diese Kraft in deinem Becken zu verankern.
Eine Besonderheit im Yoga sind die drei sogenannten Körperschleusen. Die wichtigste unter ihnen ist die Wurzelschleuse. Sie wird schon in der ersten Übungsreihe immer wieder angewandt. Bevor du mit einem Wochenprogramm anfängst, übe also zunächst die Wurzelschleuse (siehe >).
Um die innere Bauchmuskulatur wahrzunehmen, zu kräftigen und entspannt einzusetzen, ist etwas Übung erforderlich. Beginne also gelassen und überstürze nichts. Wundere dich aber auch nicht, wenn du schon in kurzer Zeit spürbare Fortschritte machst.
Diese Übungsreihe bewirkt auf körperlicher Ebene
Flexibilisierung der Wirbelsäule
Kräftigung der Bauchmuskulatur
Anregung der Organe im Bauch
Anregung der Verdauung
Auf geistig-seelischer Ebene bewirkt sie
Stärkung von Ausdauer und Willenskraft
Hineinspüren in die eigene Mitte
Ruhen in der eigenen Mitte
Grätschbeuge
Die Kraft aus der Mitte ist die Kraft aus dem Bauch – sie stärkt dich körperlich und geistig!
Vorsicht bei:
Ischias, Bandscheibenproblemen in der unteren Wirbelsäule, Hüftgelenksdysplasie
Die Grätschbeuge ist eine wunderbare Übung, um die Muskulatur im unteren Rücken und im Bauchraum zu trainieren, um Spannungen im Lendenwirbelbereich zu lösen und um Atmung und Bewegung zu koordinieren. Sie lässt uns aus der Mitte heraus handeln, sensibilisiert uns aber auch dafür, unsere Grenzen achtsam auszuloten.
Wie es losgeht
Setze dich an die vordere Stuhlkante, grätsche die Oberschenkel so weit, wie du kannst. Drücke für einen Moment mit den Händen die Knie auseinander.
Lege dann deine Handflächen auf den Knien ab. Achte darauf, dass deine Fersen unter den Kniescheiben sind und die Füße in die gleiche Richtung zeigen wie die Oberschenkel. Verwurzle dich mit deinen Sohlen auf dem Boden.
Wie du die Übung machst
Einatmend richte dich auf, wende dich mit dem Oberkörper nach links, ausatmend beuge den Oberkörper in Richtung des linken Oberschenkels.
Einatmend richte dich zur Mitte hin auf, wende dich mit dem Oberkörper nach rechts, ausatmend beuge den Oberkörper zum rechten Oberschenkel. Fahre fort, atme kraftvoll.
Diese Übung besteht aus zwei voneinander getrennten Bewegungsabläufen. In der Mitte streck dich hoch, verharre kurz.
Die Bewegung kommt aus der unteren Wirbelsäule. Halte beide Sitzbeinhöcker durchgehend unten. Hals und Kopf bleiben in Verlängerung der Wirbelsäule.
Drücke dich im Verlauf der Übung nicht mit den Armen hoch. Die Kraft, die dich aufrichtet, kommt aus dem Bauch. Eventuell möchtest du die Oberschenkelgrätsche in der letzten Phase der Übung noch etwas weiten.
Wie die Übung ausklingt
Richte dich einatmend auf, schiebe die Fußsohlen etwas weiter vor und raus, grätsche die Beine etwas weiter. Ausatmend beuge den Oberkörper mittig weit vor. Bleib dabei auf den Sitzbeinhöckern. Einatmend richte dich wieder auf. Wiederhole dies mehrmals.
Dann bleib unten, halte den Atem einige Sekunden draußen, ziehe den Steiß runter und das Brustbein weit vor. Zum Abschluss drücke dich mit der Kraft der Arme hoch, richte dich auf, spüre die Aufrichtung der unteren Wirbelsäule, atme lang und tief.
Was auf der Matte zu beachten ist
Worauf du achten solltest
Bei der seitlichen Grätschbeuge auf dem Stuhl ist es nicht empfehlenswert, die Beine durchzustrecken, da dann die Gefahr besteht, im Verlauf der Übung vorne runterzurutschen.
Wie die Übung wirkt
Trainiert die Beckenbodenmuskulatur
Trainiert die hintere Oberschenkelmuskulatur
Regt die Organe im Bauch an
Regt die Verdauung an
Stärkt das Nervensystem
Halbe Streckposition
Nur wer die Latte höher legt, springt auch höher – anders geht es nicht!
Vorsicht bei:
schwachen Bauchmuskeln, akuten Problemen in der unteren Wirbelsäule oder innerer Organe
Die Streckposition zeigt uns, wie stark Körper, Geist und Seele miteinander verwoben sind. Neben einer allgemeinen Vitalisierung wird die Bauchmuskulatur angeregt. Schon nach wenigen Tagen spürt man, dass die Streckposition die Ausdauer verbessert und das Durchsetzungsvermögen steigert. Wir beginnen daher mit einer leichten Variante, die uns aufrichtet und in die Kraft der Mitte bringt.
Wie es losgeht
Wie du die Übung machst
Lehne dich so weit zurück, dass dein Rücken die Lehne fast berührt. Winkle die Ellbogen an, schiebe sie zurück, richte die Unterarme horizontal nach vorne aus, die Handflächen zeigen nach innen. Dein Blick geht nach vorn. Ziehe den Steiß runter und das Schambein hoch. Die Aktivierung der Beckenbodenmuskulatur gibt deiner unteren Wirbelsäule den notwendigen Halt, um nicht ins Hohlkreuz zu gehen, wenn du nun ein Bein anhebst und es weit über das andere grätscht.
Streck dich vom Scheitelpunkt zu den Fersen, die Schultern bleiben entspannt. Atme nur mit dem Bauch. Ziehe beim Ausatmen den Bauchraum vom Nabelpunkt ausgehend rein und leicht hoch. Einatmend entspanne die Bauchdecke. Mach das in deinem Tempo. Wenn du möchtest, gehst du in die yogische Feueratmung (siehe >). Wechsle die Seiten mehrmals.
Vielleicht möchtest du dich erst mal nur jeweils 10 – 15 Sekunden in die Haltung strecken und dazwischen Pausen machen.
Wie die Übung ausklingt
Ziehe noch mal kräftig den Steiß runter, atme ein, streck dich, atme aus und halte den Atem für einige Sekunden draußen. Hebe das Brustbein leicht an, ziehe die Schultern runter, streck dich vom Scheitel bis zur Sohle!
Wenn du willst, wiederhole dies zweimal. Nun richte dich auf, komm in den stabilen Sitz (siehe >) und spüre in die Energie, die du im Bauchraum freigesetzt hast. Atme lang und tief.
Was du auf der Matte beachtest
Lege dich auf den Rücken. Hebe die obere Wirbelsäule leicht an, schaue auf deine Zehen. Wenn du während der Übung ins Hohlkreuz gehst oder deine Bauchdecke hart wird, verkürze die Zeit, mache Pausen.
Worauf du achten solltest
Diese Übung heißt nicht von ungefähr Streckposition.
Schiebe deshalb durchgehend die Zehen vor, ziehe den Steiß und die Schultern runter, mach den Nacken lang. So vermeidest du es, ins Hohlkreuz zu fallen.
Wie die Übung wirkt
Kräftigt diagonale Bauchmuskeln und die Oberschenkelmuskulatur
Verbessert die Haltung imunteren Bereich der Wirbelsäule
Dehnt die Halsmuskeln
Kräftigt das Bindegewebe im Bauchraum
Regt die Verdauung und die Bauchdrüsen an
Rumpfdrehen
Finde Harmonie, Lebensfreude und dein inneres Gleichgewicht – mit einem Dreh!